Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation. Christine Becker
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      Forschung zu asynchroner computervermittelter Kommunikation ist vielfältig und nimmt verschiedene Aspekte in den Fokus (vgl. die überblicksartige Darstellung von Johnson 2006), z.B. wird mit Hilfe von Vergleichsgruppen die Lerneffektivität untersucht: Wang (2004) überprüfte das Verhältnis zwischen der Anzahl geposteter Beiträge und den Abschlussnoten von Studierenden und kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die besonders intensiv teilnahmen, auch die besten Noten erhielten.3 Andere Studien, etwa Walker und Arnold (2004), verwenden die positive Evaluation der Lernform durch die Studierenden als einen Indikator für den Lernerfolg, während Johnson (2005) in seiner Untersuchung keine Korrelation zwischen diesen Faktoren feststellen konnte.

      Die Forschung widmet sich zudem der Frage, ob in den Diskussionen gemeinsam Wissen konstruiert wird, wobei dies meistens in qualitativen, inhaltsanalytischen Studien untersucht wird (z.B. Moore/Marra 2005, Gunawardena/Lowe/Anderson 1997, Dysthe 2002, Henri 1995). Verschiedene Modelle liegen vor, anhand derer die Ko-Konstruktion von Wissen analysiert wird: Henris Analytical Model of Interactive Behaviour (1995) ist das erste Modell, mit dessen Hilfe Wissenskonstruktion in Online-Diskussionen untersucht werden kann; Ausgangspunkt ist die Idee, dass Lerner durch Interaktion Wissen aufbauen (vgl. auch Kapitel 2.1.2). Auch Dysthe (2002) verwendet Henris Modell und untermauert die Theorie mit Rückgriff auf Bachtins Dialogizitätsbegriff (vgl. Bachtin 1979, 169–180). Sie führt aus, dass sogenannte genuine Interaktion, d.h. wenn die Person, die die Diskussion initiiert, sich auch später nochmals zu Wort meldet, ein besonders hohes Lernpotenzial habe, da dies zeige, dass sich die Lernenden für die Beiträge der anderen interessierten. Das Lernpotenzial wird hier mit Interaktion gleichgesetzt, was, wie ich in Becker (2016b) gezeigt habe, zumindest im Kontext des Fremdsprachenunterrichts nicht unproblematisch ist. Das am häufigsten verwendete Modell ist das Interaction Analysis Model (IAM) von Gunawardena, Lowe und Anderson (1997, 414): Interaktion ist darin eine Voraussetzung für Wissenskonstruktion; das Modell besteht in der Hauptsache aus fünf Phasen der Wissenskonstruktion: Phase 1 („Sharing and comparing information“) und Phase II („The discovery and exploration of dissonance or inconsistency among ideas, concepts and statements“) zählen dabei nicht zur gemeinsamen Wissenskonstruktion, diese wird erst in den Phasen III bis V erreicht (III: „Negotiation of meaning“, IV: „Testing and modification of proposed synthesis or co-construction“, V: „Agreement statements/Applications of newly constructed meaning“). Lucas, Gunawardena und Moreira (2014) stellen die Funktionalität des IAM in Frage, da Studien, die auf diesem Modell beruhen, keine oder nur wenig gemeinsame Wissenskonstruktion nachweisen konnten, wobei es meines Erachtens fraglich ist, ob Wissenskonstruktion erst dann stattfindet, wenn zu einem Konsens gefunden wird, denn dieser ist nicht unter allen Umständen erwünscht (vgl. Kapitel 2.1.3).

      Problematisch an diesen Modellen ist, dass die gemeinsame Wissenskonstruktion auf textueller Ebene festgemacht wird, da so vorausgesetzt wird, dass die Lernenden alle Überlegungen tatsächlich im Diskussionsforum posten. Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass durch die Beiträge der anderen in einer Art innerem Dialog das eigene Wissen modifiziert wird. Henri stellt dementsprechend auch fest, dass schon das sogenannte lurking, d.h. das reine Lesen der Beiträge, ein Lernpotenzial besitzt: „And yet in interviews following the experiment, the learners stated that a main source of learning had been the reading of the different solutions offered during teleconferences“ (Henri 1995, 158).

