Interkulturelle Bildung, Migration und Flucht. Группа авторов
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Название: Interkulturelle Bildung, Migration und Flucht

Автор: Группа авторов

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

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isbn: 9783823301905

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СКАЧАТЬ Status oder ihre Stellung in den jeweiligen soziokulturellen Feldern. Ein entscheidender Aspekt dabei ist die Wechselwirkung zwischen den Ressourcen der Akteure und den soziokulturellen Feldern, in denen diese Ressourcen zur Geltung kommen. Das Ergebnis dieser Wechselwirkung kristallisiert sich zu einem Habitus, der nichts anderes ist als die soziokulturell verformte zweite Natur eines Individuums und dabei dessen Geschmack, Sprachstil, Körperhaltung, psychische Dispositionen und Haltungen, soziale Wahrnehmungsmuster und kulturpolitische Haltungen sowie kognitive und normative Deutungsmuster umfasst. An diesem Habitus kann man folglich auch die Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimmen Feld erkennen und dementsprechend seine Haltung zu ihm abstimmen. Der Habitus hängt stark von der lokalen Bindung eines Menschen zu seiner Umgebung ab. Je stärker diese Bindung ist, desto intensiver wird die Wechselwirkung zwischen Akteur und Milieu und desto charakteristischer wird sein Habitus. Dass dies beim Verhalten im öffentlichen Raum zum wichtigsten Erkennungsmerkmal wird, ist evident und erklärt zum Teil die Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Fremden, die per Definition selten oder nicht den identischen Habitus haben wie diejenigen, die einen – anderen – gemeinsamen Vergemeinschaftungsprozess erlebt haben. Habitus ist immer das Produkt einer Geschichte, die sich weder verkürzen noch beschleunigen lässt. Zu dieser Geschichte gehört auch die Herkunft der Akteure. Sie zu ignorieren, ließe sich unter der Sparte „wohlwollender Rassismus“ subsumieren, weil, wie der frühere Leiter des CCCS Stuart Hall es prägnant formulierte, „[…] wir alle von einer bestimmten gesellschaftlichen Position aus sprechen, aus einer bestimmten Geschichte heraus, aus einer bestimmten Erfahrung, einer bestimmten Kultur […]. In diesem Sinne sind wir alle ethnisch verortet, unsere ethnischen Identitäten sind für unsere subjektive Auffassung darüber, wer wir sind, entscheidend“ (Hall 1966: 23).

      Atmosphärische Verdichtungen im öffentlichen Raum

      Diskursanalytische Untersuchungen, wie sie z. B. vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung durchgeführt wurden, zeigen, wie stark Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteil und Ressentiment gegenüber unerwünschten Fremden im Alltag und in der Alltagssprache verankert sind (vgl. Jäger 1992). Diese Vorurteile bilden im öffentlichen Raum unter bestimmten Bedingungen eine Grundstimmung, welche sich je nach Gegebenheit zu einer problematischen Qualität steigern kann, die ich atmosphärische Verdichtung nenne. Wenn z. B. aktuelle Ereignisse wie Terroranschläge vor dem Hintergrund konservativer Orientierungen und entlang rechter ideologischer Deutungsmuster interpretiert werden, entstehen immer wieder bei der Mehrheitsbevölkerung Stimmungen, die den Bereich der latenten feindlichen Haltung gegenüber unerwünschten Fremden verlassen, und sich dezidiert zu offen rassistischen und aggressiven Positionen entwickeln. Diese atmosphärischen Verdichtungen können sich bei einem gegenseitigen Aufschaukeln der Akteure insbesondere unter Alkoholeinfluss zu einer emotionalen Qualität steigern, aus der oft strafrechtlich relevante Handlungen entstehen. In besonderer Weise problematisch ist, dass derlei atmosphärische Verdichtungen den Kontext für Enttabuisierungsprozesse liefern, die sich wiederum als Grundlage für neue Konstruktionen der Normalität eignen, neue Mythen über die unerwünschten Fremden entwickeln und Grenzüberschreitungen – gleich ob auf der Diskurs- oder Handlungsebene – quasi legitimieren, sicher aber erleichtern (vgl. Jäger 1992: 220 ff.; 295 ff.). „So sind die in rassistische Diskurse Verstrickten zwar Opfer eines ‚Geistes geistloser Zeit‘. Indem sie in den rassistischen Diskurs verstrickt sind, sind sie aber zugleich potentielle Täter, die eines Tages auch zu wirklichen Tätern werden können, oder zumindest aktive Mitläufer. So gesehen, sind sie ‚unschuldige Täter‘, ihre ‚Unterwerfung unter das Gegebene‘, das angeblich ‚Normale‘, korrespondiert mit ihrer Rebellion gegen den mythisch beschworenen, als unnormal gezeichneten Ersatzfeind.“ (ebd.: 297)

