Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation. Christine Becker
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СКАЧАТЬ indes feststellen, dass die Frage nach den Inhalten sich z.B. in Begriffen wie Länderkunde (versus Landeskunde – hier also als ein plurinational verstandenes Konzept), Realia oder Kulturkunskap niederschlägt und die nach wissenschaftlichen Ansprüchen in Landesstudien, Kulturstudien oder German studies.

      Im Folgenden soll, wenn von dem Unterrichtsfach die Rede ist, mit dem Begriff Landeskunde operiert werden, Lernprozesse werden als ‚landeskundliches Lernen‘ oder synonym als ‚kulturbezogene Lernprozesse‘ bezeichnet. Der Begriff der Landeskunde kann zum einen als neutral betrachtet werden, der sich „obwohl er immer wieder in Frage gestellt wurde und noch wird, durchgesetzt hat“ (Maijala 2008, 16), gleichzeitig kann er als ein Oberbegriff für die verschiedenen Ansätze gelten, wie sich z.B. in dem 2010 erschienen internationalen Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zeigt, das verschiedene Ansätze unter der Überschrift „Landeskunde“ summiert (vgl. Krumm et al. 2010, 1441).

      2.2.2 Kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde

      Der cultural turn in den Geisteswissenschaften hatte mit einiger Verspätung auch Einfluss auf die Fremdsprachenwissenschaften, vor allem die Landeskundedidaktik.1 Zwar war die Beschäftigung mit der ‚Kultur‘ eines Zielsprachenlandes, wie die verschiedenen Ansätze der Landeskundedidaktik zeigen, immer für Fremdsprachenunterricht von Belang, doch die

      Hinwendung der Kulturwissenschaften zu Materialität, Medialität und Tätigkeitsformen des Kulturellen, um genauer zu erkennen, wie und in welchen Prozessen und kulturspezifischen Ausprägungen Geistiges und Kulturelles in einer jeweiligen Gesellschaft überhaupt produziert werden[,] (Bachmann-Medick 2010, 99)

      hatte grundsätzliche Auswirkungen auf die Bestimmung von Inhalten und didaktischen Vorgehensweisen von Landeskundeunterricht und lieferte zudem ein Gerüst für die gewünschte wissenschaftliche Fundierung. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass ‚kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde‘ weder eine abgeschlossene Entwicklung noch einen homogenen Ansatz bezeichnet. Laurien beispielsweise stellt fest, dass die verstärkte Positionierung der Landeskunde in den Kulturwissenschaften

      zwar nicht zur Etablierung eines eindeutig definierten und in einem Gegenstand fest umrissenen wissenschaftlichen oder didaktischen Fach geführt [hat], aber doch zu einer eingehenden Reflexion und eine [sic] Neufassung des Kulturbegriffs, die für den Landeskunde- und Sprachunterricht nicht ohne Konsequenzen bleibt. (Laurien 2010, 105)

      Am einflussreichsten für die kulturwissenschaftliche Orientierung der Landeskunde war die Berücksichtigung der Diskussionen um verschiedene Konzepte von Kultur. Die damit einhergehende Hinwendung zu einem bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff blieb nicht ohne Folgen für Inhalte und didaktische Vorgehensweisen und stellt auch den theoretischen Ausgangspunkt für den in dieser Arbeit untersuchten Unterricht dar. Zum einen sollen die Lernenden nun über geteiltes Wissen und geteilte Überzeugungen einen Zugang zu den fremdsprachlichen Lebenswelten erhalten. Zum anderen erlaubt diese Vorstellung von Kultur, in der eine Wirklichkeit nicht mehr einfach objektiv gegeben ist, sondern erst von Akteuren selbst konstruiert wird, eine differenziertere Betrachtungsweise der Lebenswelt, so dass Brüche und Widersprüchlichkeiten nicht ausgeblendet werden. Die homogenisierende Darstellung von ‚Nationalkulturen‘, die sich noch in früheren Ansätzen findet, ist damit nicht mehr möglich.

      Neben den Implikationen, die die Diskussionen um einen angemessenen Kulturbegriff im Bereich des Deutschen als Fremdsprache für den Unterricht bedeuten, ist kulturwissenschaftlichen Ansätzen gemein, dass sie Verfahren, Ergebnisse und Konzepte der Kulturwissenschaften in die Landeskunde übertragen wollen. Ein einflussreiches Beispiel ist die Berücksichtigung von Theorien des kollektiven Gedächtnisses, um so „sozial geteilte Überzeugungen, Einstellungen und Werte zu rekonstruieren“ (Bärenfänger 2008, 49).

