Название: Sprachendidaktik
Автор: Johannes Wild
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301394
isbn:
Alfred Wildfeuer
Lernziele
In diesem Kapitel lernen Sie (,) …
dass die interne Grammatik (das in unserem Gehirn abgelegte Regelsystem) und die externe Grammatik (z.B. abgedruckt in einem Regelwerk) nicht identisch sind.
dass verschiedene Modelle zur Beschreibung der Grammatik existieren.
welche Grammatikmodelle im Unterricht verwendet werden.
mehr zu den wichtigsten Inhalten der Valenz- und Dependenzgrammatik, des Feldermodells und der Konstruktionsgrammatik.
weitere Grundbegriffe aus dem Bereich der Sprachbeschreibung kennen.
In diesem Kapitel lernen Sie nicht …
ausführlich ein oder mehrere grammatische Beschreibungsmodelle kennen. Hierzu gibt es zahlreiche aktuelle Literatur.
Ziel des Deutschunterrichts ist es, Schülerinnen und Schüler sowohl mit Deutsch als Erst- als auch Deutsch als Zweitsprache beim Erwerb und beim Erlernen einer Sprachkompetenz zu unterstützen. Die Auseinandersetzung mit dem Regelsystem Grammatik und den entsprechenden Beschreibungsmodellen ist für die Lehrkraft ein essentieller Aspekt. Lehrerinnen und Lehrer werden als Sprachexperten wahrgenommen und sollen es tatsächlich auch sein. Eine grundlegende Beschreibungs- und Erklärungskompetenz in Bezug auf das deutsche Sprachsystem – und idealerweise auch in Bezug auf weitere Sprachen – gehört zu den Basiskompetenzen einer Lehrkraft und ist Teil der Professionalität dieser Berufsgruppe. So wie wir von einem Automechaniker erwarten, dass er Ahnung vom Funktionieren einer Bremse hat, oder von einem Kardiologen, dass er den Unterschied zwischen linker und rechter Herzkammer erklären kann, so wird an Lehrkräfte die berechtigte Forderung herangetragen, Wissen zur Struktur von Sprache zu besitzen. Dies ist im Übrigen seit der COACTIV-Studie auch empirisch – zumindest für den Mathematikunterricht – sehr gut belegt: Schüler, die von fachlich kompetenten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, schneiden in Tests besser ab. Sollte Ihnen also im Referendariat eine Deutschlehrkraft erzählen, auch sie wäre ohne Wissen zum Aufbau von Sprache gut im Unterrichten: Haben Sie große Zweifel an einer solchen oder ähnlichen Aussage.
GEO WISSEN Nr. 40 „Das Geheimnis der Sprache“ – Seite 56–57 „Dornenreich und Kinderleicht“; Grafik: © illuteam.de
Sprachfördernder Unterricht ist auf der Grundlage von fachlich fundierten Modellen zu planen und mit Blick auf aktuelle Erkenntnisse in der Sprachwissenschaft zu reflektieren. Als Teil des Arbeitsbereichs Sprache und Sprachgebrauch untersuchen der nationalen Bildungsstandards ist der Umgang mit Grammatik bzw. die Berücksichtigung von Grammatikmodellen fester Bestandteil des Unterrichts. So steht in den Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarunterricht (KMK 2004, 9), dass die Schülerinnen und Schüler „über ein Grundwissen an grammatischen Strukturen, [über] einen Grundbestand an Begriffen und Verfahren zum Untersuchen von Sprache“ verfügen. Schülerinnen und Schüler sollen darüber hinaus „Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sprachen entdecken“ (KMK 2004, 13) und „grundlegende sprachliche Strukturen und Begriffe erkennen und verwenden“ (KMK 2004, 13).
Welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Arbeitsbereichs Sprache und Sprachgebrauch untersuchen erwerben sollen, erfahren Sie genauer in Kapitel 04.
