Название: Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation
Автор: Christine Becker
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823300847
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[j]e mehr es gelingt, das Potential der digitalen Medien in Richtung einer derart personalisierten Landeskunde zu entwickeln, um so mehr wird die alte Unterscheidung zwischen Realienkunde, kommunikativer Landeskunde und interkultureller Landeskunde an Trennschärfe verlieren, denn in dieser Art von personalisierter Landeskunde mit ihren subjektiv geprägten Erzählungen werden Fakten, Alltag und Einschätzungen miteinander verbunden und als selbstverständlicher Teil eines Dialogs über Grenzen verstanden. (Rösler 2004, 76)
Die Übersicht über den Einsatz asynchroner computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht zeigt auf, dass ein Potenzial für sprachliches und landeskundliches Lernen gesehen wird, das sich vor allem in der Forschung zu Telekollaboration widerspiegelt.8 Die Arbeit von Biebighäuser (2014) ist die bisher einzige Studie, die digitale Medien und kulturwissenschaftliche Ansätze in der Landeskundedidaktik (und interkulturelles Lernen) verbindet. Es wird darin u.a. untersucht, wie sich Gruppen von Studierenden aus verschiedenen Ländern an in der virtuellen Welt Second Life nachgebildeten Erinnerungsorten in (synchronen) Text- und Voice-Chat unterhalten. Die Analyse des landeskundlichen Lernens zeigt dabei u.a., dass es trotz eines deutlichen Potenzials viele ungenutzte Chancen birgt, und dass der Kommunikationskanal Voice-Chat zu inhaltlich umfassenderen Beiträgen führte als der Text-Chat (vgl. Biebighäuser 2014, 390–92, 417, 423), was wichtig ist für das landeskundliche Lernen. Auch die Arbeit von Biebighäuser und Marques-Schäfer (2011) zeigt, dass Diskussionen in didaktisierten Chat-Räumen relativ oberflächlich bleiben. Sie stellen fest:
Beispielsweise erschweren Chats durch die schnellen Sprecherwechsel die tiefergehende Thematisierung von komplexen kulturspezifischen Themen. Zudem können Lernende, die keine Erfahrungen mit dem Medium haben, schnell überfordert werden. […] Aufgrund dieser Zweischneidigkeit beim Einsatz digitaler Medien zum interkulturellen Lernen muss der Medieneinsatz gut reflektiert werden. (Biebighäuser/Marques-Schäfer 2011, 120)
2.1.3 Aufgaben für CMC-Szenarien
Aufgaben sind zentrale Ausgangspunkte des Lehrens und Lernens; hauptsächlich durch Lernaufgaben steuern die Lehrenden das Lernen in Unterrichtskontexten.1 In der Fremdsprachendidaktik hat sich der aufgabenorientierte Ansatz (engl. task-based language teaching bzw. task-based language learning, TBLT) „inzwischen als angemessener und weltweit verbreiteter Sprachlernansatz […] etabliert“ (Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth 2010, 203), mit dessen Hilfe Aufgaben sowohl in Präsenz- als auch in Online-Phasen gestaltet werden können (vgl. Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth 2008). ‚Aufgabe‘ im Kontext von TBLT kann wie folgt definiert werden: „A task is an activity in which a person engages in order to attain an objective, and which necessitates the use of language“ (Van den Branden 2006, 4). Zentraler Gedanke ist, dass die Lerner durch die Aufgaben angehalten werden, die Zielsprache für authentische2 Zwecke zu gebrauchen, wobei der Interaktion, sei es nun zwischen Lernern oder mit L1-Sprechern, eine wichtige Rolle zukommt. Computervermittelte Kommunikation, deren Hauptmerkmal die Ermöglichung von interpersonaler Interaktion ist, kann somit als wichtiges Werkzeug für aufgabenorientiertes Lernen angesehen werden.
