Der deutsche Wortschatz. Christine Römer
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Название: Der deutsche Wortschatz

Автор: Christine Römer

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823301424

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СКАЧАТЬ gewonnen. In der jüngeren deutschen Geschichte war es der Romanist V. Klemperer, der 1947 sein LTI – Notizbuch eines Philologen über die Sprache der Nazi-Diktatur veröffentlichte, und mit authentischen Beispielen auf die destruktive Kraft der Sprache aufmerksam machte. JudeSo wurde das Wort Jude systematisch mit negativen Konnotationen belegt und in Wortbildungen und Wendungen wie Judenstern, Judenhaus, Judengeschäft, Dieses Haus ist judenrein. weiter vertieft (LTI, Kap. 25). Die alte Wendung Hier geht es zu wie in der Judenschule., die sich ursprünglich auf das Stimmengewirr in jüdischen Schulen des Mittelalters bezog, erhielt für die Gegenwart eine antisemantische Konnotation1.

      Aktuell beklagen Politiker und Publizisten eine „Sprachverrohung“ im politischen Kontext. Darauf reagierend, setzt sich der Linguist Stefanowitsch (2018) für eine politisch korrekte Sprache ein, weil er den diskriminierenden Wörtern eine kognitive Wirkungskraft zuspricht. Busch (2018) dagegen „wirft die Frage auf, ob wir eine politisch korrekte Sprache überhaupt brauchen. Er beantwortet sie gleich dreimal mit Nein“ und verweist u.a. darauf: „Ein belastetes Wort durch ein anderes zu ersetzen, sei nicht sinnvoll, solange die Veränderung von Stereotypen nicht zuerst im Kopf stattgefunden habe.“ (Zur Thematik siehe weiter im Kapitel 5.3.5 in diesem Studienbuch). Lexikologieangelagerte Disziplinen

      1.6 Fazit

      Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die aktuelle germanistische Wortschatzforschung durch den Anschluss an neue Ansätze aus den Nachbarwissenschaften der Linguistik, beispielsweise der Integration von psycho- und kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen (kognitive Lexikologie) sowie computer- und korpuslinguistischen Methoden gekennzeichnet ist. Dies hat dazu geführt, dass die „germanistische Wortschatzforschung […] zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der Linguistik und in der Didaktik eine wieder erstarkte wissenschaftliche Aufmerksamkeit“ erfährt. (Kilian und Eckhoff, 2015, S. 1)

      1.7 Literaturhinweise

      Christiane Wanzeck, Hrsg. (2010). Lexikologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, Kap. 1.1–1.3, 2.1–2.2 Wanzeck, C.

      Ulrike Haß (2015). „Das Wort in der Lexikografie“. In: Handbuch Wort und Wortschatz. Hrsg. von Ulrike Haß und Petra Storjohann. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, S. 492–515 Haß, U.

      Lothar Lemnitzer und Heike Zinsmeister (2006). Korpuslinguistik. Eine Einführung. narr studienbücher. Tübingen: Gunter Narr Verlag Lemmnitzer, L.Zinsmeister, H.

      Lothar Lemnitzer und Kay-Michael Würzner (2015). „Das Wort in der Sprachtechnologie“. In: Handbuch Wort und Wortschatz. Hrsg. von Ulrike Haß und Petra Storjohann. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, S. 297–319 Lemnitzer, L.Würzner, K.-M.

      2 Wörter

      2.1 Analyseprobleme und -ebenen

      Zwar wissen alle Sprachbenutzer, was ein Wort ist, dennoch fällt es schwer, es wissenschaftlich exakt zu bestimmen. Wissenschaftliche Wortbeschreibungen Wortbeschreibungwissenschaftlichmöchten definieren, wie sich das Wort von anderen sprachlichen Einheiten unterscheidet. Sie suchen Charakteristika, die ausschließlich auf das Wort zutreffen.

      Ausgehend von de Saussure haben die Strukturalisten zwei Ebenen der Sprache unterschieden, die Laut- und die Bedeutungsseite. Martinet (1968, S. 23) Martinet, A.hat dies im Jahre 1960 folgendermaßen ausgedrückt:

      Eine Äußerung wie ich habe Kopfweh oder ein Teil einer Äußerung, der einen Sinn ergibt, wie Kopfweh oder ich, heißt ein sprachliches Z e i c h e n. Jedes sprachliche Zeichen hat ein S i g n i f i k a t (signifié): seine Bedeutung (sens) – oder seinen Wert (valeur) […] und einen S i g n i f i k a n t e n (signifiant), durch den das Zeichen manifestiert wird.

