Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela Mayr
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СКАЧАТЬ Durch TL nutzt es die vielfältigen sprachlichen Ressourcen, die ihm zur Verfügung stehen, um Identität zu konstruieren (Busch 2013: 59).

      Das Fluktuieren zwischen den Sprachen kann durch ein gezieltes Unterrichtsdesign gefördert werden, um das metasprachliche Bewusstsein zu steigern. Es entspricht dem natürlichen Sprachverhalten im Alltag und ermöglicht es den Lernenden, eine Verbindung zwischen der sozio-kulturellen Gemeinschaft und sprachlichen Domänen herzustellen. Mit anderen Worten: Es werden Haltungen verändert und Lernende können sich so auch im Klassenzimmer durch natürlichere Umgangsformen im Umgang mit einer polyglotten und transkulturellen Realität üben. Guerra spricht in diesem Zusammenhang von Transcultural Repositioning, der Fähigkeit also, sich zwischen Sprachen, Dialekten, unterschiedlichen sozialen Diskursen und auch künstlerischen Ausdrucksformen ohne Anstrengung bewegen zu können. Dieses Transcultural Repositioning kann in der heutigen Gesellschaft, die Guerra als „fluid and hybridized“ bezeichnet (Guerra 2004: 15), als Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kommunikation und des sich Positionierens des Individuums in seiner Einzigartigkeit in einer Welt der Perspektivenvielfalt, in der die Grenzen unterschiedlicher Denkweisen aufgebrochen werden, angesehen werden (ibid.: 8). Diese wichtige strategische Fähigkeit kann zu MMK gezählt werden, sie setzt eine rhetorische Geschicklichkeit voraus, die im Unterricht zu vermitteln dringend vonnöten ist.

      Damit CS und TL im Unterricht einen zentralen Platz einnehmen können, bedarf es laut Dewaele (Dewaele 2010: 222) interaktionaler Unterrichtssettings, die Gelegenheiten für weitgehend unkontrollierte Sprachproduktion bieten. Laut Dewaele steigt die Häufigkeit von CS und TL in solchen Situationen erheblich und bietet den Lernenden die Möglichkeit, Versuche zu unternehmen, sich über ihr aktuelles Sprachkompetenzniveau hinaus zu wagen und neue Wege zu beschreiten, da hier die Korrektheit zugunsten von kommunikativen Anforderungen zurücktritt. Als besonders geeignet angesehen werden Aushandlungsprozesse, in denen Lernende zusammenarbeiten und Bedeutung aushandeln. Bedeutungskonstruktion kann so mehrsprachig und sprachübergreifend erfolgen (Bono 2011a: 32; Bono & Melo-Pfeifer 2011b: 293). Dabei spielen kontextuelle Faktoren wie Sprachkompetenz, empfundene Emotionalität des Gespräches, Intention der Sprechenden und Autorität und Prestige der einzelnen Sprachen eine nicht minder wichtige Rolle (vgl. Pavlenko 2005: 147).

      4.5.4 Code-mixing

      Unter Code-mixing versteht man, wie bereits erwähnt, den intrasententiellen Sprachwechsel nach L1. Dabei werden einzelne Wörter übersetzt, die gerade in L2/Lx nicht abrufbar sind. Es kommt in sprachlich heterogenen Gruppen vor, die eine gemeinsame sprachliche Herkunft haben. Es kommt immer dann zum Einsatz, wenn im Prozess des Erlernens einer Sprache im mündlichen Ausdruck grammatikalische Wendungen oder einzelne Wörter aus L1 herangezogen werden, um eine vorübergehende Ausdrucksunfähigkeit in L2/Lx zu überbrücken. Aus diesem Grund kann CM als wichtige Strategie im Fremdsprachenerwerb betrachtet werden. Denn dadurch ist es den Lernenden möglich, ohne Unterbrechungen und komplizierte Umschreibungen den fremdsprachigen Diskurs fortzuführen. Außerdem übernimmt CM häufig eine Scaffolding-Funktion, da es vielfach die Lernenden erst zu einem komplexen fremdsprachigen Diskurs befähigt. Die Häufigkeit von CM hängt vom Kompetenzniveau der Lernenden ab. Das bedeutet, dass mit steigendem Kompetenzniveau sich das CM von selbst reduziert (Muysken 2000).

      4.6 MKK und Emotion

      Laut Pavlenko (Pavlenko 2005: 81) werden Emotionen als durch Erfahrung erworbene und innerhalb einer bestimmten Sprache und Kultur kodifizierte Momente bezeichnet, die als autobiographische Erinnerung festgehalten werden und – mit bestimmten somatischen Zuständen verbunden – im limbischen System und insbesondere in der Amygdala und in der vorderen Cyngulate Gyrus gespeichert werden. Daraus ergeben sich Handlungsmuster/ Scripts, die im prozeduralen Gedächtnis verankert bleiben (vgl. Damasio 1994, 2003).

