Gerichtsdolmetschen. Christiane Driesen
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Название: Gerichtsdolmetschen

Автор: Christiane Driesen

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300472

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СКАЧАТЬ sorgfältig abwägen.

      Eine Kritik ist berechtigt, wenn sie inhaltlich richtig ist, wenn sie sachlich formuliert wird und von demjenigen ausgesprochen wird, der dazu berechtigt ist. Eine berechtigte Kritik ist mit einer angemessenen, nach Umfang des angerichteten Schadens dosierten Entschuldigung zu beantworten. Der Kritiker wird dem Dolmetscher eher verzeihen, wenn seine berechtigte Kritik ernst genommen wurde. Ausreden und die Schuld auf andere zu schieben sind unbedingt zu vermeiden. Sie verursachen nur Ärger.

      Ein einfaches Beispiel: Der Dolmetscher kommt mit einer halben Stunde Verspätung zum Termin. Der vorsitzende Richter weist ihn sachlich darauf hin: „Ihre Verspätung wird leider diese Verhandlung und alle Morgentermine verzögern“. Der Dolmetscher bittet mit einer sachlichen Erklärung (keine Ausrede) um Entschuldigung: „Es tut mir sehr leid, ich musste aber wegen eines plötzlich erkrankten Familienmitglieds auf den Arzt warten. Es war ein Notfall.“

      Eine Kritik ist dagegen unberechtigt, wenn sie unfair und inhaltlich unbegründet und/oder beleidigend formuliert ist:

      „Ich hatte es nicht so verstanden“, sagte ein Politiker, „es lag wohl an der Verdolmetschung“. 1

      Leider haben Dolmetscher – als Dienstleister – kaum eine Möglichkeit, solch unfaire Kritik abzuwehren. Sie müssen das Gesicht wahren und können sich lediglich damit trösten, dass intelligente Gesprächsteilnehmer den unfairen Angriff auch als solchen wahrnehmen.

      Eine Kritik ist auch unberechtigt, wenn sie inhaltlich falsch ist und/oder von einem Unbefugten ausgesprochen wird. Zum Beispiel erlaubte sich ein Verteidiger mit nur geringen Französischkenntnissen, einen Dolmetscher abrupt zu unterbrechen und die korrekte Übersetzung des Begriffs „voler“ mit dem deutschen „stehlen“ in Frage zu stellen. Er bestand auf der Verwendung des Begriffs „entwenden“, was im Französischen aber „dérober“ entsprechen würde. Vielleicht wollte dieser Verteidiger den Dolmetscher destabilisieren, um sich selbst aufzuwerten oder um seine Frustration über das Gericht abzureagieren. Vielleicht hoffte er aber auch, dadurch einen strategischen Vorteil für seine Verteidigung zu erkämpfen. Der Dolmetscher sollte in diesem Fall also zu sachfremden Zwecken instrumentalisiert werden, was er auf keinen Fall zulassen darf. Der Dolmetscher muss die unberechtigte Kritik abwehren, um vom Gericht weiterhin vollständig als Fachmann in Sachen Sprache und Kultur akzeptiert zu werden. Er darf dem Gericht gegenüber nicht an Glaubwürdigkeit verlieren.

      2.3.3.4 Mögliche Kritikabwehrstrategie für den Dolmetscher

      Der Kritiker war nicht befugt, den Dolmetscher mit seiner Kritik direkt zu unterbrechen. Er hätte sich zuerst an den Vorsitzenden wenden müssen. Um alle Kommunikationspartner geschickt auf diese Regelverletzung durch den Kritiker aufmerksam zu machen, sollte der Dolmetscher den vorsitzenden Richter demonstrativ darum bitten, zu diesem Vorwurf Stellung nehmen zu dürfen. Aus demselben Grund sollte der Dolmetscher seine Antwort auch nicht an den Kritiker richten, sondern an das Gericht: „Der Dolmetscher lehnt diesen Verbesserungsvorschlag als unrichtig ab und könnte es entsprechend belegen, falls das Gericht dieses wünschen würde.“

      2.3.4 Redegewandtheit

      Zweifellos ist diese Fertigkeit für die mündliche Kommunikation unentbehrlich. Dolmetscher müssen sehr schnell reagieren und ständig auf alternative Übersetzungslösungen kommen. Falls diese Virtuosität nicht angeboren ist, muss sie trainiert werden.

