Unter der Sonne geboren - 2. Teil. Walter Brendel
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Название: Unter der Sonne geboren - 2. Teil

Автор: Walter Brendel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783966511872

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СКАЧАТЬ man ihn verehrte. Vielleicht war Verehrung aber nur die verschleiernde Bezeichnung für ein Gefühl, das eigentlich Liebe war.

      Aus eigener Erfahrung war seine Mutter überzeugt, dass ihr Sohn sein ganzes Leben lang nicht lernen würde, Menschen zu widerstehen, die ihm Liebe oder Verehrung entgegenbrachten oder vorgaukelten.

      Auch jetzt wartete er darauf. Jetzt vor allem, als sein Herz klopfte, weil er kaum erwarten konnte, Marie wiederzusehen, von der er einen Abend und eine Nacht lang getrennt gewesen war - eine Ewigkeit, wie es ihm auf einmal vorkam.

      Dann sah er sie. Sie stand mit Madame de Venel vor ihrer Kutsche und wartete auf das Signal zum Einsteigen. Es war ein kühler Morgen. Ein frischer Wind hob die bunten Federn auf Maries breitkrempigem Hut, der ihr Gesicht zur Hälfte verbarg. Sie schien zu frösteln in ihrem schwarzen Samtkostüm mit dem engen Mieder, das sie schon von ferne zart und schmal erscheinen ließ. Während Madame de Venel mit dem Kutscher Wegen des Gepäcks verhandelte, stand Marie schweigend da, in sich gekehrt, als wüsste sie nichts mit sich anzufangen. Dabei musste sie doch wissen, dachte Ludwig, dass sich mit dem Ende der Brautschau auch für sie alles verändert hatte. Die spanischen Pläne waren ihr sicher nicht bekannt. Noch waren sie geheim, und auch Ludwig war nicht bereit, über sie auch nur nachzudenken. Er glaubte an die Zukunft. Das Schicksal musste auf Seiten der Liebenden sein.

      Ein paar Schritte von Marie entfernt blieb Ludwig stehen und wartete darauf, dass sie ihn wahrnahm. Und nun sah sie ihn auch! Sie forschte in seinem Gesicht und merkte, dass sich sein Blick im Vergleich zu früher verändert hatte. Nicht nur sein Blick - alles hatte sich verändert. Marie begriff es sofort. Auch Madame de Venel, die Marie zum Einsteigen aufforderte, hielt inne und starrte Ludwig überrascht an. Sie sank in einen tiefen Knicks und blickte zugleich misstrauisch zu ihrem Schützling hoch. Auch ein König war ein Mann, und ihre Aufgabe als Gouvernante war es, Marie vor jeglichem Schaden, den Männer verursachten, zu bewahren.

      Doch Marie wollte vor gar nichts bewahrt werden. Am liebsten wäre sie zu Ludwig hingelaufen und hätte sich in seine Arme geworfen. Sie zweifelte nicht daran, dass er sie beglückt umfangen hätte. Er liebt mich!, dachte sie. Ich bin sicher, dass er mich liebt... Die Schmach des gestrigen Abends war vergessen, als sie beschämt aus dem Ballsaal geschlichen war, weil niemand von ihr Notiz genommen hatte.

      Nun aber fiel das Licht wieder auf sie. Ludwig ging auf sie zu - langsam, um den kostbaren Moment nicht zu verkürzen. Sie ließen einander nicht aus den Augen. Marie knickste, wie es sich gehörte, aber sie verneigte sich nicht. Als Ludwig sie erreicht hatte, streckte er ihr die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen. Auch als sie bereits stand, ließ er sie nicht los.

      Inzwischen waren sämtliche Reisenden bei ihren Kutschen angekommen. Alle sahen auf Ludwig und Marie, die selbst nichts wahrnahmen als einander. Keiner der beiden lächelte. Noch nie war ihnen etwas so ernst gewesen wie dieser Augenblick.

      Als sie sich dann doch voneinander lösten, stieß Maries Hand schmerzhaft gegen den Knauf von Ludwigs Schwert. Sie schrie leise auf und rieb sich die betroffene Stelle. Ludwig sah ihr erschrocken zu, dann riss er das Schwert aus der Scheide und warf es weit von sich. Klirrend blieb es mitten auf der Straße liegen.

      Die Zuschauer stöhnten auf und flüsterten anerkennende Kommentare über die Ritterlichkeit des Königs. Ludwig selbst verneigte sich vor Marie und nahm vorsichtig ihre Hand. Ohne jemand anderen zu beachten, führte er Marie zu seiner Kutsche.

      Madame de Venel hob in hilflosem Entsetzen ihre Arme.

      Dann raffte sie ihre weiten Röcke zusammen und folgte den Beiden. Als sie eingestiegen waren, bestand sie darauf, ebenfalls mitgenommen zu werden. Dass es die Kutsche des Königs war, spielte für sie keine Rolle. Ihre Pflicht bezog sich auf die Nichte des Kardinals, die sich - davon war Madame de Venel überzeugt - soeben in die größte Gefahr ihres Lebens begab. Sie jetzt nicht im Stich zu lassen, war nicht nur Christen-, sondern auch Gouvernantenpflicht. Außerdem: Der König war zwar der König, aber das Sagen hatte wohl immer noch der Kardinal, und der war ihr Auftraggeber und der Vormund des unglückseligen Mädchens, das dabei war, offenen Auges ins Verderben zu rennen.

