Der Philipperbrief des Paulus. Eve-Marie Becker
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СКАЧАТЬ zu entwinden versucht hat, habe ich zwar kurz, aber, wie ich glaube, doch hinreichend für den gar zu prekären Versuch, auch unter Berücksichtigung der wackern LünemannLünemann, Gottlieb’schen Gegenschrift, besprochen“ (X).

      Zum anderen setzt sich Meyer in § 3 seiner „Einleitung“ (1-6) mit BaursBaur, Ferdinand Christian Echtheitskritik explizit auseinander (4ff.: s.u.). Die Diskussion über die Echtheit des Philipperbriefes nimmt Meyer sogar zum Anlass für grundsätzliche theologische und hermeneutische Erwägungen. Er beschreibt, wie er die exegetische Kritik in seiner Zeit sich überschlagen sieht, und kritisiert scharf die, wie er sagt, „Gelüste, […] den Philipperbrief […] zu einer untergeschobenen raffinirten Tendenzschrift zu stempeln“ (X).Wette, Wilhelm M. L. de21 Demgegenüber versteht Meyer den Philipperbrief als „Liebesbrief unter den Paulinischen Schreiben“ (Xf.). Nur „schwerlich anderswo [hört man] den inneren Herzschlag Pauli“ (XI). Meyer lässt auf seine einleitende Kritik an der Paulusexegese seiner Zeit zugleich Überlegungen folgen, die die exegetische Forschung programmatisch auf ihre theologische wie kirchliche Verantwortung hinweisen und verpflichten. Philologisch-exegetische Forschung und kirchliche Lehre gehören für den Begründer des KEK – wie diesen emphatischen Worten zu entnehmen istWette, Wilhelm M. L. de22 – untrennbar zusammen (vgl. auch XIV):

      „Die Freiheit der Kritik muss innerhalb der protestantischen Kirche ihr volles Recht behalten, aber sie soll auch ihre Gränzen erkennen, an welchen sie zur Verirrung wird, die an Verhärtung gränzt, wenn ihr Schwerdt die Scheide nicht finden kann“ (XI).

      1.2. Die Anlage und Bedeutung des Meyer-Kommentars 1847

      Der Meyer-Kommentar zum Philipperbrief umfasst in seiner ersten Auflage neben der schon genannten „Vorrede“ (IX-XIV) eine „Einleitung“ (1-6), die kurz und prägnant, in drei Abschnitte unterteilt, im Sinne der damaligen Einleitungswissenschaft wesentliche Einleitungsfragen abhandelt:Wette, Wilhelm M. L. de1 die Frage nach der Gemeinde der Philipper (§ 1: 1f.), „Ort, Zeit, Veranlassung und Inhalt“ des Philipperbriefes (§ 2: 2-4) sowie dessen „Aechtheit und Einheit“ (§ 3: 4-6). § 1 ist noch erkennbar zeitlich vor dem eigentlichen Aufkommen der archäologischen und epigraphischen Forschung in Nordgriechenland im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden.Bormann, LukasPhilippi2 Gleichwohl hatte schon Esprit Marie CousinéryCousinéry, Esprit Marie (1744-1833) im Jahre 1831 die Topographie und Archäologie Philippis ausführlich dokumentiert und beschrieben.Cousinéry, Esprit MarieBormann, LukasPhilippiPilhofer, Peter3 Meyer verweist zwar 1847 auf diese Darstellung (1 Anm. **; 18744: ebd. noch ausführlicher), greift allerdings bei seiner Rekonstruktion der Gemeindegeschichte hauptsächlich auf die Apostelgeschichte und den Philipperbrief als historische Quellen zurück. Denn das leitende Paradigma exegetischer Arbeit liegt seinerzeit – anders als heute4 – in philologisch und theologisch geleiteter Textauslegung.

      Weitaus aktueller bleibt Meyers Diskussion der Abfassungsverhältnisse des Briefes in § 2: Unter Verweis auf die altkirchlichen Überlieferungen (z.B. Chrysostomus), die Situationsbeschreibung des Paulus (Phil 1,12ff.) und die briefliche Semantik, die in die Nähe des Kaiserhauses deutet (Phil 4,22), lokalisiert Meyer den Philipperbrief in RomRom und weist Hypothesen einer möglichen Abfassung des Briefes in CaesareaCaesarea oder KorinthKorinth/Corinth, wie sie seit 1799 bzw. 1731 diskutiert wurden,CaesareaPaulus, Heinrich E. G.Korinth/Corinth5 zurück. Eine Abfassung des Briefes in EphesusEphesus stand in der Forschung bis dahin noch nicht zur Diskussion.EphesusMichaelis, WilhelmBormann, LukasLisco, HeinrichDeissmann, AdolfHaupt, ErichGefangenschaftsbrief(e)6 Meyer datiert die Abfassung des Philipperbriefes in das Jahr 63 oder Anfang 64 (3).Wette, Wilhelm M. L. deGefangener, Gefangenschaft7 Der Brief sei vor allem Ausdruck der Liebe des Apostels nach empfangener „Geldunterstützung“ durch die Philipper – „ein Muster der Vereinigung von zarter Liebe und theilweise fast elegischem Gepräge mit hoher apostolischer Würde und Freimüthigkeit“ (3). Im Lichte der oben beschriebenen BaurBaur, Ferdinand Christian’schen Echtheitskritik wird die genaue Bestimmung der konkreten brieflichen Funktion grundlegend – eine Fragestellung, die die Philipperbrief-Forschung übrigens bis in die Gegenwart bestimmt. Meyer findet im Philipperbrief darüber hinaus besonders einen herzlichen Stil des Apostels, das Fehlen von „Disposition“, „doctrinelle[n] Durchführungen“, alttestamentlichen „Citationen und dialektische[n] Argumentationen“ (3) und sieht genau hierin wiederum wichtige „innerliche“ Merkmale der Authentizität des Schreibens (4).Wette, Wilhelm M. L. de8 Ähnliche Beschreibungen der epistolaren Eigenheiten des Philipperbriefes haben noch in der gegenwärtigen Forschung Bestand,Bormann, Lukas9 ohne dass allerdings Meyers Kommentar dabei eigens Erwähnung fände.