      2.3.5 Frei sprechen

      Die Technik des freien Vortrags ist in jeder Kommunikationssituation hilfreich, insbesondere als Vorbereitung zum Konsekutivdolmetschen. Sie bildet die Vorstufe zu jeder Dolmetschtechnik, denn es geht hierbei um das logische Strukturieren einer beliebigen Mitteilung.

      2.3.6 Richtige Vorlesetechnik

      Vorlesen wird hier als Vorstufe zum Vom-Blatt-Übersetzen angeführt und erfolgt wie das Vom-Blatt-Übersetzen ebenfalls in drei Etappen:

       Sinn der Mitteilung mit den Augen erfassen,

       Sinn der Mitteilung beim Hochschauen verarbeiten,

       Sinn der Mitteilung beim Anschauen der Adressaten laut wiedergeben.

      2.4 Übungen zum Erwerb der Kommunikationskompetenz

      2.4.1 Arbeit mit Bildern

      Die Bilder von Personen, Gebrauchsgegenständen, Räumen, Szenen bzw. Situationen werden sowohl zum Selbststudium als auch für die Gruppenübung vorgeschlagen. Nachstehend können nur wenige Bilder als Beispiel angeboten werden. Das Internet bietet jedoch zahlreiche Quellen, wie z.B. Google Bilder oder Flickr. Im Sprachunterricht werden solche Übungen schon vielerorts mit Erfolg eingesetzt.

      Durch diese einfach erscheinenden Übungen üben die Teilnehmer unverzichtbare Kommunikationskompetenzen eines Dolmetschers auf systematische Weise. Unabhängig vom Setting empfiehlt es sich, ein Logbuch über Aufgaben und Aufgabenbewertung zu führen.

      Folgende Aufgabenstellungen sind möglich: Beschreibung von Personen, Gebrauchsgegenständen, Räumen, Situationen. Bei den ersten Übungen darf das Bild während der Beschreibung noch angeschaut werden, sehr bald sollte das Bild verdeckt werden. Die Übungen erfolgen abwechselnd im Stehen oder im Sitzen, damit Sicherheit in beiden Haltungen erlangt werden kann.

      2.4.2 Übung 1: Personenbeschreibung

      Setting: allein und/oder Gruppenübung; mit oder ohne Dozent

      Material: Aufnahmegerät, Bilder von Personen

      Übungszweck: korrektes und sicheres Auftreten, visualisierendes Gedächtnistraining, Redegewandtheit, freies Sprechen

      Anwendungsgebiet: Zeugenaussagen, Gutachter

      Bewertungskriterien: Beachtung der Grundregeln der Kommunikation (Haltung, Atmung, Blickkontakt, Sprechrhythmus), Beachtung der Dolmetschetikette, Gedächtnisleistung durch Strukturierung der Information: Vollständigkeit, Redegewandtheit: begriffliche Präzision

      Allein-Übung

      Ausführung und Empfehlungen

      Schauen Sie das Bild eine Minute lang an. Wenden Sie dabei ein systematisches Betrachtungsraster an:

       Einleitung: Was stellt das Bild/das Foto dar?

       Bildhintergrund?

       Bildvordergrund?

       Besondere Merkmale der dargestellten Person?

       Haare?

       Einzelne Gesichtsteile (Ausdruck, Form und Farbe)?

       Körperbau, Körperteile?

       Körperhaltung?

       Kleidung (Form, Material)?

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