Название: Der deutsche Wortschatz
Автор: Christine Römer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301424
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Zur Ausdrucksfunktion kann auch das Anzeigen der Beziehungsrelation Beziehungsrelationim „Nachrichtenquadrat“ Nachrichtenquadrat(von Thun, 2010) Thun, F. vongerechnet werden. Als Psychologe hat von Thun, der sich speziell mit Kommunikationsstörungen befasst, das dreiseitige Zeichenmodell um eine vierte Komponente erweitert. Eine Nachricht überbringt danach mehrere Botschaften gleichzeitig (vgl. Abbildung 2.9, die es aus der Sendersicht formalisiert).
Abbildung 2.9: „Nachrichten“-Funktionen nach von Thun (2010) (www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat)
Mit einer Äußerung könnten danach in spezifischen Kontexten mehrere Funktionen realisiert werden. Beispielsweise sagt Jemand (= Sender) zu Jemandem (= Empfänger) nachdrücklich: Es zieht! Damit wird erstmal eine Sachinformation gegeben. Gleichzeitig wird deutlich, dass die deutschsprachige Person friert (= Selbstoffenbarung) und deshalb den Angesprochenen veranlassen möchte, die offene Tür zu schließen (= Appell). Dass er dies als möglich ansieht, resultiert aus seiner Einschätzung des Angesprochenen (= Beziehung). Möglicherweise ist der Angesprochene ihm sozial unterstellt. Dieser wird den barschen Befehlston sicher seinerseits als einen Vorwurf verstehen (vgl. Abbildung 2.10).
Abbildung 2.10: „Nachrichten“-Funktionen für Es zieht!
Auch an der Wortwahl kann der Stand der Beziehung zwischen Kommunikationspartnern abgelesen werden. Wenn ein Mann seine Freundin Prinzessin nennt, kann dies heißen, dass er sie verehrt, sie anhimmelt, und ausdrücken will, dass er ihr untertan ist. Es kann aber auch gemeint sein, dass sie verwöhnt ist.
Mit der explizit markierten Appellfunktion werden Absichten, wie zum Handeln, Durchdenken oder Mitmachen, an den Hörenden mitgeteilt. Im Wort sind diese häufig mit einer Bewertungskomponente Bewertungskomponenteverbunden. Dies ist der Fall, wenn jemand als Jammerlappen (Heinz ist ein richtiger Jammerlappen!) bezeichnet wird. Es wird dann eine negative Bewertung einer männlichen, ängstlichen Person vorgenommen, die auch beinhaltet, dass die/der Hörende diesen Heinz ablehnen soll. Wenn ein Tier als ausgehungert charakterisiert wird, kann dies implizieren, dass es gefüttert werden soll.
2.8 Die Definition des prototypischen Wortes
Ein prototypisches Wort Wortprototypischesträgt auf allen Sprachsystemebenen Wortcharakter. Es ist, zusammenfassend dargestellt, gekennzeichnet durch
1 seine Isolierbarkeit in Rede und Schrift,
2 seinen selbstständigen Bedeutungscharakter,
3 seine Morphemstruktur,
4 seine Fähigkeit, Phrasenkern sein zu können, und
5 seinen kommunikativen Charakter, etwas darzustellen und/oder Gefühle auszudrücken und/oder eine Intention zu Wortdefinitiontransportieren.
2.9 Das lexikalische Wort
Da Wörter in der Sprachverwendung, entsprechend den oben skizzierten Charakteristika, in Wortformen auftreten, ist es sinnvoll noch ein lexikalisches Wort Wortlexikalischesanzunehmen, das die abstrakte Repräsentation für Formenparadigmen ist. (Schaefer, 2016, S. 171 f.) Schäfer, R.Nach Kürschner (1997, S. 101) Kürschner, W.ist das lexikalische Wort als Einheit des Lexikons bzw. Grundeinheit der Wörterbücher der Repräsentant aller Realisierungsformen, Wortformen, in denen es erscheinen kann. Bei flektierbaren Wörtern spricht man auch von Nennformen bzw. Zitierformen. Beim Substantiv ist beispielsweise die endungslose Form des Nominativ Singular die Nennform (der Tisch).