      Tage des Glücks und der Verliebtheit folgten und wurden zu Wochen und zu Monaten. Allein schon die Rückreise nach Paris war das Schönste, was Ludwig je erlebt hatte. Wie in einem Taumel vergingen die wenigen Tage, in denen der Winter näherkam und es allmählich kälter wurde. Eines Morgens fiel sogar Schnee. Die Königin und der Kardinal, Olympia und Hortense zogen sich warm verpackt in ihre Kutschen zurück, ließen jedoch zu, dass Ludwig und Marie den Schutz der Fahrzeuge verschmähten und Seite an Seite durch den kalten Tag ritten.

      Manchmal hieben sie ihre Pferde zum Galopp an. Dann wieder hielten sie an einem besonders reizvollen Punkt der Landschaft inne und sahen sich um. „Das ist Ihr Land, Sire!“, sagte Marie leise. „Sie sollten es lieben.“

      Ludwig nickte nachdenklich. Noch nie war er mit sich selbst so sehr im Reinen gewesen wie jetzt, und noch nie hatte er sich als Teil eines wundervollen, riesengroßen Ganzen gefühlt, das er nicht benennen konnte, das ihm aber manchmal fast die Tränen in die Augen trieb. Sie nannten einander beim Vornamen, und manchmal wagte Marie sogar, Ludwig zu duzen, als wären sie beide noch kleine Kinder, Geschwister oder Freunde, die einander gleichgestellt waren. Kein Knicks, wenn sie allein waren, nur eine sanfte, ehrerbietige Zärtlichkeit, die Ludwig niemals überschritt, weil er zutiefst daran glaubte, dass eine Liebe, wie er sie nun empfand, sogar dem strengen Schicksal genehm sein musste. Niemand konnte verlangen, dass sie sich jemals wieder trennten. Sogar der Kardinal und die standesbewusste Königin würden zugestehen müssen, dass es Gefühle gab, die alle Grenzen überschreiten durften. Auch der Hof würde es verstehen. Frankreich würde es verstehen. Die ganze Welt würde es verstehen. In alle Ewigkeit würde man den jungen König von Frankreich rühmen, weil er so sehr geliebt hatte, dass alle Schranken zusammenbrachen.

      So ritten die beiden durch die winterlichen Tage. Immer wieder fiel Schnee, bis das ganze Land davon bedeckt war. Ludwig auf seinem tänzelnden Pferd beugte sich zu Marie hinüber und küsste ihre eiskalten, geröteten Wangen. „Meine Mutter hat noch nie etwas gegen uns beide gesagt!“, flüsterte er. „Ich bin sicher, sie versteht uns.“

      Marie nickte lächelnd. „Mein Onkel ebenfalls“, erklärte sie. „Ich glaube, man gönnt uns unser Glück.“ Dann ritten sie weiter. Erst am Abend trafen sie in den Rastorten wieder mit ihrer Reisegesellschaft zusammen. Man aß und trank, spielte Gitarre und sang.

      Die Einzige, die ihr Missfallen nicht verbergen konnte, war Madame de Venel. Doch alles, was sie von den Liebenden dafür erntete, war Lachen und Spott. Die Gouvernante konnte kaum glauben, wie kindisch fast erwachsene Menschen durch das hemmungslose Ausleben ihrer Verliebtheit werden konnten.

      Einmal brachte ihr Ludwig eine wunderbar bemalte Schachtel als Geschenk mit. Zögernd nahm sie sie entgegen. „Süßigkeiten, Sire?“, erkundigte sie sich vorsichtig. Ludwig verneigte sich und Verließ den Raum. Madame de Venel öffnete die Schachtel und ließ sie gleich darauf schreiend zu Boden fallen. Anstelle der Pralinen, die sie erwartet hatte, sprangen ihr zwölf Mäuse entgegen. Madame de Venel starb fast vor Schreck. Sie war überzeugt, dass sie in ihrem Innersten nie wieder Achtung vor diesem König haben konnte.

      Marie bekam andere Geschenke. Als sie wieder in Paris waren, verlangte Ludwig von Mazarin ein Präsent für seine Liebste. Mazarin zögerte. Er war nicht gegen diese offenkundig immer noch unschuldige Verbindung seines Patensohns und seiner Nichte. Sie kam ihm sogar ganz gelegen, wusste doch ganz Europa bereits davon, auch die Katholische Majestät, was Mazarin bei seinen Verhandlungen mit Pimentel zugutekam. Philipp von Spanien musste damit rechnen, dass sein Heiratsangebot abgelehnt wurde, wenn er zu viel dafür verlangte. Wenn man sich allerdings geeinigt hatte, mussten die verliebten Spielchen ein Ende haben.

      „Ich bin Maries СКАЧАТЬ