Название: Sprachendidaktik
Автор: Johannes Wild
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301394
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Um dieses Kapitel konzise zu halten, werden wir uns bei den folgenden Modellen ausschließlich dem Satzbau zuwenden. Einerseits lassen sich die einzelnen Grammatikbeschreibungen hier gut vergleichen, andererseits ist die Auseinandersetzung mit dem Satzbau z.B. in Form von Satzglieduntersuchungen seit den Forschungen von Hans Glinz in den 1950er Jahren bis heute fester Bestandteil des Deutschunterrichts.
3.2.1 Traditionelle Schulgrammatik
Ein Blick in aktuelle Deutschlehrwerke für den Erst- und Zweitsprachunterricht zeigt die anhaltende Dominanz eines Grammatikmodells, das nicht explizit für das Deutsche entwickelt, sondern aus der Beschreibung der lateinischen Sprache adaptiert wurde. Doch nicht nur schulische Lehrwerke halten daran fest. Auch die bis heute als wichtiges Nachschlagewerk häufig an den Universitäten und an Schulen benutzte Duden-Grammatik ist als in dieser Traditionslinie stehend zu begreifen – zumindest was die Terminologie betrifft, auch wenn sie die Bindung der einzelnen Bausteine eines Satzes (die Satzglieder) durch das Verb gesteuert betrachtet und diesbezüglich in der Theorie der weiter unten besprochenen Valenz- und Dependenzgrammatik (im Folgenden VDG) verortet ist. Damit schlägt die Duden-Grammatik eine Brücke zu der unten dargestellten VDG.
Zentral für die traditionelle Schulgrammatik ist einerseits die Terminologie für die einzelnen Bausteine eines Satzes (Subjekt, Prädikat, Objekt, Adverbiale), andererseits die zentrale Rolle des Subjekts, das in einem Kongruenzverhältnis zum Verb (bzw. zum finiten Verb) steht. Kongruenz bedeutet, dass das Subjekt mit dem Verb in Person und Numerus übereinstimmt, wie folgende Beispiele illustrieren:
Mike spielt mit seinen Puppen.
Anette und Senem spielen Fußball.
Kongruenz bezeichnet beispielsweise das Kongruieren, d.h. die Übereinstimmung des Subjekts mit dem Prädikat. Das Prädikat kongruiert mit dem Subjekt in Person (1., 2., 3. Person) und Numerus (Singular und Plural).
Die Termini Objekt, Subjekt und Prädikat fanden ihren Weg aus Beschreibungen der lateinischen Sprache in Beschreibungen des Deutschen im 17. und 18. Jahrhundert (Pfeifer 1993; Elsen 2014). Bis heute sind diese Termini in schulorientierten Grammatiktheorien präsent. Die wichtigsten zentralen Bausteine des Satzes (Satzglieder) sind in der traditionellen Grammatik Subjekt, Prädikat, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Genitivobjekt, Präpositionalobjekt, Adverbiale. Die häufig als Nachschlagewerk verwendete Duden-Grammatik bedient sich dieser Bezeichnungen, auch wenn sie die VDG als Erklärungsmodell zugrunde legt. Andere Grammatikmodelle versuchen seit dem 20. Jahrhundert, sich davon zu distanzieren und beschreibungsadäquatere Bezeichnungen zu finden. Dazu mehr im folgenden Abschnitt zur VDG.
Unter Satzglied versteht man einen Satzbaustein, der aus einem oder mehreren Bestandteilen besteht und der einen inneren Zusammenhalt aufweist. Dieser innere Zusammenhalt zeigt sich darin, dass diese Bausteine – von Ausnahmen abgesehen – nur als Gesamtheit im Satz verschoben werden können. Weitere Nachweismöglichkeiten für Satzglieder sind, dass sie in ihrer Gesamtheit ersetzbar und erfragbar sind. Im Deutschunterricht sind diese Analyseverfahren als sogenannte Glinz’sche Proben bekannt und bereits Lerninhalt des Grundschulunterrichts.