      In seiner direkten Auseinandersetzung mit BaurBaur, Ferdinand Christian und SchweglerSchwegler, Albert (1819-1857)Meyer, Heinrich A. W.Schwegler, AlbertBaur, Ferdinand Christian10 über die Echtheit des Philipperbriefes führt Meyer nun in § 3 einerseits altkirchliche Zeugnisse zur frühen Bekanntheit und Verbreitung des Philipperbriefes als „äußerliche“ Indizien seiner Echtheit an (z.B. PolykarpPolykarp, Phil 3,1; Tertullian, adv Marc 5,19Tertullianadv Marc5,19).Wette, Wilhelm M. L. deTertulliande resurrect23Irenaeusadv haer4,18,4Baur, Ferdinand Christian11 Andererseits weist er Baurs Gründe für den Zweifel an der Authentizität des Briefes hier in der Einleitung wie auch in der nachfolgenden Kommentierung im Einzelnen und auf der Basis konkreter Textexegese zu Phil 2,5ff.,12 aber auch Phil 1,1.12; 2,11; 3,1; 4,2 f.22 entschieden zurück und konstatiert: „Die einzelnen Argumente Baur’s erledigen sich durch unbefangene Exegese der bezüglichen Stellen“ (5).

      Zuletzt diskutiert Meyer den Vorschlag J. H. Heinrichs’Heinrich, J. H. und Heinrich E. G. PaulusPaulus, Heinrich E. G.’ (1761-1851),Heinrich, J. H.Paulus, Heinrich E. G.13 den Philipperbrief ursprünglich in einen „exoterischen“ (Phil 1,1-3,1 und 4,21-23) und einen „esoterischen“ (Phil 3,1-4,20) Briefabschnitt zu unterteilenWette, Wilhelm M. L. de14 und so mit verschiedenen Adressatengruppen – entweder der ganzen Gemeinde oder einer vertrauteren Gruppe – zu rechnen. Gerade vor dem Hintergrund der besonders persönlich anmutenden Briefsituation betrachtet, meint Meyer, dass das Modell der Briefteilung „ein nicht bloss unhistorischer, sondern selbst unpsychologischer Fehlgriff“ (6) sei. In diesem Zusammenhang wertet Meyer die von BaurBaur, Ferdinand Christian monierte stilistische Besonderheit des paulinischen Schreibens nicht nur als Indiz seiner Echtheit, sondern auch der literarischen Einheit. Und doch bleibt Meyer der historischen Kritik seiner Zeit in gemäßigter Form verpflichtet: Mit Hinweis auf Phil 3,1 und die PolykarpPolykarp-Notiz geht er davon aus, dass dem Philipperbrief ein früheres, nicht mehr erhaltenes Schreiben des Paulus an die Philipper vorausging (6). Die briefliche Sammlung an die Philipper ist also unvollständig überliefert.

      Meyers Kommentierung des Philipperbriefes erfolgt auf knapp 140 Seiten (6-145), und zwar im Sinne einer fortlaufenden, annotierenden Kommentierung.Wette, Wilhelm M. L. deWeiß, Bernhard15 Im Blick auf den Gesamtumfang des Kommentars, die Proportionen der Teilabschnitte darin und die klar strukturierte Herangehensweise hat Meyers Kommentar zum Philipperbrief, der im Blick auf seine sachliche Positionierung an vielen Punkten de WetteWette, Wilhelm M. L. de auffällig nahe steht, im Kontext seiner Zeit gleichwohl eine eigenständige Bedeutung.Matthies, Conrad S.Hengel, Wessel A. vanWette, Wilhelm M. L. de16 Meyers Zugriff auf den Text des Philipperbriefes ist philologisch gründlich, sein Umgang mit wichtigen Forschungsfragen und -meinungen ist in der Sache klar, präzise und durchaus scharf. Die genannten Forschungspositionen sind zumeist auch bibliographisch dokumentiert.17 Meyers Textbeobachtungen sind in Teilen noch aktuell, wie etwa das Beispiel der nach wie vor in der Forschung kontrovers diskutierten Auslegung von Phil 1,7 zeigt.Reumann, JohnMatthies, Conrad S.Meyer, Heinrich A. W.Wette, Wilhelm M. L. de18

      Meyer bleibt nicht nur in der Einleitung, sondern auch im Kommentarteil immer als subjektiv agierender Exeget erkennbar, der selbstbewusst seine Forschungsposition vertritt und mit Hilfe seiner philologischen Kompetenz und seines exegetisch-theologischen Sachurteils das Textverstehen zu autorisieren und so auch zu objektivieren sucht. Für die in den folgenden Jahrzehnten erschienenen Kommentare zum Philipperbrief wird Meyer zu einem Standardwerk – das gilt mindestens СКАЧАТЬ