Название: Vom Glück geküsst
Автор: Mila Summers
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738052787
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»Estelle, ich bin auf der Arbeit. Können dich denn nicht Ashley oder Madison holen?«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.
»Ach, wir wissen doch beide, dass du keiner richtigen Arbeit nachgehst. Außerdem weißt du genau, dass deine Stiefschwestern eine sehr verantwortungsvolle Position innehaben – im Gegensatz zu dir.« Verächtlich schnalzte sie mit der Zunge.
23, 24, 25… zählte ich gebetsmühlenartig auf, während ich tief ausatmete. Ganz ruhig. Lass dich nicht von ihr provozieren. Das kennst du bereits zur Genüge, ermahnte ich mich und stieß dabei immer wieder leicht mit dem Kopf gegen die Wand hinter meinem Schreibtisch.
»Also beweg deinen Hintern endlich hierher und hol mich von diesem schrecklichen Ort ab! Ich halte es hier keine Sekunde länger aus.«
Wenn man sie so reden hörte, konnte man fast meinen, sie säße in einem der schlechteren Viertel der Stadt fest oder, noch schlimmer, bei Bloomingdales im Schlussverkauf. Estelle hasste es, wenn sich das einfache Volk unter ihresgleichen mischte.
»Okay, ich mach mich gleich auf den Weg.« Es hatte keinen Sinn, mit Estelle zu diskutieren. Als meine Stiefmutter vor über zwanzig Jahren in unserem Haus eingezogen war, hatte sie neben ihren Töchtern den herrischen Befehlston gleich mitgebracht.
Nur gut, dass ich heute weiter an der Konzeption des Projekts ›Kinder haben Spaß im Museum‹ arbeiten und mir damit die Zeit frei einteilen konnte. Ganz anders sähe es aus, wenn ich eine Führung gehabt hätte, dann wäre es mir nicht möglich gewesen, Estelle abzuholen. Wobei sie dieser Umstand sicherlich wenig gekümmert hätte.
»Wird aber auch langsam Zeit, dass du zur Vernunft kommst. Schließlich warte ich hier schon eine halbe Ewigkeit.«
Ich schloss die Augen, kniff sie fest zusammen und schüttelte leicht den Kopf. Warum nahm sie sich kein Taxi? Warum musste sie sich in solchen Fällen immer an mich wenden? Stand auf meiner Stirn geschrieben: Hey, mein Name ist Drew. Ich lasse mich gerne herumkommandieren und ausnutzen? Musste so sein. Spätestens nach meiner letzten Beziehung war ich davon überzeugt.
Chris machte mir im Namen der Liebe glaubhaft, dass es besser sei, nur das zu tun, was er mir erlaubte. Außerdem bediente er sich nach Lust und Laune an meiner Haushaltskasse, um mir eine Freude machen zu können. Das hatte er zumindest behauptet. Von den vermeintlichen Geschenken hatte ich nie eines zu Gesicht bekommen, aber das war eine andere Geschichte.
Wenn ich ehrlich war, wusste ich ganz genau, warum Estelle sich mit all den unliebsamen Dingen immer vertrauensvoll an mich wandte. Ohne es je offen ausgesprochen zu haben, musste ich mir eingestehen, dass sie mich in der Hand hatte.
Nicht wegen der Vermögenswerte oder des Geldes, das mein Vater in seinem letzten Willen durch sie treuhänderisch verwalten ließ, bis ich verheiratet war. Nein, vielmehr verwahrte sie unter all dem Prunk, den sie in ihrem Haus hortete, meinen ganz eigenen Schatz, den sie mir einfach nicht aushändigen wollte. Was ich auch tat, sie ließ einfach nicht locker. Doch die Hoffnung starb schließlich zuletzt und aufgeben konnte ich einfach nicht. Zu kostbar war das kleine Sammelsurium für mich.
»Wo genau finde ich dich denn am Flughafen?« Ich versuchte weiterhin nett und gelassen zu wirken, wobei mir mein zuckendes Auge verriet, dass ich kurz davor stand zu explodieren.
»Doofe Frage, ich bin natürlich in der Ankunftshalle. Wo auch sonst? Sag mal, isst du etwa, während ich mit dir rede?«
Erschrocken bemerkte ich, dass ich begonnen hatte, mit meinen Zähnen zu knirschen, und antwortete schnell: »Nein, nein, bin jetzt unterwegs. Bis gleich«, und legte den Hörer ohne ein Wort des Abschieds einfach auf. Oh Backe, das würde sicherlich auch wieder eine Schimpftirade nach sich ziehen.