An der traditionellen Grammatikbeschreibung des Deutschen ist zu kritisieren, dass sie nicht eindeutig beschreiben bzw. vorhersagen kann, welche Satzglieder in einem Satz repräsentiert sein müssen, damit er vollständig und akzeptabel ist. Diesen Makel beseitigt die VDG, indem sie die zentrale Funktion des Prädikats bei der Festlegung von notwendigen Satzgliedern betont.
3.2.2 Valenz- und Dependenzgrammatik (VDG)
Die VDG hebt die Sonderstellung des Prädikats im Satz heraus, indem diese Grammatiktheorie davon ausgeht, dass die Verbvalenz festlegt, welche Satzglieder in einem vollständigen Satz mindestens vorhanden sein müssen oder zumindest vorhanden sein können. Dabei wird auch die Sonderrolle des Prädikats betont, da es selbst in dieser Theorie nicht als Satzglied aufgefasst wird. Dies ist insofern überzeugend, als die bereits oben erwähnten Satzgliedproben/Glinz'schen Proben für das Prädikat nicht funktionieren. Diese Theorie ist somit in sich konsistent.
Im Zentrum dieses Grammatikmodells steht das Verb, das durch seine Valenz (seine Wertigkeit) Leerstellen für Satzglieder öffnet, d.h. das Verb legt Anzahl und Art einer Gruppe von Satzgliedern fest, die als Ergänzungen bezeichnet werden.
Diese Festlegung von Seiten des Prädikats bezieht sich auf die Ergänzungen, die in der traditionellen Grammatik als Subjekte und Objekte bezeichnet werden. Die in der traditionellen Grammatik als Adverbiale bezeichneten Satzglieder bleiben davon unberührt, da sie frei sind und nicht vom Prädikat gefordert werden. Diese veränderte Funktion der einzelnen Bausteine zeigt sich in der VDG auch darin, dass traditionelle Termini ersetzt werden. In dieser Theorie wird aus dem Subjekt eine Nominativergänzung (ENOM), aus den Objekten dementsprechend Akkusativ-, Dativ-, Genitiv- und Präpositionalergänzungen (EAKK, EDAT, EGEN, EPRÄP). Die nicht vom Prädikat geforderten Adverbialien werden in der VDG als Angaben bezeichnet. Folgende Gegenüberstellung illustriert dies:
Max | liest | ein Buch | im Garten | |
Traditionelle Schulgramatik | Subjekt | Prädikat | Akkusativobjekt | Lokaladverbiale |
VDG | ENOM | Prädikat | EAKK | ALOK |
Tab. 3.1:
Vergleich der Kategorien der traditionellen Schulgrammatik mit denjenigen der VDG
Wir haben zudem in der VDG eine Dichotomie zwischen Ergänzungen (vom Prädikat als Satzbausteine gefordert bzw. ermöglicht) und Angaben (vom Prädikat nicht gefordert). Zu dieser Differenzierung erfahren Sie im Folgenden mehr.
3.2.2.1 Ergänzungen und Angaben
Die Anzahl der Ergänzungen in einem vollständigen Satz wird von der Wertigkeit des Verbs festgelegt. Das Konzept der Wertigkeit wurde vom Begründer der VDG – Lucien Tesnière (1893–1954) – eingeführt und als Valenz bezeichnet. Eisenberg (1999, 57) wählt hierzu folgenden Vergleich: „Man spricht vom Verb als vom strukturellen Zentrum des Satzes und vergleicht seine Rolle mit der des Atomkerns, der Elektronen als Satelliten an sich bindet.“
Ein einwertiges Verb fordert eine Ergänzung, zwei- und dreiwertige dementsprechend zwei oder drei Ergänzungen:
Die Katze Luna schläft. (schlafen = einwertig)
Onur isst Steinpilze. (essen = zweiwertig)
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