Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Sebastian Miede
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СКАЧАТЬ Fokus aber auf den lernwirksamen Rückmeldungen, die Lernende im alltäglichen Unterrichtsgeschehen auf ihre Sprechleistungen erhalten. Im deutschsprachigen Kontext liefert vor allem die Forschung im DaF/DaZ-Bereich und die Didaktik slawischer Sprachen Erkenntnisse zur Feedbackkultur (Kleppin & Mehlhorn 2008, Kleppin 2009, Kleppin 2010, Kleppin 2015, Grotjahn & Kleppin 2015). In diesen Publikationen geht es um den Stellenwert von Fehlern für das Fremdsprachenlernen, geeignete Kriterien für die Beurteilung von mündlichen Leistungen und die Analyse typischer Fehlerquellen. Dass es sich um ein Thema handelt, dass für deutschsprachigen Kontext von wichtiger Bedeutung ist, zeigen die bildungspolitischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre auf (Kompetenzorientierung, Bildungsstandards).

      Grünewald betont, dass die veränderte bildungspolitische Rahmung und die Forderung nach mehr Mündlichkeit im Fremdsprachenunterricht mit einem erhöhten Handlungsdruck für Lehrkräfte einhergehen3. Diese müssten sich nun, stärker als zuvor, mit der Planung und Durchführung von mündlichen Prüfungen befassen (vgl. Grünewald 2014: 61). Die in allen Jahrgangsstufen gestiegene Anzahl mündlicher Lern- und Leistungskontrollen, bringe auch einen Backwash-Effekt hinsichtlich der Unterrichtsplanung mit sich. Schließlich müsse ein Fremdsprachenunterricht, der nun verstärkt auf die Überprüfung von mündlichen Kompetenzen abziele, diese Formate auch üben und vorbereiten, was zwangsläufig in einer Ausrichtung zu mehr Mündlichkeit resultiere (ibid.).

      Die Überprüfung von mündlichen Kompetenzen sollte, Grünewald zufolge, nicht mittels standardisierter Testverfahren, wie sie unter anderem für Sprachzertifikate verwendet werden, vorgenommen werden (vgl. Grünewald 2014: 62). Er plädiert stattdessen für einen, auf den schulischen Kontext angepassten, Katalog mit Gütekriterien für mündliche Prüfungen4. Diese müssen auch dem Gerechtigkeitsempfinden der Lernenden Rechnung tragen. Grünewald stellt überdies die Bedeutung von formativen Evaluationen der Sprechleistungen heraus. Es solle nicht nur einmalig im Rahmen einer Prüfung zu einer Evaluation kommen, sondern vielmehr kontinuierlich eine möglichst breite Bewertungsbasis erstellt werden, die den Lernenden als Rückmeldung ihres Leistungsstands diene (vgl. Grünewald 2014: 66). Die Vermittlung einer diagnostischen Kompetenz ist daher für die Lehrerbildung wichtiger denn je. Dies kann durch Studien geschehen, die videografierte Prüfungen und die Rückmeldungen untersuchen, aber es bedarf auch an Empirie, die abbildet, welche Rückmeldungen Lehrkräfte im Schulalltag auf mündliche Leistungen erteilen. Hierzu kann auch die vorliegende Studie einen Beitrag leisten.

      2.7 Exkurs: Linguistische Zugänge zur Sprechkompetenz und ihre Limitationen

      Die Erforschung von Schülersprache kann aus unterschiedlichen Perspektiven geschehen. Da die vorliegende Studie authentische Sprachdaten generiert und untersucht, erscheint es sinnvoll, diese kurz zu verorten. In den letzten vierzig Jahren sind im angloamerikanischen Raum viele Studien veröffentlicht worden, die mündliche Schülerbeiträge betrachten und sich auf die Herausstellung wiederkehrender und charakteristischer sprachlicher Strukturen fokussieren (Sinclair/Coulthard 1975, Sacks 1977, McHoul 1978, Sinclair/Brazil 1982, McHoul 1990, Coulthard 1992, Markee 1995, Mori 2004, Markee 2004, Seedhouse 2004, McCarthy/Slade 2007). Diesen gemein sind ein mikroanalytischer Forschungsansatz und ein eher linguistisches statt fachdidaktisches Erkenntnisinteresse. Es wird sehr kontrovers in der Literatur diskutiert, welchen Beitrag die Gesprächsforschung für die Fremdsprachendidaktik leisten kann. Kasper (2009) argumentiert in diesem Zusammenhang, dass die Gesprächsanalyse die Ressourcen habe, Verständnisprozesse als wichtige Voraussetzung für das Lernen aufzuzeigen. Rampton et al. (2002) sind skeptischer und äußern sich kritisch. Sie bezweifeln beispielsweise, dass die rein linguistische Analyse die Prozesse, innerhalb derer sich Lernen vollzieht, sichtbar machen könne, da viel längere Intervalle betrachtet werden müssten als es konversationsanalytische Arbeiten tendenziell zu leisten im Stande seien (vgl. Rampton et al. 2002). Auch He (2004) sieht in der Gesprächsanalyse, aufgrund ihrer Ausrichtung und linguistischen Zielsetzung, kein geeignetes Instrument zur Annäherung an internal-kognitive Prozesse. Um für die Fremdsprachendidaktik wirklich fruchtbare Erkenntnisse liefern zu können, bedürfe es Methoden, die darauf abzielen, Lernprozesse nachzuvollziehen. Markee und Kasper (2004) stimmen zu, fügen aber hinzu, dass sich Sprachkompetenz auch in den Gesprächen spiegele und nicht ausschließlich in den kognitiven Speichern der Lerner. Aufgrunddessen dürfe der Gesprächskontext bei der Erforschung von Lernersprache nicht außer Acht gelassen werden.