Damit Aufgaben das Sprachenlernen möglichst effektiv unterstützen, sollten sie bestimmte Merkmale erfüllen, die im Folgenden mit Hinblick auf asynchrone computervermittelte Kommunikation dargelegt werden. Ausgangspunkt sind die Gütekriterien, die von Biebighäuser, Zibelius und Schmidt (2012, 45–50) für „Aufgaben 2.0“, d.h. Aufgaben für das Fremdsprachenlehren mit digitalen Medien, formuliert wurden.3
Demnach ist es vor allem wichtig, dass Aufgaben einen bedeutungsvollen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden aufweisen, und dass diese sich als ernst genommene fremdsprachlich Handelnde (und nicht primär als Fremdsprachenlernende) äußern können. Der Lebensweltbezug bzw. die lebensweltliche Relevanz kann unterschiedlich verstanden werden: beispielsweise als Übereinstimmung zwischen den Aufgaben, die die Lernenden im Klassenzimmer bearbeiten, und den Aufgaben, die sie in der fremdsprachlichen Lebenswelt außerhalb des Klassenzimmers bewältigen müssen, oder als Möglichkeit, „persönlich Bedeutsames mitzuteilen“ (Müller-Hartmann/Schocker-v. Ditfurth 2006, 3).4
Dass die Lerner sich als fremdsprachlich Handelnde äußern, wird durch einen offenen Charakter der Aufgaben möglich: „Hierdurch erlauben sie es den Lernenden, als sie selbst zu Wort zu kommen. Die Lernenden agieren als ernst genommene fremdsprachlich Handelnde“ (Biebighäuser/Zibelius/Schmidt 2012, 47). Aufgaben 2.0 können dabei in stärkerem Maße zur Entkünstlichung des Fremdsprachenunterrichts beitragen, indem sie die authentische Interaktion mit L1-Sprechern und anderen Fremdsprachenlernen fördern:
Die Lernenden erhalten die Gelegenheit, mit realen Personen außerhalb des Klassenzimmers zu kommunizieren und Inhalte für ein authentisches Publikum zu publizieren. Damit können gute Aufgaben 2.0 das ‚So tun als ob’ geschlossener Klassenraumdialoge durch die kommunikative Realität der fremdsprachlichen Kommunikation ersetzen. […] Gute Aufgaben 2.0 bieten Raum für authentische Interaktionen in der Zielsprache – schriftlich wie mündlich, synchron und asynchron. (ebd. 2012, 46)
Brandl setzt sich dahingehend mit der Frage auseinander, welche CMC-Aufgabentypen besonders interaktionsförderlich wirken. Interaktionsförderlich sind demnach Aufgaben, bei denen jeder einzelne Lerner durch einen spezifischen Teil zur Lösung beitragen muss (vgl. Brandl 2012, 5), und solche, in denen die Lerner zu einem Konsens kommen müssen, wobei festgestellt werden kann, dass das Vorhandensein von mehreren Lösungen (closed-outcome) wiederum zu mehr Interaktion führt als Aufgaben, die flexibel gelöst werden können (open-outcome) (ebd.). Aufgaben für CMC-Umgebungen an dem Ziel auszurichten, dass sie zu möglichst viel Interaktion führen, muss jedoch als problematisch angesehen werden: Zwar haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass Interaktion aus lerntheoretischer Perspektive besonders (aber nicht nur) für das Fremdsprachenlernen sinnvoll ist, doch kann eine zu starke Fokussierung auf Interaktion und Konsens den offenen Charakter und die Berücksichtigung der Lerner als fremdsprachlich Handelnde gefährden. In bestimmten Fragen, besonders wenn es sich bei den Aufgaben um sogenannte „opinion-“ oder „experience-based activities“ (Brandl 2012, 4) handelt, wollen die Lerner vermutlich gar nicht zu einer gemeinsamen Meinung kommen bzw. besteht die Gefahr, dass sie nur aus pragmatischen Gründen, d.h. weil die Aufgabe dies vorschreibt, eine gemeinsame Lösung finden. Auch aus Gründen der Multiperspektivität, die für die gemeinsame Wissenskonstruktion eine wichtige Rolle spielt, ist es nicht sinnvoll, wenn die Lerner zu einem Konsens kommen müssen.
Die Gütekriterien für gute Aufgaben 2.0 betonen zudem die Integration von Bedeutungsgehalt und Formfokussierung (vgl. Müller-Hartmann/Schocker-v. Ditfurth 2006), so dass der lebensweltliche Bezug der Aufgaben sowie das Ernstnehmen der Lernenden als fremdsprachlich Handelnde nicht gleichgesetzt werden kann mit einer Negierung von Formfokussierung. Dabei müssen die Aufgaben einen angemessenen Anforderungscharakter haben, d.h. dass sie sich am Sprachstand der Lerner orientieren und die Anforderungen minimal über dem Kenntnisstand des Lernenden liegen.
Damit Aufgaben effektiv bearbeitet werden können, muss auch die konkrete Gestaltung der Aufgaben gewissen Gütekriterien gerecht werden: Gute Aufgaben zeichnen sich demnach zunächst dadurch aus, dass sie die Anforderungen transparent machen, z.B. durch die Verwendung einer verständlichen Sprache. Zur Transparenz gehört zudem die sinnvolle Sequenzierung von Aufgaben sowie auch die Angabe von zeitlichen Vorgaben als Strukturierungshilfe, wobei Biebighäuser (2014, 363) darauf hinweist, dass in virtuellen Welten Aufgabenstellungen möglichst detailliert formuliert sein müssen, was im Übrigen für alle digitalen Lernumgebungen gilt: Seitens der Lehrenden kann, im Gegensatz zum Präsenzunterricht, in den meisten Fällen kaum spontan auf Probleme bei der Aufgabeninterpretation reagiert werden (z.B. durch eine mündliche Erklärung oder eine Umformulierung) (vgl. Kirchhoff 2008, 105).
Wenn die Aufgabe nicht so bearbeitet wird wie von der Lehrerin/dem Lehrer geplant, kann dies mit der Unterscheidung zwischen task as workplan, der Aufgabenbearbeitung gemäß der Intention des Lehrers/der Lehrerin, СКАЧАТЬ