Название: Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe
Автор: Sebastian Miede
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823301981
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2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe
2.6.1 Sprechzeit
Die recht detaillierte Darstellung der Komplexität der beim Sprechen beteiligten kognitiven Vorgänge macht deutlich, dass Sprechkompetenzförderung Zeit benötigt und den Lernern entsprechend Möglichkeiten zum Sprachgebrauch gegeben werden müssen. Gnutzmann (vgl. 2014: 51ff.) betont, dass der Faktor Sprechzeit zu den größten didaktischen Herausforderungen zählt, die mit der Förderung von Sprechkompetenz einhergehen. Dies gilt sowohl für Lernerinnen und Lerner, die gerade erst mit dem Erlernen einer Fremdsprache beginnen, als auch für bereits fortgeschrittene Lerner. Die Schulleistungsstudie DESI stellte 2006 auf Basis videogestützter Daten heraus, dass in deutschen Klassenzimmern eine alarmierende „Sprachlosigkeit“ (Taubenböck 2007: 3) herrscht. In einer durchschnittlichen Unterrichtsstunde spreche die Lehrkraft mit einem Zeitanteil von 51 % mehr als doppelt so häufig wie alle Lerner zusammen (23 %). Die verbleibenden 26 % seien Aktivitäten wie Einzelarbeit zuzuordnen oder gehen auf Faktoren wie Unterrichtsübergänge und Vorbereitung von Medien zurück (vgl. Helmke et al. 2007: 40-41). Auch eine differenziertere Betrachtung der Schülerbeiträge erscheint in diesem Zusammenhang lohnenswert, denn der mithin bereits geringe Sprechanteil der Schüler/innen bestehe zu 6,1 % aus freien Äußerungen in der Muttersprache, zu 19,1 % aus Nachsprechen von Lehreraussagen, zu 26,8 % aus Ablesen von Sprache aus Lehrbuch oder Heft und zu 47,9 % aus freien Äußerungen in der Zielsprache (hier Englisch). Von dem Anteil an freien Äußerungen sei lediglich ein Drittel komplexerer Natur als Ein-Wort-Sätze oder unvollständiger Fragmente (vgl. Taubenböck 2007: 3). Erschwerend kommt hinzu, dass die 23 % Zeitanteil, der auf die Lerner/innen entfällt, nicht alle abdeckt, sondern nur diejenigen, die sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt haben, sei es aus freien Stücken oder aber nach Aufforderung durch die Lehrkraft. Ein nicht unerheblicher Anteil an Lernerinnen und Lernern verwendet während einer durchschnittlichen Unterrichtsstunde die Zielsprache überhaupt nicht in mündlicher Form (DESI-Konsortium 2006).
Die im Zusammenhang mit der DESI-Studie veröffentlichten Daten erscheinen tatsächlich alarmierend, wenn man sie als repräsentativen Spiegel der unterrichtlichen Praxis betrachten wollte. In diesem Zusammenhang ist aber anzumerken, dass die Studie zwar sehr flächendeckend angelegt ist, jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden sollte, dass keine interaktiven Formate (wie beispielsweise Gruppenarbeiten) untersucht wurden (Helmke et al. 2007: 38). Folglich bedeutet dies nicht, dass es in der Unterrichtspraxis keine gab, sondern lediglich, dass sie in den untersuchten Fällen nicht vorkamen. Für den kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe, der erwartungsgemäß schülerzentrierter und kommunikativer ist, mangelt es an Daten. Diese Studie möchte Erkenntnisse darüber liefern, wie Sprechaufgaben im authentischen Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe konzipiert sind und wie viel qualitative Sprechzeit, und somit Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung, sie den Lernenden ermöglichen.
2.6.2 Differenzialpsychologische Determinanten & Lernerbiografien
Es kann viele Gründe für Sprachlosigkeit im Fremdsprachenunterricht geben, aber zumeist lässt sich diese auf drei Faktoren zurückführen: die Schüler/innen, die Lehrer/innen sowie die Aufgaben, die im Unterricht gestellt werden. Auf Seiten der Schüler/innen ist zunächst der Faktor Angst (anxiety) zu nennen. Viele Schüler/innen trauen sich aus verschiedensten Gründen nicht, sich an Unterrichtsgesprächen zu beteiligen oder sich generell produktiv in der Zielsprache zu äußern (Lightbown/Spada 2012, Ellis/Shintani 2014, Loewen 2015). Dies korreliert stark mit differenzialpsychologischen Determinanten wie beispielsweise dem Fähigkeitsselbstkonzept. Unter diesem Begriff wird in der pädagogischen Psychologie „die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen eigener Fähigkeiten“ (Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008: 63) verstanden, wobei auch Vorstellungen über Ausprägung, Struktur und Stabilität dieser eingeschlossen werden, nicht aber affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten.
