Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Sebastian Miede
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СКАЧАТЬ als soziales Handeln begreifen und den Sprachenlerner als sozialen Interaktanten (vgl. Martin 1992, Riggenbach 1999, Thornbury 2005) und geht auch mit einem gewandelten Verständnis der Wichtigkeit sprachlicher Strukturen einher. Noch immer gelten diese als unverzichtbar für die gelingende Kommunikation, allerdings werden sie nicht mehr als zentrale Unterrichtsinhalte betrachtet, sondern haben vielmehr dienende Funktion (vgl. Burns 1998: 107).

      Dies reflektiert sich, wie in vorherigen Unterkapiteln dargestellt, auch im kompetenzorientierten Englischunterricht im deutschen Bildungssystem und seinen zugrundeliegenden Referenzpapieren. Eine theoriegeleitete Annäherung an die Methodik des Sprechens liefern Goh und Burns (2012: 139) anhand eines Modells. Dieses sieht die bereits diskutierten Faktoren fluency, accuracy & complexity als erwünschten Ertrag der institutionalisierten Sprechkompetenzförderung und ordnet sie daher zentral als erste Dimension an. Zur zweiten Dimension zählen rahmende Faktoren der Sprechkompetenz, nämlich Wissen über Sprache und Diskurs, Fähigkeiten zur Sprachproduktion und kommunikative Strategien. Die dritte Dimension berücksichtigt metakognitive Faktoren wie das Reflektieren über Sprache und weitere kognitive Prozesse der Sprachproduktion und Rezeption (vgl. dazu auch Flavell 1976, Wenden 1998, Wenden 2001, Chamot 2005). Diese lässt sich vergleichen mit dem Begriff der Sprachbewusstheit und den zugehörigen Teilkompetenzen, der aus dem Strukturmodell der KMK-Standards bekannt ist. Zuletzt bezieht sich die vierte Dimension des Modells auf geeignete Methoden2 zur unterrichtlichen Realisierung des Ertrags. Ein in diesem Zusammenhang auch von Goh und Burns vorgeschlagener Ansatz ist die Aufgabenorientierung (vgl. Goh/Burns 2012: 142).

      2.6.4 Aufgabenorientierung und Inhalte

      Die Sprechkompetenzförderung entlang kommunikativer Aufgaben ist eine Ausdifferenzierung des Communicative Language Teaching und hat seine Wurzeln in den 1980er Jahren (vgl. Neuner/Krüger/Grewer 1981, Nunan 1989). Gleich auf zwei Ebenen wirkt sich Aufgabenorientierung positiv auf den Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe aus: Sie schafft ein schüleraktivierendes, kooperatives und motivierendes Lernklima im Allgemeinen (vgl. Piepho 2000: 33) und orientiert sich an realweltlichen Sprechsituationen und Anforderungen (vgl. Legutke/Schocker-v.-Ditfurth 2003: 4). Müller-Hartmann und Schocker-von-Ditfurth stellen heraus, dass Aufgaben im Englischunterricht der Sekundarstufe I tendenziell eher als Beiwerk zum sonst an linguistischer Progression orientierten Unterricht verwendet werden. Dabei handele es sich dann eher um einzelne Projektaufgaben statt um aufgabenbasiertes Lernen (vgl. Müller-Hartmann/Schocker-von-Ditfurth 2010: 203). Dies lässt sich auch auf eine starke Lehrwerkbindung zurückführen, die den Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I kennzeichnet1. Für den Oberstufenunterricht, der weitgehend losgelöst vom Lehrwerk vollzogen wird, gilt dies umso weniger.

      Burwitz-Melzer und Caspari (2017) charakterisieren einen effektiven aufgabenbasierten Unterricht als einen, der nicht von isolierten Fertigkeiten ausgehe, sondern auf komplexen integrativen Lernaufgaben aufbaue, die Lernende herausfordern und zum Sprachhandeln mobilisieren (vgl. Burwitz-Melzer/Caspari 2017: 245-246). Dies sollte aber nicht missverstanden werden, denn

      eine komplexe Lernaufgabe, deren Ziel es ist, die fremdsprachliche Diskursfähigkeit der Schülerinnen und Schüler als oberstes Bildungsziel zu fördern, muss – ausgehend von ihrem jeweiligen Kompetenzstand – eine schrittweise Weiterentwicklung von Einzelkompetenzen und von integrierten Kompetenzen anstreben. (Burwitz-Melzer/Caspari 2017: 254)

      Somit können sich Lernaufgaben sowohl auf die Förderung von Einzelkompetenzen als auch auf die Entwicklung mehrerer Kompetenzen in Kombination beziehen. Dennoch sind sie immer handlungsorientiert, auf die Lebenswelt der Lernenden bezogen, und somit authentisch (vgl. Burwitz-Melzer/Caspari 2017: 257, Wäckerle/Martinez 2017: 275).

