Karl der Große im Norden. Elena Brandenburg
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СКАЧАТЬ Fachprosa-Texten fanden komputistische und laienastrologisch-prognostische Inhalte Eingang in den Codex: Tellurische und meteorologische Phänomene ermöglichen eine Zukunftsdeutung. Zu dieser Gruppe zählen die ebenfalls prognostische Wetterregel, die Vorausberechnung des Ostertermins, meteorologische Phänomene wie Donner und eine Wetterprognostik nach der Art der Bauernregeln, die später in der sog. Bondepraktikan (1664)22 erscheinen.

      Wie aus der erfolgten Aufzählung zu erkennen ist, stellt sich der Inhalt der Handschrift als äußerst heterogen heraus, so dass anhand der einzelnen Texte das Rezipientenmilieu nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann. Allerdings stellt Bampi fest, Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4 „was not used in ecclesiastic contexts or within male monastic foundations“,23 denn hier erfolgte die Wissensvermittlung fast ausschließlich mit Hilfe auf Latein verfasster Werke theologischen und religiösen Inhalts. Die generische Heterogenität der Handschrift lässt sich am ehesten mit den privaten Interessen des Besitzers oder Auftraggebers erklären, der sich neben religiösen und erbaulichen Texten auch mit historischen, magischen und profanen Motiven befasste.

      Zusätzlich zur eigentlichen Textanalyse im Kapitel 5 kann die Einordnung der Position des altschwedischen Karl Magnus innerhalb dieses Codex zum Gesamtverständnis hinsichtlich seiner Funktion und Interpretation beitragen. Eine mögliche Verbindung zu den weiter oben beschriebenen Textgruppen ist für die Einordnung der Karlsdichtung in einen potenziellen Wissenshintergrund der Rezipienten hilfreich und kann auf diese Weise neue Lesarten generieren.

      4.1.3. Nota Somnia Danielis und Karl Magnus

      Somniale DanielisZwischen dem Traumdeutungsbuch Somnia Danielis und Karl Magnus existiert eine inhaltliche Verknüpfung. Neben den Visionen, die zur Genese einer eigenen Gattung, der sog. Visionsliteratur beigetragen haben, stellen Träume einen gängigen Topos in der epischen Literatur des Mittelalters dar. Sie haben strukturbildende Funktionen inne und besitzen das Potenzial, psychologische Einsichten und schicksalhafte Wendungen allegorisch zu vermitteln.1 Die allegorische Bedeutung der Träume in der Chanson de RolandRoland wurde schon früh von der Forschung hervorgehobenRoland2 – hier liegt eine mögliche Verbindung zwischen Karl Magnus und dem beliebten mittelalterlichen Traumbuch. Die mantischen Träume Karls des Großen nutzen die Allegorie als Mittel zur Ankündigung zukünftiger Ereignisse und bedürfen einer Auslegung durch den Träumenden selbst oder durch einen Traumdeuter. Wie Karl-Josef Steinmeyer feststellt, sind die Träume Karls ein charakteristisches Beispiel für die Denkweise des mittelalterlichen Rezipienten, die aus dem typologischen Denken hinsichtlich der ihn umgebenden Dinge resultiert und ihren Ursprung in der Bibelexegese hat.3 Hier ist die Geschichte von Karl Magnus und Somniale DanielisSomniale Danielis durch ihre Co-Existenz in der Handschrift Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4 einerseits auf inhaltlicher und andererseits auf rezeptionsästhetischer Ebene verknüpft: Karls mantische Träume und die gegebene Möglichkeit zu deren Exegese durch das Traumbuch bezeugen die mittelalterliche Traumgläubigkeit. Diese erachtet Steinmeyer aufgrund der Vielzahl an Träumen in den chansons de gestechansons de geste und in der frühen epischen Dichtung des europäischen Mittelalters wie auch der handschriftlichen Verbreitung oneiromantischer Schriften als gegeben.4 Diese Traumgläubigkeit und das Weltbild der zeitgenössischen Rezipienten ermöglichen ein anderes Gesamtverständnis des literarischen Werks, einen anderen Zugang, der dem heutigen Leser gänzlich verwehrt bliebe, zöge man das Potenzial der Fachprosa, in diesem Fall der oneiromantischen Schrift, nicht als Folie für die Einordnung der literarischen Texte in den Sinnhorizont ihrer Zeit heran.