2.10 Lexeme
Alltagssprachlich wird Lexem häufig synonym zu lexikalisches Wort verwendet. Manche Linguisten definieren es (wie beispielsweise Conrad 1985, S. 140) als „Wort oder Wortstamm als Einheit des Wörterbuchs, d.h. als abstrakte Einheit, die Träger einer lexikalischen Bedeutung ist.“ Danach sind sowohl die Wortformen, die bei der Flexion abgeleitet werden, als auch die Hilfswörter, WortHilfswortdie keine lexikalische Bedeutung haben, keine Lexeme. Innerhalb des Syntagmas Das Haus hat gebrannt. ist demnach nur Haus ein Wort mit Lexemstatus; das und hat haben diesen Status nicht, weil sie grammatische Hilfswörter sind und gebrannt ist keines, weil es eine Wortform zu dem Lexem brennen ist. Oft werden auch Phraseologismen als Lexeme aufgefasst, weil sie eine konzeptuelle Einheit vertreten (dumm wie Bohnenstroh = ‘sehr dumm’). Man spricht dann von MehrwortlexemenLexemMehrwort-.
2.11 Listeme
Das Fachwort Listem wurde in der Psycholinguistik von Di Sciullo und Williams (1988) Di Sciullo, A.Williams, E.als Oberbegriff für alle idiosynkratischen Lexikoneinheiten eingeführt, die im Gedächtnis gespeichert, „gelistet“ sind. Damit umfasst dieser Oberbegriff nicht nur mentale Wörter und Wendungen, sondern auch Wortbildungsmorpheme, Flexive und die Wortformen. Der Begriff Listem soll die Tatsache hervorheben, dass diese Lexikoneinheiten mit ihren spezifischen phonologischen, morphologischen, syntaktischen und semantischen Charakteristika (idiosynkratische Eigenschaften) aufgelistet sind und auswendig gelernt werden müssen, da sie nicht wie die syntaktischen Phrasen durch allgemeine Regeln herleitbar und analysierbar seien. Dieser psychologische Terminus ist in der germanistischen Linguistik eher ungebräuchlich.
3 Komplexe Wörter
3.1 Charakterisierung der komplexen Wörter Wörter;komplexe
Komplexe Wörter werden von Simplizia unterschieden. Simplizische Wörter (wie blau und Tisch) werden auch als einfach charakterisiert, da sie nur aus einer sinnhaltigen Komponente bestehen und deshalb nicht weiter zerlegbar sind. Komplexe Wörter (wie Tische und Tischbein) haben dagegen prototypisch mindestens zwei sinnhaltige Bestandteile. Die Sinnhaltigkeit der Wörter im Deutschen zeigt sich darin, dass sie minimale freie Formen sind,1 d.h. sie können allein an einer andere Stelle im Text auftreten.
Nach dieser Definition ist das Wort Tische morphologisch komplex, da es aus zwei minimalen Einheiten besteht: Tischder lexikalischen Basis Tisch und dem grammatischen Pluralmarker e. Letzterer kann auch an anderen Wörtern als Pluralmarker auftreten (Stühle). Tischbein ist auch morphologisch komplex: Es ist eine Wortzusammensetzung (Wortbildung) aus zwei minimalen Einheiten, den Wörtern Tisch und Bein (‘Bein vom Tisch’). Wohnzimmerschrank ist eine Verbindung des komplexen Wortes Wohnzimmer (‘Zimmer zum Wohnen’) mit dem einfachen Wort Schrank. Und Wohnzimmerschrankwand ist eine feste Verknüpfung von zwei komplexen Wörtern: ‘eine Schrankwand fürs Wohnzimmer’.
Wörter können also zum einen komplex werden, wenn sie mit einer minimalen Einheit mit grammatischer oder wortbildender Funktion2 (wie bei Tischler) kombiniert werden. Zum anderen werden sie komplex, wenn sie sich mit anderen Wörtern verbinden. Lyons (1983, S. 141) bezeichnet erstere als „komplexe Lexeme“ (Derivationen) und letztere als „zusammengesetzte Lexeme“ (Kompositionen). LexemkomplexLexemzusammengesetzt
Mittels der Methode der Segmentierung werden die komplexen Wörter identifiziert. Die kompetenten Sprecher und Hörer werden aufgrund ihres lexikalischen СКАЧАТЬ