Название: Der deutsche Wortschatz
Автор: Christine Römer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301424
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Die Übergänge zwischen morphosemantisch transparent und nicht transparent sind fließend. Dies wird in der Wissenschaft u.a. mit dem „Vorschlag einer Skala morphosemantischer Transparenz“ beschrieben (Galèas, 2003, S. 287). Usuelle komplexe Wörter sind mehr oder weniger lexikalisiert; die Motivierung eines Wortes lässt nach und verschwindet. Bei völliger Lexikalisierung geht die Möglichkeit der KompositionalitätStufenKompositionalität und damit die Transparenz verloren, da eine kompositionale Dekodierung nicht möglich ist. Galèas (2003) unterscheidet sieben Stufen der morphologischen Transparenz: Sie reichen von völliger Kompositionalität, bei der die Bedeutungen der Teile im komplexen Wort nicht verändert wurden, wie bei Haustür, bis zur totalen Suppletion, wenn keine Ableitung nach den allgemeinen phonologischen oder morphologischen Regeln möglich ist, wie bei engl. go – went oder dt. sein – bin – war. (Nübling, 1999, S. 78)
Falschsegmentierungen von transparenten Wörtern treten in der Sprachverwendung auch bei Muttersprachlern auf. Beispielsweise bei Ambiguitäten wie in dem Satz: Im Umschlag ist ein Druckerzeugnis. Zu Druckerzeugnis existieren die Lesarten ‘Druck-Erzeugnis’ oder ‘Drucker-Zeugnis’ (siehe weiter dazu Römer, 2009) Römer, C.oder bei „wenig vertrauten fremdsprachlichen Entlehnungen.“ marode(Plank, 1981, S. 68) Dies ist beispielsweise bei dem aus dem Französischen entlehnten Adjektiv marode der Fall, das „letztlich auf frz. maraud ‘Vagabund, Bettler, Lump, schlechter Kerl’ zurück“ geht. (Pfeifer, 1989, Bd. 2, S. 1066) Komplexe Fremdwörter werden am Beginn ihres Auftretens häufig als Simplizia wahrgenommen: „Wiederholen sie sich mit immer den gleichen Affixgruppen, können wir die Fremdaffixe langsam als eigenständige Morpheme erkennen, und wir zerlegen die Fremdwörter nachträglich in ihre morphologischen Bestandteile, das heißt, wir realisieren die Form.“ (Elsen, 2014, Kap. 9.2)
3.2 Arten von komplexen Wörtern Wörter;komplexe;Arten
In der Literatur haben sich verschiedene Blickwinkel auf die Differenzierung komplexer Wörter etabliert.
Zum einen werden sie nach der Produktivität der Wortbildung differenziert: Jene, „die durch produktive Prozesse gebildet werden und daher morphosyntaktisch und semantisch regelmäßig sind.“ Andere, „die zwar morphologisch komplex sind, aber entweder nicht auf allen Ebenen kompositionell sind oder keinem produktiven Muster angehören.“ (Schmid u.a., 2001, S. 2) Es kann also nicht strikt unterschieden werden in regelbasiert gebildete und nicht regelbasierte komplexe Wörter, weil es Übergangserscheinungen gibt.
Ein anderes Kriterium ist, ob historisch komplexe Wörter transparent sind, ob sie synchron noch in Komponenten zerlegt werden können. Wenn dies nicht der Fall ist, werden sie als Simplizia im Lexikon gespeichert. (Schmid u.a., 2001, a.a.O.) Während Wasserglas ohne Probleme in die Konstituenten Glas und Wasser (‘Glas für Wasser’) zerlegt werden kann, ist dies bei Kleinod (‘Kostbarkeit’) nicht der Fall, da es in der Gegenwartssprache keine Minimaleinheit Od gibt. UsualitätDie komplexen Wörter werden auch hinsichtlich der Usualität (Üblichkeit) differenziert. Man unterscheidet usuelle von okkasionellen, beispielsweise bei Bhatt (1991, S. 27). Bhatt, C.In dem nachfolgenden Beispiel ist das Wort Superreiche enthalten, das ein usuelles komplexes Wort ist. Die Schöpfung (Geldver-)Mähren wird sicher okkasionell (nicht usuell) bleiben und nicht in den deutschen Wortschatz eingehen.