      Charakteristisch für die altnordischen, d.h. für die altnorwegische, aber ebenso für altschwedische und altdänische Version der Chanson de RolandRoland, erscheint im ersten Traum Karls der Großen vor der Schlacht von RoncesvallesRoncesvalles nicht Ganelon persönlich, Rolands Stiefvater und Verräter, der die Lanze zerbricht, sondern der Engel Gottes. Das Erscheinen Ganelons in propria persona statt in einer allegorischen Form, z.B. als wildes Tier, ist sowohl für die Chanson de Roland als auch im Rahmen der übrigen Traumsequenzen beinhaltenden chansons de gestechansons de geste ungewöhnlich, so Steinmeyer.5 Die unmittelbare Deutung des Traumes durch Karl selbst ist jedoch nicht weniger prophetisch: Rolands Tod und die bevorstehende Schlacht kündigen sich schon früh in der Erzählung an.

      Die Bedeutung der Fachliteratur liegt neben ihrem Eigenwert als Teil des literarischen Milieus der Zeit in ihrem Potenzial, die soziokulturelle Hintergründe der poetischen Werke zu beleuchten. Die Fachliteratur ermöglicht so das Verständnis zur Gesamtinterpretation einzelner Texte.6 Kodikologisch kontextualisiert können die gelehrten Fachprosa-Texte neue Möglichkeiten zur Interpretation anderer Texte innerhalb der Handschrift liefern, um so die literarischen und kulturellen Horizonte der zeitgenössischen Rezipienten besser einordnen zu können.

      In Bezug auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, die altschwedische Überlieferung der chanson de geste, lässt sich unter anderem ein interpretatorischer roter Faden vom Traumbuch Somniale DanielisSomniale Danielis bis hin zur schwedischen Bearbeitung der Chanson de RolandRoland ziehen. Während die allegorischen Träume Karls des Großen im Text selbst keine Exegese erfahren, ließen sie sich mit dem praktischerweise ebenso in der Handschrift Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4 enthaltenen Traumbuch gewiss deuten. Ob dies der tatsächlichen Praxis entsprach, lässt sich nicht mit Sicherheit belegen. Dass die Träume Karls des Großen für die Entwicklung der Handlung sowie die sich früh ankündigende fatalistische Aura des Werkes zentral sind, ist hingegen unumstritten.

      Zwischen Karl Magnus und der Gruppe der religiösen Texte liegt eine weitere kontextuelle Verbindung vor. Das bereits in der altfranzösischen Epik dominante Moment des Kampfes zwischen Christentum und Heidentum kommt in der schwedischen Überarbeitung noch stärker zur Geltung. Die vom religiösen Kolorit geprägten Geschichten um Karl den Großen fügen sich in den theologisch-erbaulichen Teil der Handschrift.

      4.1.4. Herrschervita – Alexander, Albrekt, Karl

      Zur zweiten Textgruppe des Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4, in denen das Kompositionsprinzip nach der Vita eines Herrschers ausgerichtet ist, gehören neben Karl Magnus auch Konung AlexanderKonung Alexander sowie Dikten om Kung Albrekt, ergänzt durch den kurzen historischen Abriss Aff Danmarkis konongom. Die literarischen Texte, teils Bearbeitungen europäischer Stoffe, teils in Schweden verfasste Werke, erzählen von Ereignissen während der königlichen Herrschaftszeiten; hierbei lässt sich eine Distanzverschiebung und eine Art Domestizierung der Geschichte beobachten: Vom antiken König Alexander, dem gotterwählten Universalherrscher des frühen Mittelalters Karl bis hin zum schwedischen König Albrecht des 14. Jahrhunderts.

      4.1.4.1. Konung Alexander

      Konung AlexanderKonung Alexander stellt die schwedische Bearbeitung der I2 Rezension der Historia de preliis des Archepresbyters Leo dar, die die Zeit um 900 datiert wird und vom Leben Alexanders und seiner Weltherrschaft handelt. Forschungsgeschichtlich lassen sich vier große Analysekomplexe in Bezug auf das Werk ausmachen:Konung AlexanderCod. Holm. D41 zum einen die Frage nach der Relation des Textes zu seiner kontinentaleuropäischen literarischen Tradition vor dem Hintergrund der Entwicklung der schwedischen volkssprachigen Literatur, zum anderen die Untersuchungen seiner sprachlichen und stilistischen Gestalt sowie die Einflüsse der zeitgenössischen schwedischen höfischen Werke wie der EufemiavisorEufemiavisor und der ErikskrönikanErikskrönikan. Darüberhinaus wird auf thematischer und interpretativer Ebene das in Konung Alexander vermittelte Weltbild thematisiert sowie die Konstruktion eines Weltherrschers, die durchaus ambivalent ausfällt. Letztlich stellt sich ebenfalls die Frage nach der Einordnung des Textes in den zeitgenössischen soziokulturellen Hintergrund sowie nach seinem Entstehungs-und Rezeptionsmilieu. Der Auftraggeber für die schwedische Bearbeitung des Textes wird im Epilog erwähnt:

      Thæsse СКАЧАТЬ