      Gnutzmann zufolge ist eine zentrale Frage der Fremdsprachenforschung im Bereich Mündlichkeit, die nach der konkreten Umsetzung. Es stehe außer Frage, dass schulischer Unterricht auf „außerschulische soziokulturelle Begegnungssituationen“ (2014: 53) vorbereiten solle, es fehle aber noch an Erkenntnissen darüber, auf welche Weise dies geschehen könne. Ein solches Verständnis vom Fremdsprachenlerner als sozialen Aktanten wird auch in weiteren Publikationen aufgegriffen. So entwirft beispielsweise Hallet einen theoretisches Modell für komplexe Kompetenzaufgaben2 mit welchem er auf soziokulturelle Partizipation der Lernenden abzielt und zugleich einen Versuch unternimmt, eine Aufgabentypologie zu entwickeln, in der Kompetenzen nicht auf Fertigkeiten reduziert werden (vgl. Hallet 2012: 8ff.). Noch immer herrscht aber Uneinigkeit darüber, wie Kompetenz- und Lernaufgaben aussehen sollen und welche Inhalte ihnen zugrunde liegen sollen3.

      In der fremdsprachendidaktischen Forschung wird die Rolle des Inputs, der Sprechaufgaben zugrunde liegt, bereits seit vielen Jahren diskutiert. Die dabei eingenommen Perspektiven sind überaus vielfältig, eint jedoch alle die Erkenntnis, dass dieser von herausragender Bedeutung für den Kompetenzerwerb ist. Gass & Mackey (2015) beschreiben ihn sogar als bedeutendste Determinante des Spracherwerbs. Schon Krashens Comprehensible Input Hypothesis stellt den sprachlichen Input einer Aufgabe als ihren zentralen Ankerpunkt dar (Krashen 1985). Auch wenn spätere Ansätze den Fokus richtigerweise auch auf die die Interaktion als solche sowie den outcome/output einer Aufgabe richten, wird auch in diesen die Wichtigkeit des Inputs und der Inhalte nicht gemindert (Swain 1995, Long 1996). Der Input soll den Lernenden Möglichkeiten geben, Bedeutung auszuhandeln und mit Sprache zu experimentieren. Dadurch, wie auch durch gezielte Rückmeldungen durch die Lehrkraft (Lyster & Saito 2010), entwickele sich die Sprechkompetenz auch bei erfahrenen Lernern wie in der Oberstufe kumulativ weiter. Inhalte für Sprechaufgaben müssen entsprechend so gewählt sein, dass sie die Lernenden zu Sprachhandlungen motivieren. Sie müssen so aufbereitet werden, dass die Lernenden, unter Rückgriff auf verschiedene Hilfestellungen und durch eine klare und verständliche Instruktion, einen Zugang zur Aufgabe erhalten, ihr kommunikatives Ziel antizipieren und die Wege zur Erreichung desselbigen, alleine aber auch kooperativ, einschlagen können (Vygotski 1978, van de Pol et al. 2010, Ellis & Shintani 2014). Auch in diesem Zusammenhang fehlt es an Empirie, die den Ist-Stand der schulischen Praxis abbildet, Stärken und Schwächen aufzeigt, und Impulse für Forschung und Lehrerbildung liefert. Welche Inhalte verwenden Lehrer für die Sprechkompetenzförderung in der gymnasialen Oberstufe? Wie stellen sie die Aufgaben? Welches Scaffolding stellen sie bereit und wie nutzen Lernende den Input bei der kommunikativen Bewältigung der Aufgaben? Ermöglicht der Input das Erreichen des kommunikativen Ziels? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen möchte die vorliegende Studie einen Beitrag leisten4.

      Ein weiteres Spannungsfeld stellt in diesem Kontext die Frage nach dem Verhältnis von Inhalts- und Formorientierung dar5. Im Zusammenhang mit dem Konzept der Aufgabenorientierung wird auch aktuell kontrovers diskutiert, welches Verhältnis zwischen focus on meaning, focus on form und focus on forms besteht bzw. bestehen sollte (vgl. Ellis/Shintani 2014, Long 2015, Loewen 2015). Auch Kurtz führt an, dass auf Lernerorientierung, Mitteilungsbezug und Fehlertoleranz ausgerichtete Mündlichkeit an ihre Grenzen stoße, wenn sie mit Kriterien wie Sprachrichtigkeit, Flüssigkeit, Komplexität und kontextueller Angemessenheit vereinbart werden müsse (vgl. Kurtz 2014: 119-120). Es müsse daher in der Forschung darum gehen, herauszufinden, wie Lehrende in der Praxis mit diesem Umstand umgehen. Auch sei die Frage zu beantworten, wie in der konkreten Unterrichtsgestaltung Struktur und Interaktion zusammenwirken (vgl. Kurtz 2001, Kurtz 2011, Kurtz 2014).

      Martinez (2014: 160) stellt, unter Bezugnahme auf Henrici et al (2003) heraus, dass die Relevanz empirischer Zugänge für den Erkenntnisgewinn zwar methodisch herausfordernd, aber unbestreitbar sei. Sie plädiert daher für eine Wirkungsforschung, die Lernaufgaben zum Sprechen in den Fokus rückt und Auskunft über die Entwicklung der sprachlichen Kompetenzen der Lernenden geben könne (vgl. Martinez 2014: 161). Die vorliegende Studie will, anders als bereits existierende Arbeiten (vgl. Eckerth 2003), keine Aufgaben selbst entwickeln und untersuchen, sondern ist an einer Beschreibung der authentischen Unterrichtspraxis interessiert. Es wird deutlich, dass gerade in der aktuellen Mündlichkeitsforschung qualitative Studien fehlen, die Erkenntnisse über unterrichtliche Sprechformate liefern. Dabei müssen verschiedene СКАЧАТЬ