      Die enge Verbindung zwischen Emotion und Sprache wurde zuerst von Weinreich untersucht, der feststellt, dass zweisprachige Menschen unterschiedliche Gefühlsbindungen zu den verschiedenen Sprachen ihrer Repertoires haben. Im Falle von Migration ist die emotionale Komponente von Sprachproduktion besonders relevant. Die Sprache des Gastlandes ist mit anderen Gefühlen als die Erstsprache behaftet, was zu Konfliktsituationen und zur Unterdrückung einer der beiden Sprachen führen kann, meistens ist es die Herkunftssprache wegen ihres geringen sozialen Stellenwertes (Weinreich 1953; vgl. auch Middleton 1989). Der Begriff der Sprachloyalität kommt in diesem Zusammenhang laut Pavlenko (Pavlenko 2005: 36) zum Tragen, da es loyalitätsbedingt zu Resistenzen im Transfer kommen, welche sich wiederum hemmend auf jeden weiteren Spracherwerb auswirken können.

      4.6.1 Sprachen erfassen Emotionen unterschiedlich

      Sprachen erfassen Emotionen unterschiedlich und es gibt große Differenzen in der Bandbreite der Beschreibungen emotionaler Zuständen. Gemeinhin wird nicht davon ausgegangen, dass kulturbedingt durch Emotionen hervorgerufene körperliche Reaktionen einfach ausfallen, sondern dass diese in sehr unterschiedliche Auffassungen von inneren Zuständen und deren Bedeutung übersetzt werden (Pavlenko 2005: 88). Angesichts dieser zwischensprachlichen Unterschiede liegt die Annahme nahe, dass zwei- bzw. mehrsprachige Menschen eine Vielfalt von Emotionsdefinitionen in ihrem mentalen Lexikon zur Verfügung haben, die sich auf ihr emotionales Leben auswirken (ibid.: 92). Außerdem stehen ihnen in der Konstruktion des Diskurses inner- und zwischensprachliche Ausdrucksmittel zur Verfügung, die in der Aushandlung sozialer und emotionaler Gegebenheiten und von Machverhältnissen eine wesentliche Rolle spielen (ibid.: 114). Laut Pavlenko bilden sich aufgrund der unterschiedlichen affektiven sprachlichen Repertoires sog. Affective Personae in den verschiedenen Sprachen heraus. Das heißt, die SprecherInnen übernehmen sprachspezifische emotionale Rollen, die sehr unterschiedlich ausfallen können (ibid.: 118), da Emotionen unterschiedlich wahrgenommen und vermittelt werden. Diese Affective Personae können je nach individueller Sozialisationsgeschichte und Sprachlernerfahrung miteinander vernetzt sein oder auch nicht.

      Ein gleicher oder ähnlicher kultureller Hintergrund bedeutet demzufolge eine ähnliche Kodierung von Emotionen und eine daraus resultierende Überlappung der Gesprächserfahrungen, dies wiederum wirkt sich synchronisierend auf die Kommunikation aus. So sind etwa Intonation oder die Dauer von Sprechpausen aufeinander abgestimmt: Das Gespräch ist synchronisiert, denn es werden dieselben Annahmen über die Gesprächsstrategien geteilt. Findet die Kommunikation hingegen unter Voraussetzung verschiedener kultureller und kommunikationsstrategischer Hintergründe statt, können die Wahrnehmungen über ein korrektes und angemessenes Verhalten sehr unterschiedlich sein und es kommt folglich zu Missstimmungen im Gespräch. Nur ein sprachlicher Transfer auch auf pragmatischer und kommunikationsstrategischer Ebene kann, vor allem bei der Mitteilung emotionaler Inhalte, Missverständnisse aus den Weg räumen, indem die sprachliche und kulturelle Vorgeschichte des anderen wahrgenommen und anerkannt wird (Gumperz 1982: 123). Ausdruck von Emotionen ist demzufolge kulturspezifisch und folgt einem genau kodierten Angemessenheitsprinzip. Diese affektiven Repertoires beeinflussen sich jedoch, so Pavlenko (Pavlenko 2012: 410f.) durch CLIN gegenseitig, wodurch neue Konzepte und mentale Skripts entstehen. Die sprachliche Rahmung kann sich bei längerem Gebrauch auch zugunsten der neuen dominanten Sprache ändern (vgl. auch Òzańska-Ponikwia 2013; Panayioutou 2004a/b).

      Dieses kooperative Prinzip in der Kommunikation (vgl. Grice 1975) kann aber auch bewusst außer Kraft gesetzt werden. In diesem Fall wird CS nicht eingesetzt, um ein Argument verständlich für alle zu entwickeln, sondern um Emotionen freien Lauf zu lassen. Das Prinzip der Verständigung wird in diesem Falle zugunsten des unmittelbaren Ausdrucks emotionaler Befindlichkeiten hintan gestellt. CS erfolgt hier fast ausschließlich nach L1, da sich für die meisten zwei- bzw. mehrsprachigen Menschen das Mitteilen der eigenen Emotionen und Gefühle in einer L2 bzw. Lx nicht authentisch anfühlt. Dahinter liegt die Annahme, dass das Übertragen von Emotionen von einer Sprache auf die andere mit einem Sozialisationsprozess in der L2/Lx verbunden ist und nicht unmittelbar erfolgen kann. Erst durch das Sich-Herausbilden einer neuen Sprachrolle kann sich das emotionale Repertoire erweitern und als solches СКАЧАТЬ