      In der Folgezeit wurde diese Vorstellung modifiziert, indem zusätzliche Sprachebenen angenommen wurden. Heute gehen eigentlich alle Grammatikmodelle von Vermittlungsebenen zwischen der Laut- und Bedeutungsseite sprachlicher Gebilde aus. Die Grundzüge einer deutschen Grammatik (Heidolph, Fläming und Motsch, 1981, S. 35) Heidolph, K. E.Flämig, W.Motsch, W.sehen in der Grammatik die „Gesamtheit von Regeln, die die Einheit von Wirklichkeitsabbildung und lautlicher Form in der Äußerung der Sprache begründen, [die das] widersprüchliche und auf komplizierte Weise vermittelte Verhältnis der beiden Seiten [ausdrückt].“ In dieser Beschreibung wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass es keine eindeutige Verbindung (Isomorphie) Isomorphiezwischen Form und Inhalt in der Sprache gibt. Als Beispiel soll auf die Mehrdeutigkeit Mehrdeutigkeitverwiesen werden. So steht das Wort Dame für verschiedene gedankliche Einheiten Dame(Konzepte):

       für eine weibliche erwachsene Person (Eine Dame trägt einen Hut.),

       für eine Spielkarte (Er legt eine Dame aus.),

       für einen Spielstein und ein Spiel (Damespiel)(Wollen wir heute Dame oder Mühle spielen?),

       für eine Spielfigur (im Schachspiel) (Die Dame schlägt den Springer.).

      Anderseits gibt es für den Begriff weibliche erwachsene Person verschiedene Lautkörper in der deutschen Sprache:

       Frau, Weib, Dame, Fräulein …

      In den Mehrebenenmodellgrammatischen Mehrebenenmodellen werden in der Regel fünf Ebenen angenommen, die als relativ selbstständige Grammatikkomponenten GrammatikRegeln und Komponentenmit eigenständigen Regeln zu sehen sind. Schematisch zeigt das die Abbildung 2.1.

      Abbildung 2.1: Mehrebenenmodell

      Diese Abbildung soll andeuten, dass die Zuordnung der Form einer Äußerung (Formativ) zur Inhaltsseite (Bedeutung) über die dazwischenliegende morphologische und syntaktische Ebene erfolgt und außerdem bestimmt wird durch die Verwendungseigenschaften, bei denen die syntaktischen von den pragmatischen zu trennen sind. Die pragmatische Ebene nimmt Einfluss auf alle Ebenen. Die syntaktische Komponente regelt die Verknüpfung zu komplexen Zeichen und die pragmatische Komponente die Situationsangemessenheit. Diese Ebenen bestätigen die von der Norm abweichenden Sätze in (2.0).

(2.0) a. * Das Auto ging auf der Autobahn spazieren. Verstoß auf semantischer Ebene. b. * Unter einer andere Führung könne er …. (Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006, S. 31) Verstoß auf morphologischer Ebene. c. Weltmeister Andreas Breme: „* Steckt niemals den Sand in den Kopf“. (Der Spiegel, 43/2005 (Hohlspiegel): Aus dem Badischen Tageblatt) Verstoß auf syntaktischer Ebene. d. * Chier gann man gut leijben. Verstoß auf grafischer Ebene. e. * Im Saal saßen 700 Nasen, die eine mitreißende, unkonventionelle teils unbequeme und unterhaltsame Rede hörten. (Der Spiegel, 46/2006 (Hohlspiegel): Aus dem Heuberger Boten) Verstoß auf pragmatischer Ebene.

      Beispiel (2a.) ist semantisch falsch, weil spazieren gehen nicht mit unbelebten Objekten verbunden werden kann. In (2b.) ist andere die falsche Flexionsform. In (2c.) wurde gegen syntaktische Reihenfolgeregeln verstoßen. Beispiel (2d.) weicht in der Lautung bzw. Schreibung von der Norm ab. Und (2e.) wäre in der privaten Kommunikation im Familienkreis angebracht, ist aber in einer offiziellen Situation unangemessen.

      Wir gehen ähnlich wie Eisenberg (2013)Eisenberg, P. und Gallmann (1999)Gallmann, P. auch СКАЧАТЬ