Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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Lusthaus stand offen, da ging Leonhard hinein und
trat in einen Saal, darin erblickte er eine reizend schöne
Jungfrau, die trug auf ihrem Haupt ein guldig
Krönlein und hatte fliegende Haare, aber o Scheuel
und Greuel, von des Leibes Mitte abwärts an war sie
eine häßliche Schlange mit langem Ringelschweif.
Hinter der Jungfrau stand ein eiserner Kasten, darauf
lagen zwei schwarze Hunde, die sahen aus wie Teufel
und knurrten wie grimmige Löwen. Die Jungfrau
grüßte den Leonhard sittiglich, nahm von ihrem Hals
einen Schlüsselbund und sprach: Siehe, ich bin von
königlichem Stamme und Geschlecht geboren, aber
durch böse Macht also verwünscht und zur Hälfte in
ein greulich Ungetüm verwandelt. Doch kann ich
wohl erlöset werden, wenn ein reiner Junggeselle
mich trotz meiner Ungestalt dreimal auf den Mund
küsset, dann erlange ich meine vorige Menschengestalt
völlig wieder, und mein ganzer großer Schatz ist
sein. – Und da machte sie sich zu dem Kasten, stillete
die murrenden Hunde, schloß einen mittlern Deckel
mit einem ihrer Schlüssel auf und zeigte Leonhard,
welch ein großes Gut an Gold und Kleinodien darinnen
enthalten sei, nahm auch etliche goldne und silberne
Münzen heraus und gab sie dem Leonhard und
blickte ihn seufzend und gar inniglich aus zärtlichen
Augen an. Leonhard hatte in seinem Leben noch keine
Maid geküßt, es ward ihm jetzt warm ums Herz, und
er wagte es, der Schlangenjungfrau einen Kuß auf
ihren schönen Mund zu geben. Da erglühten ihre
Wangen und erfunkelten ihre Augen, ihr Antlitz strahlte
vor Freude, und sie lachte vor Lust und Hoffnung
der Erlösung und preßte ihren Befreier mit heftiger
Glut an die Brust. Und da geschah der zweite Kuß,
und mit dem so ringelte sich der Schlangenschweif
eng um ihn, als wolle er ihn auf ewig fesseln, und die
Jungfrau faßte ihn noch fester mit beiden Händen an
und lachte und biß ihn vor Lust in die Lippe. Da
schauderte ihn vor solchen Zeichen überheftiger Liebeswut,
und riß mit Gewalt sich los, nahm seine noch
brennende Kerze und entwich. Die Jungfrau stieß hinter
ihm ein wehklagendes Geschrei aus, das ihm durch
Mark und Bein drang, und er kam aus dem Gang und
Loch heraus, er wußte gar nicht wie. Seitdem empfand
der Jüngling eine brennende Sehnsucht nach
Küssen, nie aber fand er andrer Mädchen und Frauen
Küsse so feurig und so süß als jene der Schlangenjungfrau,
immerdar trieb es ihn zurück zu ihr, um das
Werk der Erlösung an ihr zu vollbringen, aber da er
nun andre geküßt, vermocht' er nimmer, den Eingang
zur Schlangenhöhle wiederzufinden, und es soll dieses
auch nach ihm keinem wieder geglückt sein.
28. Herzog Bernhard hält sein Wort
Im Dreißigjährigen Kriege kämpfte der Sachsenherzog
Bernhard von Weimar in den Gefilden des Oberrheins.
Da belagerte er das Städtchen Neuenburg,
zwischen Basel und Breisach gelegen, das noch gut
kaiserlich war und sich tapfer hielt. Der langen Belagerung
und des hartnäckigen Widerstandes der Neuenburger
äußerst müde, erzürnte sich der Sachsenherzog
und verschwur sich hoch und teuer bei Himmel
und Hölle: Komme ich in das Nest hinein, so soll
weder Hund noch Katze mit dem Leben davonkommen.
– Bald darauf mußten sich die tapfern Neuenburger,
da sie die Belagerung nicht länger aushalten
konnten, dennoch ergeben, und die Soldateska wollte
schon ihr Mütlein im Blute der Bürgerschaft kühlen
und alles ermorden. Da gereute dem Herzog sein vermessener
Eid und des vielen edeln auch zum Teil unschuldigen
Blutes, das hier vergossen werden sollte,
und er sprach: Nur was ich schwur, wird gehalten,
und nicht mehr und minder. Schont nicht Hunde, nicht
Katzen, aber bei Leib und Leben gebiet' ich, daß der
Menschen geschont werde. – Und also geschah es.
Herzog Bernhard, der große Kriegesheld, hatte auch
Breisach belagert und erobert, Freiburg eingenommen
und bei Rheinfelden das Heer der Kaiserlichen ge-
schlagen. Große Hoffnungen baute auf ihn das deutsche
Volk, auch das im Elsaß, und jubelte ihm zu und
begrüßte ihn überall als einen Retter, wie als einen
Schirmvogt gegen das treulose Nachbarland. Aber er
sprach ahnungsvoll: Ich werde des großen Schwedenkönigs
Gustav Adolf Schicksal teilen – sobald das
Volk ihn mehr ehrte als Gott, mußte СКАЧАТЬ