Keine Ahnung, wie Estelle das immer machte. Aber allein ihre Stimme am Telefon verwandelte mich in das eingeschüchterte kleine Mädchen zurück, das während ihrer gesamten Jugend peinlich darauf bedacht war, ihrer Stiefmutter möglichst aus dem Weg zu gehen.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte mich Stacy, die gerade vom Kopierer zurückkam, besorgt. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Ist alles in Ordnung bei dir?«
»Alles gut. Muss nur eben schnell zum Flughafen und Estelle abholen. Kannst du hier allein die Stellung halten?«, lenkte ich eilig ab, während ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mich das vorangegangene Gespräch sehr wohl aufgewühlt hatte.
»Hast du etwa schon wieder nachgegeben? Dieser alten Giftschlange solltest du keinen Gefallen mehr tun. Warum holen ihre Töchter sie nicht ab?«
Stacy hatte gut reden. Sie war mit Mitch seit einem Jahr glücklich verheiratet, hatte wundervolle Schwiegereltern, die die Vollwaise rührend in ihrer Familie willkommen hießen und erwartete als Krönung des Ganzen das erste gemeinsame Kind.
Ich verbot es mir, neidisch auf meine Freundin zu sein, und schob die Gedanken beiseite. Auch Stacy hatte eine schlimme Zeit des Hoffens und Bangens hinter sich. Mitchs Exfreundin hatte den beiden ihre Liebe nicht gegönnt und so lange dazwischen gefunkt, bis es fast zu spät war.
»Nein, nein, ich hab es vergessen. Sie hat mich bereits vor ihrer Reise darum gebeten«, log ich in der Hoffnung, einer längeren Auseinandersetzung mit ihr aus dem Weg zu gehen.
Stacy schien den Braten gerochen zu haben, hakte allerdings nicht weiter nach, wofür ich ihr sehr dankbar war. Dennoch wagte ich es nicht, ihr in die Augen zu sehen. Mit gesenktem Blick schmiss ich achtlos mein Handy in die Handtasche und verfluchte mich innerlich dafür, dass ich mal wieder klein beigegeben hatte.
Jetzt fing ich auch schon an, meine Stiefmutter und ihr Verhalten in Schutz zu nehmen, und belog deshalb sogar die Frau, die ich seit fast zwei Jahren sehr ins Herz geschlossen hatte. Die Zeit war reif. Ich musste dringend etwas an meinem Leben ändern.
Was das genau sein würde, konnte ich mir während der Autofahrt zum Flughafen überlegen. Schließlich würde ich dank Estelle ausgiebig Zeit dafür finden, da sie mich mitten in der Rushhour einmal quer durch die Stadt jagte.
***
Unmotiviert sichtete er die eingegangen Emails auf seinem Handy. Der Flug hatte gerade mal drei Stunden gedauert und dennoch hatte man ihn deutlich spüren lassen, wie unabkömmlich er doch war.
Er hob den Kopf und hielt Ausschau nach seinem Koffer. Zu seiner Verwunderung musste er allerdings feststellen, dass sich das Kofferband noch nicht mal in Bewegung gesetzt hatte. Bevor er sich jedoch erneut seinem Smartphone zuwenden konnte, fiel sein Blick auf eine ältere, hagere Dame im Pelzmantel, die eine sehr viel jüngere Frau schroff zurechtwies und ihr unmissverständlich klarmachte, dass man sie nicht warten ließ.
Trotz des Altersunterschieds zwischen der Dame und seiner Mandantin, zog er unweigerlich einige Parallelen und erinnerte sich an die Situation vor zwei Tagen, die ihn gezwungen hatte, Boston für einige Zeit den Rücken zu kehren.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Graham. Ich war all die Jahre eine treusorgende Ehefrau. Meinem Mann hat es nie an etwas gemangelt, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Dabei hatte sie ihm verführerisch zugezwinkert und sich lasziv über die leicht geöffneten Lippen geleckt. »Im Grunde haben wir uns auseinandergelebt. Sie wissen schon: Unüberbrückbare Differenzen. Früher oder später trifft es doch die beste Beziehung. Ich kann so nicht weiterleben und möchte Sie nun bitten, mich bei der Scheidung vor Gericht zu vertreten«, hatte sie schließlich den Grund ihres СКАЧАТЬ