[…] würden wir gern wissen, um wen es sich bei den vier anderen Superreichen aus Böhmen und (Geldver-)Mähren handelt […]1
Neben den morphologisch-semantisch komplexen Wörtern können phonologisch komplexe Wörter bestimmt werden. SpracheGliederungdoppelteDie menschliche Sprache ist doppelt gegliedert, d.h. neben einer inhaltlichen Strukturierung ist auch eine rhythmische Organisation vorhanden. Während die Morpheme die inhaltlichen Grundeinheiten sind, die es ermöglichen, auch bisher unbekannte Wörter zu interpretieren, bilden die Silben auf der Ausdrucksebene die Sprechgrundeinheiten, da sie sich auf einen Zug aussprechen lassen. Sie bilden sich unabhängig von ihrer Bedeutung. Das Wissen um sie, ermöglicht es, auch bei neuen Wörtern eine Resilbifizierung vorzunehmen. Außerdem sind sie maßgeblich für die deutsche Worttrennung am Zeilenende (Silbentrennung). Im Deutschen ist die Morphemstruktur mit der Silbenstruktur häufig nicht übereinstimmend, beispielsweise bei biegen (bieg+en [bi:.gən]) (genauer in Römer und Voß, 2010). Römer, C.Voß, H.
Hinsichtlich der rhythmischen Wortstruktur sind einsilbige von den mehrsilbigen (silbig komplexen) Wörtern zu unterscheiden, Beispiele nachfolgend:
Baum, Maus, … = einsilbig
ha-ben, Mie-te … = zweisilbig
ein-tei-len, Schluss-leuch-te … = dreisilbig
Tret-boot-ver-leih, Ze-bra-strei-fen … = viersilbig
Cha-rak-te-ris-tik, Pup-pen-the-a-ter …= fünfsilbig
…
Zusammenfassend unterscheiden wir nach unterschiedlichen Kriterien (Transparenz, Wort- und Wortformenbildung, Lexikalisierung, Silbigkeit) synchron folgende Arten von komplexen Wörtern (KW):
1 morpho-semantisch transparente KW
2 eingeschränkt kompositionell transparente KW
3 KW mit derivationellen Wortbildungsmarkern
4 zusammengesetzte Bildungen KW
5 usuelle KW
6 okkasionelle KW (Augenblicksbildungen)
7 phonologisch KW (Mehrsilber) Wörter;komplexe
3.3 Wortbildung Wortbildung
3.3.1 Funktion der Wortbildung WortbildungFunktion
Der Wortschatz ist ein dynamisches System, das sich in ständiger Veränderung befindet. Ein Aspekt dabei ist die potentiell unbegrenzte Wortschatzerweiterung durch die Bildung neuer Wörter. Dabei werden unter Zuhilfenahme des vorhandenen Sprachmaterials neue Wörter (= Wortbildungen) geschaffen. Die Bildung neuer Wörter erfolgt auch in Analogie zu den vorhandenen, beispielsweise Hausfrau > Hausmann, rauchen > dampfen. Die Wortbildungslehre, ein Teilgebiet der Morphologie, hat aus der Analyse der vorhandenen Wörter „Normen“ für das Bilden von Wörtern abgeleitet.
Die Bildung von komplexen Wörtern schließt Bezeichnungslücken und eröffnet die Möglichkeit Texte zu verdichten, indem aus syntaktischen Fügungen kürzere Wörter werden, beispielsweise Der Pullover kann gewaschen werden, er ist waschbar. Die Komprimierung wird oft bei der Komposition übertrieben. Es entstehen dann sogenannte besonders lange Bandwurmwörter Bandwurmwortwie Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung.
(Zu dem Sprachwissen, das wir uns aneignen, gehört auch) ein Wissen um die СКАЧАТЬ