      Hall (2004) sieht in der Gesprächsanalyse eine ausgezeichnete Methode um zu beschreiben, was in der Unterrichtsinteraktion passiere und um Erkenntnisse über die Eigenschaften verschiedener Ausprägungen von Unterrichtsdiskurs zu erhalten, allerdings bezweifelt auch sie, dass die Methode sich dazu eigne, Lernprozesse zu beschreiben. Unter Rückbezug auf Vygotskis Sociocultural Theory (Vygotski 1978) sieht sie aber Anknüpfungspunkte, Lernen als soziale Aushandlung zu begreifen und über die Aushandlungsprozesse an Lernprozesse heranzukommen, konkretisiert dies jedoch nicht. Gardner fordert, dass Studien longitudinal angelegt sein müssen, wenn sie Lernprozesse abbilden und gesprächsanalytisch untersuchen wollen. Er äußert sich aber kritisch in Bezug darauf, inwiefern die dabei festgestellten Unterschiede auf gewisse Faktoren stabil und verlässlich zurückzuführen seien (vgl. Gardner 2013). Im deutschen Kontext betonen Kurtz (2014) wie auch Schramm und Schwab (2016) die Notwendigkeit auch mikroanalytische Ansätze in der fremdsprachendidaktischen Forschung weiter zu verfolgen und auszuweiten.

      Mit Blick auf den Englischunterricht in Deutschland lässt sich konstatieren, dass es nur wenige Forschungsarbeiten gibt, die einen gesprächsanalytischen Ansatz verfolgen. Die Arbeiten von Schwab (2009), Appel (2010) und Lehnert (2016) haben wichtige Erkenntnisse über verschiedene Phänomene der Unterrichtssprache Englisch im deutschen Schulkontext geliefert, vermögen es aber nicht, high inference behavior wie Verstehensprozesse der Schüler zu untersuchen, da dies eine methodische Unschärfe zur Folge hätte. Eine Perspektiventriangulation ist in diesem Zusammenhang nicht möglich. Aufgrunddessen wurde ein gesprächsanalytisches Vorgehen für die vorliegende Studie verworfen.

      3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign

      3.1 Empirische Forschung im Fremdsprachenunterricht

      Empirische Forschung kennzeichnet ihre datengeleitete Ausrichtung. Eine oder mehrere Forschungsfragen werden mithilfe einer zu diesem Zweck erhobenen Datengrundlage untersucht und diskutiert (vgl. Schramm 2016: 49). Es lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen darüber machen, wie umfangreich der Datenpool zur Untersuchung der Forschungsfrage sein muss, da sich empirische Forschung „auf einem Kontinuum von Erfahrungsberichten über explorative und deskriptive Studien bis hin zu explorativen Studien“ (ibid.) bewegt. Riemer (2014: 15) grenzt empirisches Wissen eindeutig von Allgemeinwissen und Erfahrungswissen ab, da es das Merkmal der „Systematizität“ erfüllt. Die Wahl des geeigneten Forschungszugangs ist zwingend abhängig von dem Erkenntnisinteresse sowie von der „Beschaffenheit der sozialen Wirklichkeit und den Möglichkeiten ihrer Erforschung“ (Caspari 2016: 7). Tröhler betont, dass Unterricht eine soziale Wirklichkeit darstellt, die sich als „Praxis“ (2012: 34) versteht und entsprechend ließen sich Praktiken beobachten, die wissenschaftlich erforscht werden können und sollen. Fremdsprachliche Unterrichtsforschung ist wiederum ein Spezifikum in diesem Forschungsfeld, da sie sich durch ihren Gegenstandsbereich „das Lehren und Lernen fremder Sprachen in allen institutionellen Kontexten und auf allen Altersstufen“ (Bausch/Christ/Krumm 2003: 1) von anderer Unterrichtsforschung abhebt. Caspari beschreibt die Fremdsprachendidaktik als anwendungsorientierte Wissenschaft, die das generelle Ziel verfolgt „durch das forschungsgeleitete Aufstellen, empirische Überprüfen und erkenntnisbasierte Ausschärfen von theoretischen Grundlagen, Begriffen, Konzepten und Modellen das Erkennen, Verstehen und Erklären von komplexen Lehr- und Lernsituationen voranzutreiben und das Handeln in diesen Situationen zu verbessern.“ (Caspari 2016: 12). Alleine diese Charakterisierung impliziert ein Plädoyer für empirische Methoden, negiert zugleich aber nicht die Wichtigkeit anderer Zugänge. Es ergibt sich folglich, dass empirische fremdsprachendidaktische Unterrichtsforschung ein hochkomplexes und von vielen verschiedenen Faktoren determiniertes Feld näher beschreiben will, und dies hat Konsequenzen für die Konzeption СКАЧАТЬ