Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Sebastian Miede
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СКАЧАТЬ das Erkenntnisinteresse als oberste Prämisse für die Wahl des Zugangs betrachten. Etablierte, prototypische Designs haben, Caspari zufolge, durchaus ihren Reiz, da sie detaillierte Vorgaben hinsichtlich des Vorgehens machen und die methodische Qualität der Arbeit sichern, dennoch sollte die eigentliche Forschungsfrage nicht an die Methode angepasst werden, sondern umgekehrt (vgl. Caspari 2016: 9). Folglich bedient sich die empirische fremdsprachendidaktische Forschung notwendigerweise auch Theorien und Methoden aus ihren Bezugsdisziplinen (z.B. der Linguistik, der Literaturwissenschaft, der Psychologie, der Pädagogik etc.).

      Betrachtet man die empirischen Methoden mit denen Fremdsprachenunterricht in den vergangenen Jahrzehnten beforscht wurde, stellt man hauptsächlich drei Kategorien fest: qualitative Verfahren, quantitative Verfahren und Mischformen (vgl. Burwitz-Melzer 2003, Schramm 2016). Settinieri (2012: 250) spricht in diesem Zusammenhang von „Extrempolen eines Kontinuums“ zwischen denen zahlreiche Mischformen existieren (vgl. dazu auch Dörnyei 2007: 19). Es wird bereits seit vielen Jahren diskutiert, inwiefern eine scharfe Trennlinie qualitativer und quantitativer Ansätze sinnvoll erscheint1, allerdings hat sich indes der Faktor Gegenstandsangemessenheit als Gradmesser für die Wahl der für die eigene Studie geeignete Methode herauskristallisiert (vgl. Caspari 2016: 16, Schramm 2016: 54 und Flick 2011: 54). Hauptunterscheidungskriterium zur Differenzierung qualitativer und quantitativer Forschung ist die Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand. Quantitative Studien nähern sich dem Forschungsfeld aus einer distanzierten Außenperspektive (vgl. Caspari 2016: 17). Sie weisen als exklusives Merkmal Zahlen als generierte Datenform auf, stützen sich stärker auf Vorannahmen und untersuchen dezidiert einzelne Faktoren, wobei versucht wird Störvariablen weitgehend auszuklammern (vgl. Settinieri 2012: 250ff.). Entsprechend sind sie hypothesentestend und kennzeichnen sich durch eine „analytische Betrachtungsweise bei externer Perspektive und häufig großer Probandenzahl“ (ibid.). Im Gegensatz dazu heben qualitative Ansätze darauf ab, Phänomene so detailliert wie möglich aus der Innenperspektive zu betrachten (vgl. Caspari 2016: 17). Folglich resultiert eine offenere Herangehensweise mit explorativem und weniger kontrolliertem Untersuchungsdesign als dies bei qualitativen Studien der Fall ist – dies betrifft auch die Rolle der Forscher, die den beforschten Subjekten gegenüber weniger distanziert sind und den Forschungsgegenstand eher aus einer holistischen Perspektive betrachten (vgl. Settinieri 2012: 250ff.).

      Die vorliegende Studie generiert empirische Daten aus der Unterrichtspraxis an hessischen und niedersächsischen Gymnasien und ist an einer möglichst detaillierten Beschreibung der Praxis interessiert. Insbesondere die Faktorenkomplexion, die den Untersuchungsgegenstand Unterricht determiniert (vgl. Königs 2010), lässt ein qualitatives Design in diesem Fall fruchtbarer erscheinen. Da die Untersuchung Aushandlungsprozesse in der Unterrichtssprache Englisch genauer beschreiben will, lässt sie sich gut mit dem Anspruch qualitativer Forschung Situationen „von innen heraus aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben, um zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beizutragen“ vereinbaren (Kimes-Link 2013: 89, vgl. Flick/von Kardoff/Steinke 2008: 14).

      Die Wahl eines qualitativen Designs setzt eine Auseinandersetzung mit den Gütekriterien voraus, welchen die Forschung genügen sollte. Zudem müssen auch Schwächen des Ansatzes antizipiert und entsprechend thematisiert werden. Schmelter (2014: 41) formuliert als Hauptziel qualitativer Forschung das Handeln der beforschten Subjekte in dem untersuchten Handlungsfeld möglichst vollständig durch Beschreibung zu erfassen und nachzuvollziehen, um Zusammenhänge, Muster und Typen zu entdecken und in angemessenem Maße auch erklären zu können (vgl. auch Flick/von Kardoff/Steinke 2008: 22). Zur Erreichung dieses Ziels sollte das Forschungsfeld „möglichst natürlich belassen werden“ (ibid.) und in so geringem Maße wie möglich durch den Forscher und dessen Studie beeinflusst werden. Aufgrund des häufig explorativen Vorgehens, gestatten qualitative Verfahren „einen umfassenden Blick auf die kontextuelle Einbettung eines Untersuchungsgegenstands und einen tieferen Einblick in unterschiedliche Ausprägung sowie die Verwobenheit relevanter Einzelfaktoren“2 (ibid.).