      Fazit

      Wenn Menschen im öffentlichen Raum aufeinandertreffen, treffen immer komplexe Welten aufeinander, wenngleich diese Komplexität in der Regel kaum sichtbar wird. Dennoch wirken bei jeder Begegnung auf ganz unterschiedlichen Ebenen viele Kräfte und Logiken im Verborgenen, die kaum vom einzelnen Subjekt wahrgenommen, geschweige denn beeinflusst werden können. Dabei entstehen permanent und unauffällig neue Paradigmen, die dauerhaft das Zusammenleben der beteiligten Akteure und ihre jeweiligen Orientierungen und Einstellungen beeinflussen. Dies geschieht nicht reibungslos. Konflikte gehören dazu und erfüllen eine positive Funktion, wenn die Politik, gleich ob auf nationaler oder lokaler Ebene, es versteht, für die Integration intelligente Regulative einzusetzen. Sie können juristischer, organisatorischer, kultureller, sozialer oder technischer Art sein, wichtig ist vor allem, dass diese Instrumente das Grundprinzip der demokratischen Partizipation aller Beteiligten berücksichtigen und eine würdevolle Anerkennung der Differenzen berücksichtigt, soweit diese von den Akteuren selbst beansprucht werden, denn „eine emanzipierte Gesellschaft … wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen“ (Adorno 1951: 130). Was diese Differenzen nicht dürfen ist, die grundlegenden Prinzipien und Werte der demokratischen Rechtsordnung in Frage zu stellen und den Weg zu einer Gesellschaft, in der „man ohne Angst verschieden sein kann“ (ebd.: 131), zu versperren.

      Literatur

      Adorno, Theodor W. (1951). Minima Moralia. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

      Bahrdt, Hans Paul (1961). Die moderne Großstadt. Hamburg: Rowohlt.

      Bernhard, Christoph, Hg. (2016). Städtische öffentliche Räume – Planungen, Aneignung, Aufstände 1945-2015. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

      Bourdieu, Pierre (1979). Entwurf einer Theorie der Praxis. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

      Bourdieu, Pierre (1983). Die feinen Unterschiede. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

      Bourdieu, Pierre (1993). Sozialer Sinn – Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

      Butler, Judith (2006). Hass spricht – Zur Politik des Performativen. Frankfurt/M: Suhrkamp.

      Clarke, John u. a. (1979). Jugendkultur als Wiederstand. Milieus, Rituale, Provokationen. Frankfurt/M: Syndikat.

      Durkheim, Emil (1984). Die Regeln der soziologischen Methode. Frankfurt/M: Suhrkamp.

      Durkheim, Emil (1997): Der Selbstmord. Frankfurt/M: Suhrkamp.

      Esser, Hartmut (2000): Soziologie – Spezielle Grundlagen. Band. 2: Die Konstruktion der Gesellschaft. Frankfurt/M: Campus.

      Hall, T. Edward (1966). The Hidden Dimension. New York: Doubleday & Co.

      Häußermann, Hartmut / Walter Siebel (2004). ‚Die Stadt als Ort der Integration von Zuwanderern – Über den Umgang mit Differenz in der modernen Gesellschaft.‘ Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 43(1), 9-19.

      Heckmann, Friedrich / Veronica Tomei (1999). Einwanderungsgesellschaft Deutschland – Konfliktpotentiale und Chancen. Gutachten im Auftrag der Enquete-Kommission Demographischer Wandel des Deutschen Bundestags. Heidelberg.

      Hondrich, Karl Otto (2004). Liebe in den Zeiten der Weltgesellschaft. Frankfurt/M: Suhrkamp.

      Jäger, Siegfried (1992). Brandsätze – Rassismus im Alltag. Duisburg: DISS-Studien.

      Keding, Melanie (2009). Zur kulturellen Praxis des Urbanen – Verhaltensstile im öffentlichen Raum der Stadt. Hamburg: VDM.

      Kuhn, Gerd u. a. (2012). Räume zum Leben. Stuttgart: Deutscher Sparkassenverlag.

      Kuhn, Gerd (2016). ‚Aneignungen städtischer Freiräume seit den 1970er Jahren‘, in Christoph Bernhard, СКАЧАТЬ