Название: Lausbubengeschichten & Tante Frieda - Teil 2
Автор: Ludwig Thoma
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Lausbubengeschichten & Tante Frieda
isbn: 9783742772763
isbn:
Und da ist auch Ännchen wiedergekommen und ist gleich auf das Kanapee hingefallen und hat
geheult und hat gesagt, sie glaubt, daß der Steinberger nie mehr zum Kaffee kommt, und er ist
viel schneller fort wie sonst.
Die Tante hat noch eine Tasse vollgeschenkt und hat gesagt, sie hat noch keine Familie gesehen
mit so kaputte Nerven, und sie muß sich wundern, wo das herkommt.
Da habe ich gedacht, ich will schon machen, daß sie auch heult, und bin geschwind hinaus. In
meinem Zimmer habe ich das Pulver geholt, und eine Zündschnur habe ich auch gehabt, weil ich
oft im Wald einen Ameisenhaufen in die Luft sprengen muß. Ich habe das Pulver in ein Papier
gewickelt und die Schnur hineingesteckt, und dann bin ich in der Tante ihr Zimmer und habe
alles in den Käfig getan. Diese Schnur ist so lang gewesen, daß sie fünf Minuten brennt, und sie
ist herausgehängt.
Wie ich das Paket mit dem Pulver hineingeschoben habe, ist der Papagei ganz oben
hinaufgeklettert und hat seinen Schnabel aufgerissen und hat gefaucht wie eine Katze.
Ich bin noch mal auf den Gang hinaus und habe gehorcht, ob niemand kommt, es ist aber ganz
still gewesen.
Da bin ich wieder hinein und habe das Zündholz angebrannt und an die Schnur gehalten. Es hat
gleich geraucht. Der Papagei ist jetzt auf der Stange gesessen und hat den Kopf auf die Seite
getan und Obacht gegeben auf mich. Ein Auge hat er zugedrückt, und mit dem andern hat er
furchtbar geschaut. Wie die Zündschnur geraucht hat, ist der Papagei hergerutscht und hat seinen
Kopf herausgesteckt und hat hinuntergeschaut, warum es raucht.
Ich dachte, er wird es schon noch merken und bin geschwind fort, aber wie ich an das
Wohnzimmer gekommen bin, da bin ich langsam gegangen und bin ganz ruhig hinein, als wenn
nichts ist.
Ännchen hat noch geweint, und meine Mutter war rot im Gesicht, und die Tante hat noch Kaffee
getrunken. Ich glaube, sie haben es gar nicht gemerkt, daß ich fort war.
Die Tante hat gerade gesagt, sie weiß schon, daß man sie in unserer Familie nicht leiden kann,
aber das ist immer der Dank von den Brüdern, wenn sie fertig sind und das ganze Geld gebraucht
haben, dann kümmern sie sich nicht mehr um die Schwestern.
Da hat meine Mutter gesagt, daß unser Vater sich schon gekümmert hat um sie und daß er oft
gesagt hat, es tut ihm leid, wenn die Frieda nirgends bleiben kann wegen ihrem bösen Mundwerk.
Die Tante hat den Kaffeelöffel auf den Tisch geworfen und hat geschrien: »Wenn er das gesagt
hat, ist es eine Gemeinheit! So muß man es seiner Schwester machen! Zuerst das Geld verputzen,
und dann... «
»Pff-umm!«
Es hat einen dumpfen Knall gemacht, und das Küchenmädchen hat gleich furchtbar geschrien
und ist hereingelaufen, und wie sie die Tür aufgemacht hat, da hat es furchtbar nach Pulver
gerochen, und der Gang ist voll Rauch gewesen.
Ich habe vergessen gehabt, daß ich die Zimmertür von der Tante zumache.
Das Mädchen hat gerufen, es ist was losgegangen, sie glaubt, es brennt. »Wo? wo?« hat Ännchen
geschrien.
»Um Gottes willen, wo ist die Feuerwehr?« hat meine Mutter geschrien.
Wir sind auf den Gang gelaufen, da hat man gesehen, daß der Rauch aus der Tante ihrem Zimmer
kommt, und die Tante ist hinein, und da hat sie geschrien, als ob sie auf dem Spieß steckt.
»Um Gottes willen, was ist jetzt? hat meine Mutter gesagt, und es ist ihr schwach geworden, daß
sie nicht weitergegangen ist. Ich habe gesagt, ich will ihr helfen, und bin bei ihr geblieben.
Ännchen ist schon wieder aus dem Zimmer gekommen und hat gerufen: »Sei ruhig, Mamachen!
Es ist bloß der Papagei!«
Da ist die Tante herausgefahren aus ihrem Zimmer und hat geschrien: »Was sagst du, es ist bloß
der Papagei? Du rohes Ding! Du abscheuliches Ding!«
»Ich habe Mama beruhigt, daß es nicht brennt«, sagte Ännchen.
»Und das Tierchen sitzt ganz voll Pulver in seinem Käfig, und sie sagt, es ist bloß der Papagei!
Du rohes Ding«, schrie die Tante.
»So sei doch ruhig, Frieda!« hat meine Mutter gesagt. »Vielleicht ist es nicht so arg.«
»Ihr helft alle zusammen!« schrie die Tante, und dann ist sie gegen mich gelaufen und hat noch
lauter geschrien: »Du bist der Mörder! Du bist der ruchlose Mörder!« »Schimpfe ihn nicht so!»
hat meine Mutter gesagt. »Er ist ganz unschuldig; er ist doch im Zimmer gewesen.«
Ich sagte, ich bin es schon gewohnt, daß die Tante immer mir die Schuld gibt, aber es ist mir zu
dumm, und ich sage gar nichts. Ich weiß noch gar nicht, was geschehen ist.
»Du weißt es schon!« schrie die Tante. »Du hast es getan, und sonst hat es niemand getan. Aber
du mußt gestraft werden, wenn auch deine Mutter auf die Knie bittet!«
»Ich bitte dich gar nichts, Frieda, als daß du nicht so schreist«, hat meine Mutter gesagt.
Wir sind jetzt auch in das Zimmer gekommen, und der Rauch war schon beim Fenster hinaus,
aber es hat doch noch nach Pulver gerochen und nach verbrannte Federn.
Der Papagei ist auf dem Boden von dem Käfig gesessen, aber er war nicht mehr grün und rot. Er
war ganz schwarz. Die Schwanzfedern sind verbrennt gewesen und struppig und sind auseinander
gestanden. Der Kopf ist auch ganz schwarz gewesen, und die Augen sind gewesen wie von einer
Eule so groß. Er ist ganz still gesessen und hat mich angeschaut. Ich glaube, er hat sich furchtbar