      Ein Ziel der kulturwissenschaftlichen Ausrichtung ist dabei die Etablierung von Landeskunde als Wissenschaft,2 um aus dieser Erkenntnisse für die Unterrichtspraxis zu gewinnen: Altmayer beispielsweise fordert eine kulturwissenschaftliche Forschungsdisziplin, „die sich über die aus der Praxis des landeskundlichen Unterrichts ergebenden Fragestellungen und Probleme des landeskundlichen Lernens“ definiert (Altmayer 2004, 28, Hervorhebung im Original). Auch Wormer spricht sich für eine wissenschaftliche Landeskunde aus, die „kein Selbstzweck [ist], sie ist aus der Praxis entstanden, und sie führt – über die Brücke einer wissenschaftlichen Didaktik – zumindest partiell wieder in die Praxis hinein“ (Wormer 2004, 3).

      Gegenwärtig lässt sich im Hinblick auf die kulturwissenschaftliche Orientierung folgendes Fazit ziehen: Während noch vor wenigen Jahren eine zunehmende (kultur-)wissenschaftliche Fundierung der Landeskunde festzustellen war (vgl. Koreik 2011), die zu einer Diskrepanz zwischen Theorie und praktischer Umsetzung führte,3 zeigt sich heute anhand einer nicht unwesentlichen Anzahl an Publikationen, dass die kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde Einzug in die Unterrichtspraxis gehalten hat, wobei vor allem das Konzept der Erinnerungsorte populär ist. Problematisch bleibt, dass die meisten Berichte aus der Praxis universitären Sprachunterricht betreffen und dass Konzepte für niedrige Sprachniveaus und vor allem für jüngere Lerner fehlen.4

      Dahingehend lässt sich feststellen, dass in den meisten Fällen nicht von eigenen Forschungsergebnissen ausgegangen wird, sondern dass, wie auch im hier untersuchten Unterricht, bereits existierende Forschungsergebnisse für die Erarbeitung der Themen herangezogen werden. Die von Altmayer und Wormer geforderte Forschungspraxis für den Landeskundeunterricht wird vermutlich auch weiterhin – bis auf punktuelle Ausnahmen – ein Desiderat bleiben, vorallem wenn man bedenkt, dass die Frage, welche Inhalte relevant sind, je nach Kontext unterschiedlich beantwortet werden muss und sich die Forschungsergebnisse stets wandeln dürften.

      Auf die Frage, welche Implikationen die kulturwissenschaftliche Theoriebildung im Fach Deutsch als Fremdsprache mit sich bringt und welche Lösungsansätze sich bieten, wird sodann genauer eingegangen. Im Folgenden werden jedoch zunächst Überlegungen zu zwei Kulturbegriffen dargestellt, die im Bereich der Fremdsprachendidaktik relevant sind.5 Kulturwissenschaftliche Ansätze weisen zwar homogenisierende Vorstellungen von Kultur zurück, da diese aber zum einen für die Unterrichtspraxis von Belang sind6 und zum anderen den Ausgangspunkt für die Hinwendung zu einem wissens- und bedeutungsorientierten Kulturbegriff darstellen, soll daher zunächst auf Kultur als Ausdruck homogener Einheiten eingegangen werden, sodann auf Kultur als geteiltes Wissen. Normative Vorstellungen von Kultur, wie z.B. in der Bedeutung von hochqualifizierten künstlerischen Produkten oder im Sinne eines erweiterten Kulturbegriffs, werden in der Darstellung nicht berücksichtigt. Sie spielen für die Wahl von Lerninhalten in der Unterrichtspraxis nach wie vor eine Rolle, sind aber im Hinblick auf kulturtheoretische Überlegungen in der Landeskundedidaktik hier nicht relevant.

      Kulturbegriff

      Wird in der Landeskundedidaktik von Kultur als Ausdruck homogener Einheiten gesprochen, ist damit meist die Vorstellung von Kultur als Orientierungssystem gemeint, das die Mitglieder einer Gemeinschaft determiniert. Diese Auffassung von Kultur wurde schon von Tylor vertreten, der im Jahr 1871 Kultur wie folgt definiert:

      Culture or Civilization, taken in its wide ethnographic sense, is that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society. (Tylor 1871, 1)

      Angelegt ist darin die Vorstellung von Kultur als einer geschlossenen Einheit von Wissen, Vorstellungen und Verhaltensweisen, die Mitglieder einer Gemeinschaft gemein haben bzw. im Laufe ihres Lebens erwerben und die sie von anderen Gruppen unterscheiden. In der Fremdsprachendidaktik spielen Annahmen dieser Art, beeinflusst etwa durch die Arbeiten des Kulturpsychologen Thomas, „bis heute eine herausragende Rolle“ (Altmayer 2010, 1407, siehe z.B. Bechtel 2003, 50f), vor allem aufgrund des von Thomas geprägten Begriffs des Kulturstandards. Dabei handelt es sich

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