      Potenzial für das Fremdsprachenlernen

      Das relativ unveränderliche Ziel von Fremdsprachenunterricht ist der Erwerb von sprachlichen Fertigkeiten.1 Vor allem die Fertigkeiten Schreiben und Lesen und die Bereiche Flexionsmorphologie, Syntax und Lexik können durch textbasierte asynchrone computervermittelte Kommunikation gefördert werden (vgl. die Übersichten in Nguyen 2008, 12f), wozu die allgemeindidaktischen Potenziale etwas modifiziert werden müssen. Die zeitliche Flexibilität von asynchronen Online-Diskussionen ermöglicht im Fremdsprachenunterricht zwar auch eine tiefergehende inhaltliche Reflexion, dort ist sie aber besonders relevant, weil auch mehr Zeit für die sprachliche Ausarbeitung zur Verfügung. Sotillo (2000) kann nachweisen, dass Lernende in asynchronen Diskussionen syntaktisch komplexere Sprache verwendeten als in synchronen und Face-to-Face-Diskussionen und fasst das Potenzial von asynchroner Online-Kommunikation für den universitären Fremdsprachenunterricht wie folgt zusammen:

      Asynchronous discussions in particular allow language learners more time to plan their writing, edit their spelling, grammar, and punctuation when paying attention to form, and make longer contributions than students composing synchronously. Asking students to respond to challenging academic readings encourages them to think critically and post carefully prepared responses to teacher and student queries. Learners are thus able to focus on both form and meaning to a greater extent than when they are engaged in rapid fire exchanges and socializing via synchronous discussions. (Sotillo 2000, 106)

      Im Hinblick auf die Rezeption spielt in diesem Kontext der Faktor Zeit und die Tatsache, dass die Beiträge gespeichert werden, eine wichtige Rolle, denn die asynchrone Kommunikation ermöglicht den Lernenden, Beiträge mehrmals zu lesen und damit besser zu verstehen. Sowohl auf einer sprachlichen als auch einer inhaltlichen Ebene können sich die Lernenden auch im Nachhinein mit den Beiträgen auseinandersetzen. Findet die Diskussion zwischen Lernenden und L1-Sprechern statt, können Lernende Strukturen und Vokabular in der Zielsprache identifizieren und sie später in anderen Situationen und Kontexten anwenden (vgl. Appel/Mullen 2000).

      Das Hauptinteresse der Fremdsprachendidaktik liegt derzeit jedoch nicht nur auf dem potenziellen Nutzen von CMC für das Erlernen sprachlicher Fertigkeiten, sondern vor allem auch auf metasprachlichen Bereichen wie Bedeutungsaushandlung, gemeinsamer Wissenskonstruktion und interkultureller Kompetenz, d.h. auf Zielsetzungen von Fremdsprachenunterricht, die von bildungspolitischen Entwicklungen abhängig sind. Rahmendokumente wie die Bildungsstandards der KMK oder der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen spiegeln diese wider, wobei beispielsweise in Letzterem interkulturelle kommunikative Kompetenz (vgl. Byram 1997) als Schlüsselqualifikation gilt:

      Gefasst werden darunter z.B. auf der Wissensebene die Kenntnisse spezifischer Kommunikations- und Interaktionsregeln sowie Sicht- und Wahrnehmungsweisen des eigenen und des fremdkulturellen Landes, auf der Einstellungsebene die Entwicklung von Neugier und Offenheit gegenüber Fremdem und kultureller Vielfalt, auf der Handlungsebene kulturangemessenes Verhalten ebenso wie die Kompetenz, z.B. Missverständnisse durch Aushandlungsprozesse zu überwinden. (Hu 2010, 77)

      Hier rückt der Gegenstandsbereich der Landeskunde ins Sichtfeld:

      In particular, the opportunities offered by engaging learners in online collaborative project work with members of other cultures has been identified as being an authentic and effective way of preparing learners for the complex yet enriching experience of foreign language and culture learning. (O’Dowd 2007, 3)

      Die sogenannte Telekollaboration2, gilt somit heute als „one of the main pillars of online language learning“ (O’Dowd/Ritter 2006, 624) und ist u.a. auf die steigende Bedeutung von interaktionistisch-soziokulturellen Lerntheorien für das Fremdsprachenlernen zurückzuführen.3 Telekollaboration bezeichnet den oft asynchronen Austausch zwischen Lernenden, per E-Mail oder in virtuellen Räumen, wobei die Lernergruppe aus Fremdsprachenlernern und L1-Sprechern oder Fremdsprachenlernen aus verschiedenen Ländern bestehen kann. Landeskundliches Lernen wird hier zumeist als interkulturelles Lernen4 verstanden.5 Grundgedanke der interkulturellen Begegnung ist, dass durch den Austausch eine authentische Kommunikation stattfindet, die dazu führt, dass die Lerner die Perspektive des jeweils anderen kennenlernen und übernehmen können, gleichzeitig eine kritische Perspektive gegenüber ihrer eigenen Kultur einnehmen, Toleranz entwickeln und Stereotype abbauen (vgl. Möllering/Levy 2012, 234).6

      Tamme (2001) hat in ähnlicher Weise (doch weniger ideologisch geprägt)7 in ihrer Arbeit zu E-Mail-Tandems den Begriff der personalisierten Landeskunde entwickelt, die stattfindet, wenn sich Fremdsprachenlernende und Vertreter/-innen der Zielsprachenkulturen über landeskundliche Phänomene СКАЧАТЬ