      Die Studie folgt außerdem dem von Flick beschriebenen „Prinzip der Offenheit“ (Flick 2011: 124). Dieses besagt in seinen Grundzügen, dass die theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstands zurückgestellt werden solle, bis sich diese aus den Daten heraus entwickeln ließe3 (ibid.). Eng damit verknüpft ist die Entscheidung auf den Verzicht von ex ante Hypothesen (vgl Meinefeld 2008: 266). Hiermit umgeht der Forscher die Gefahr, auf Basis etwaiger theoretischer Vorannahmen seine Aufmerksamkeit auf konkrete Punkte zu lenken und dabei eventuell blind zu bleiben für die Entdeckung der tatsächlich neuen Strukturen, die sich in der Auseinandersetzung mit den Daten möglicherweise offenbaren.

      Der in der Studie verfolgte Ansatz ist angelehnt an einen „Prototyp qualitativer Forschung“ (Schramm 2016: 51), die sogenannte Ethnographie. Es werden Daten mittels teilnehmender Beobachtung in einem möglichst unbeeinflussten Kontext (hier Englischunterricht) erhoben und diese werden mittels interpretativer Verfahren und unter Einnahme einer emischen Perspektive derart ausgewertet, dass eine möglichst dichte Beschreibung (vgl. Dörnyei 2007: 130) resultiert, die auch die Innenperspektive der an der Forschung Beteiligten herausarbeitet (vgl. Schramm 2016: 51). Die Beschreibung und Analyse geschieht entlang von Fallstudien. Eine detaillierte Darstellung des Erhebungs- und Auswertungsverfahrens erfolgt im weiteren Verlauf dieses Kapitels.

      3.2 Fachdidaktisches Erkenntnisinteresse

      Das fachdidaktische Erkenntnisinteresse der Studie ist durchaus komplexer Natur und zielt auf die Beschreibung unterrichtlicher Praxis ab. Sie konzentriert sich auf Sprechaufgaben und wendet sich dabei der Frage zu, welche Aufgabenstellungen im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe zum Einsatz kommen und, konkret, wie diese von den Schülerinnen und Schülern gelöst werden. Dabei geht es darum, authentische Einblicke in das Unterrichtsgeschehen zu geben und verschiedene Aufgabenformate und Sozialformen zu untersuchen. Hauptsächlich sollen die verschiedenen Phasen einer Sprechaufgabe (z.B. Aufgabenerteilung, Aufgabenbearbeitung, Vorstellen der Ergebnisse, Feedback) zunächst betrachtet und beschrieben werden, um auf dieser Basis Schlüsse daraus ziehen zu können, welche Faktoren die Auseinandersetzung mit einer Sprechaufgabe bedingen und wie sich dies auswirkt. Die Studie begegnet somit dem offenkundigen Mangel an Empirie im Forschungsfeld Mündlichkeit, welcher vielfältig beklagt wird (vgl. Ahrens 2014, Burwitz-Melzer 2014, Hufeisen 2014, Kurtz 2014) indem sie Daten generiert, mithilfe derer es möglich ist, die Komplexität des Sprechens exemplarisch abzubilden.

      Wie Burwitz-Melzer hervorhebt, können auf diese Weise vor allem Erkenntnisse darüber erlangt werden, wie Schülerinnen und Schüler eine Sprechabsicht in der Zielsprache realisieren, miteinander interagieren sowie Bedeutung aushandeln und entsprechende Rückmeldungen auf sprachliche Äußerungen in der Zielsprache entweder selbst erteilen oder durch Mitschülerinnen und Mitschüler oder die Lehrkraft erhalten (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 25). Insbesondere der zuvor bereits ausgeführte Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik von einer Inhalts- zur Kompetenzorientierung führt die Notwendigkeit der vorliegenden Studie vor Augen. Die in den Bildungsstandards formulierten Deskriptoren zu monologischem und dialogischem Sprechen und der immens gestiegene Stellenwert mündlicher Kompetenzen durch die Einführung einer obligatorischen Kommunikationsprüfung in der gymnasialen Oberstufe, wie auch die Möglichkeit einer mündlichen Komponente in der Abiturprüfung, lassen eine Neuorientierung in der Gestaltung des Englischunterrichts erwarten. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass eine solche Aufwertung mündlicher Kompetenzen im Sinne eines Washback-Effekts auf den Unterricht dergestalt zurückwirkt, dass Aufgabenformate zum monologischen und dialogischen Sprechen häufiger als zuvor verwendet werden und durch die nun vorhandenen Deskriptoren und Standards auch bewusster gestaltet werden können.

      Empirische Grundlagenforschung ist in diesem Zusammenhang unabdingbar, möchte man Erkenntnisse über den Ist-Zustand der schulischen Arbeit mit Sprechaufgaben gewinnen, Hypothesen über lerndienliche sowie lernhinderliche Bedingungen ableiten und Impulse für die weitere Forschung, Lehrerprofessionalisierung und Aufgabenentwicklung liefern (vgl. Kapitel 1). Die zentralen Forschungsfragen der Studie sollen an dieser Stelle aufgelistet werden:

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