3.1 Zu den Beschreibungsmodellen der Grammatik
Sprache ist die Infrastruktur im Land des Denkens
(Rainer Kohlmayer (aus aviso 2/2016, 28))
In diesem Zitat ist die Aussage inkludiert, dass wir über eine Infrastruktur im Gehirn verfügen, die mit Sprache und Denken zu tun hat. Sicher ist, dass wir im Laufe des Spracherwerbs Strukturen aufgebaut haben, die uns – als kompetente Sprecher – die Produktion und Rezeption korrekter, situationsangemessener sprachlicher Äußerungen ermöglichen. Diese Struktur lässt sich als interne Grammatik bezeichnen oder als implizite Fähigkeit. Wie genau dies im Gehirn modelliert ist, entzieht sich bis heute unseren Kenntnissen, wenngleich inzwischen die beteiligten Gehirnareale feststehen. Seit Jahrtausenden versucht man jedoch, diesen internen Regeln durch externe Beschreibungen – durch explizite Grammatiken – näher zu kommen, ohne bisher zu einer Sprachbeschreibung gelangt zu sein, die alle internen Regeln des Sprach(en)gefüges eines Individuums umfassend darstellen kann.
Damit kommen wir zu einem alltagssprachlichen Verständnis von Grammatik als eine auf einer Grammatiktheorie (und davon gibt es zahlreiche) basierenden Sammlung von Grammatikregeln, die in Regelwerken – z.B. der DUDEN-GRAMMATIK (2016) – dargestellt sind. Wichtig ist jedoch, sich bewusst zu sein, dass diese Regelsammlungen nur Versuche sind, unsere interne, im Gehirn abgelegte Grammatik näherungsweise zu beschreiben. Um einer Denkweise vorzubeugen, dass eine modellhafte Beschreibung mit der internen Grammatik identisch ist – d.h. der Wirklichkeit entspricht – sollen im Folgenden knapp einige unterschiedliche Beschreibungsmodelle vorgestellt und dabei die Modelle näher betrachtet werden, die entweder derzeit in der universitären Deutschlehrerausbildung am weitesten verbreitet sind und für den unterrichtlichen Einsatz als geeignet erscheinen oder vielleicht zukünftig weitere Verbreitung finden werden. Für die überblicksartige Darstellung sind Grammatikmodelle ausgewählt, die nach Granzow-Emden (2013, 40) folgende Forderung erfüllen: „Sie müssen als Modelle die Wirklichkeit angemessen abbilden.“
Bevor wir uns einzelnen Modellen widmen, soll abschließend zu diesen wenigen Vorüberlegungen ebenfalls durch ein Zitat von Granzow-Emden (2013, 38) der Unterschied zwischen Original (interner Grammatik) und Modell (externer Grammatik) prägnant dargestellt werden:
Modelle erfüllen nie die gleiche Funktion wie das Original – ein Flugzeugmodell muss weder fliegen noch Personen befördern können. Auch eine Grammatik als Modell der Sprache hat niemals den Anspruch, genau das zu leisten, was das Original – also die Sprache selbst – leistet. Modelle können sich unterscheiden – je nachdem, welchen Benutzerkreis sie im Auge haben, und Modelle stehen immer in der Gefahr, die Wirklichkeit falsch wiederzugeben.
3.2 Grammatikmodelle
Bei der Anordnung der folgenden Grammatikmodelle beginnen wir mit jenen, die uns aus der Perspektive der Lehrkraft oder der Studierenden am dringlichsten erscheinen, weil sie sowohl Teil des schulischen als auch häufig des universitären Unterrichts sind. Weitere einflussreiche Modelle schließen sich an, vor allem auch, um – wie oben bereits angesprochen – dem Eindruck entgegenzuwirken, dass es die eine immer passende Beschreibung gäbe. Dem ist nicht so. Alle Modelle haben ihre Stärken und Schwächen und sind nur eine Annäherung an die Wirklichkeit. Man könnte überspitzt sagen, dass sie nur eine sehr unscharfe Kopie des mentalen Originals darstellen. So wie eine Landschaftsfotografie mal schärfer, mal weniger scharf die Wirklichkeit abbildet, aber nicht die Wirklichkeit, also die Landschaft selbst ist.
Wenn Sie sich für ein Modell als Handwerkszeug für Ihre Grammatikbeschreibung entschieden haben (oder Ihnen eine Dozentin oder Seminarlehrer diese Entscheidung abgenommen hat), dann geht die Arbeit für СКАЧАТЬ