Das fremdsprachenspezifische Fähigkeitsselbstkonzept generiert sich auf Basis eigener Erfahrungen im Umgang mit der Zielsprache (z.B. bei der Lösung verschiedener Aufgaben) sowie aufgrund von Rückmeldungen direkter oder indirekter Art von relevanten Bezugspersonen (z.B. Lehrern) (vgl. Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008: 66). Es hat einen bedeutenden Einfluss auf die Schulleistung betreffender Lerner/innen und weitreichende Konsequenzen für deren Sprachlernbiografien. Mit einem hoch ausgeprägten Fähigkeitsselbstkonzept wird Erfolg meist auf internal-stabile Faktoren wie beispielsweise die hohe eigene Kompetenz und Misserfolg auf variable Ursachen wie Pech oder mangelnde Anstrengung attribuiert (vgl. ibid.: 69). Entsprechend positiv sind die Konsequenzen für das effektive Sprachenlernen. Wenn die Schüler/innen die Zielsprache angstfrei und selbstbewusst verwenden und kommunikative Erfolge entsprechend wahrnehmen, tritt langfristig ein Kompetenzzuwachs ein und die Motivation bleibt erhalten. Anders gestaltet sich die Situation hingegen, falls sich ein negatives Fähigkeitsselbstkonzept ausgebildet hat. Die Schüler/innen haben bei der Bearbeitung von (Sprech-)Aufgaben sinkende Erfolgserwartungen und es treten vermehrt handlungsirrelevante Gedanken auf (Angst vor Fehlern/kommunikativem Misserfolg, Angst ausgelacht zu werden, Angst vor negativen Rückmeldungen). Im schlechtesten Fall bildet sich eine Hilflosigkeit heraus, die wiederum zur Reduzierung der Anstrengung und zu Motivationsverlust führen kann. Diese Hypothese wurde bereits in den 1980er-Jahren von Krashen im Rahmen seines monitor models aufgestellt, wenn er von einem affektiven Filter spricht, der sich aus aus internalen Faktoren wie z.B. Motivation speise und, wenn er zu stark ausgeprägt sei, Spracherwerb limitiere (Krashen 1982: 30ff.).
Fremdsprachenlehrer/innen müssen sich dieser komplexen Determinanten bewusst sein und Konsequenzen für das eigene Unterrichten ableiten. Dies betrifft einerseits die Art und Weise der Rückmeldung auf Schüleräußerungen und andererseits die Wahl des Unterrichtsmaterials sowie der Aufgaben und Methoden. Schüler/innen müssen sprechen, um ihre Kompetenz weiterzuentwickeln, auch wenn sie Fehler befürchten. Die verwendeten Aufgaben und Materialien bzw. Medien müssen dieser Tatsache Rechnung tragen und sollten die Schüler/innen darin unterstützen, die Zielsprache in einer angstfreien Situation kommunikativ zu verwenden, und ihnen entsprechende Rückmeldung geben. Es ist daher unabdingbar, in der empirischen Fremdsprachenforschung auch Lernerbiografien1 zu betrachten, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich diese auf díe Einstellung zum Sprachenlernen und folglich auf die Beteiligung am Unterricht und die Wahrnehmung von Lerngelegenheiten auswirken. Dies impliziert auch, dass Forschung in diesem Bereich die Einstellungen der Lerner einbeziehen sollte und sich nicht nur auf die Untersuchung von Unterrichtssprache beschränken kann. In der vorliegenden Studie sollen daher die Erkenntnisse aus der Analyse von Unterrichtssequenzen zu den Positionen der Lerner in Beziehung gesetzt werden. Dies erfordert ein triangulierendes methodologisches Verfahren, das die Perspektiven der beforschten Subjekte einbezieht2.
2.6.3 Zugänge zur Methodik des Sprechens
Burns unterscheidet zwei Zugänge zur Methodik des Sprechens: Einerseits solche, die Sprechkompetenz isoliert betrachten und formfokussiert und lehrerzentriert einzelne Teilkompetenzen schulen und jene, die auf Sprachproduktion innerhalb kommunikativer Akte abzielen (vgl. Burns 1998: 103, Richards 1992). Goh und Burns stellen, unter Bezugnahme auf Studien von Burns (1998) und Bygate (2001), heraus, dass keiner der Zugänge für sich alleine genommen eine umfassende Sprechkompetenzentwicklung garantiere. Eine reine Fokussierung auf sprachliche Richtigkeit und korrekte Aussprache ließe die soziale Dimension des Sprechens außer Acht, wenngleich eine soziale Aushandlung von Bedeutung nur dann möglich sei, wenn zugleich Kenntnisse über sprachliche Strukturen, Gesprächsführung und ein angemessener Wortschatz vorhanden seien1 (vgl. Goh/Burns 2012: 135). Es haben sich mittlerweile methodologische СКАЧАТЬ