Название: Das Tal der Angst
Автор: Sir Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783963181382
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»Das ist reichlich vage.«
»Dann wollen wir sehen, wie wir das Problem einkreisen können. Wenn ich es genau betrachte, erscheint es schon weniger undurchdringlich. Welche Indizien haben wir, welches Buch gemeint sein könnte?«
»Gar keine.«
»Na, na, ganz so schlimm ist es nicht. Die Botschaft beginnt mit der Zahl 534, ziemlich groß geschrieben, nicht wahr? Als Arbeitshypothese können wir annehmen, dass dies die Seite bezeichnet, auf die die Chiffre sich bezieht. Jetzt ist aus unserem unbekannten Buch schon ein dickes Buch geworden – wir sind einen Schritt weiter. Welche Indizien haben wir noch hinsichtlich dieses dicken Buches? Das nächste Zeichen lautet K2. Was denken Sie, Watson?«
»Kapitel zwei natürlich!«
»Wohl kaum, Watson. Sie werden mir zustimmen, dass das Kapitel irrelevant ist, wenn die Seitenzahl angegeben ist. Außerdem dürfte, wenn Seite 534 sich im zweiten Kapitel befindet, das erste Kapitel unerträglich lang sein.«
»Kolumne!« rief ich.
»Brillant, Watson. Sie sprühen heute geradezu vor Geist. Wenn das nicht ›Kolumne‹ bedeutet, sollte ich mich sehr täuschen. Und so taucht vor unserem inneren Auge ein dickes Buch auf, zweispaltig gedruckt, wobei jede Spalte von erheblicher Länge ist, denn eins der darin vorkommenden Worte ist mit 293 bezeichnet. Sind wir damit schon an die Grenze der rationalen Analyse gestoßen?«
»Es scheint leider so.«
»Da tun Sie sich Unrecht. Ich erwarte von Ihnen noch eine brillante Idee, noch einen Geistesblitz, mein lieber Watson. Wenn das in Frage stehende Buch ungewöhnlich oder selten wäre, hätte er es mir zugeschickt. Stattdessen wollte er mir lediglich den Schlüssel dazu schicken, bevor seine Pläne durchkreuzt wurden. Das steht klar und deutlich in seinem Brief. Und das wiederum bedeutet, dass es sich um ein Buch handeln muss, von dem er annimmt, dass ich es ohne Schwierigkeiten beschaffen kann. Er besitzt es, und er nimmt an, dass ich es auch besitze. Kurz und gut, Watson, es ist ein sehr verbreitetes Buch.«
»So wie Sie das sagen, klingt es allerdings plausibel.«
»Wir haben unsere Suche also eingegrenzt auf ein dickes Buch, das zweispaltig gedruckt und weit verbreitet ist.«
»Die Bibel!« rief ich triumphierend.
»Gut, Watson, sehr gut! Aber nicht gut genug, muss ich leider sagen. Auch wenn wir hier im Haus eine Bibel haben, könnte ich mir doch kein Buch vorstellen, das mit noch geringerer Wahrscheinlichkeit bei Moriartys Komplizen stets in Griffweite liegt. Außerdem gibt es so viele unterschiedliche Ausgaben der Heiligen Schrift, dass man nicht davon ausgehen kann, dass zwei Personen identische Exemplare mit identischer Seitenzählung besitzen. Nein, es muss offensichtlich ein Buch sein, das standardisiert ist. Denn er geht ja davon aus, dass die Seite 534 in seinem Exemplar genauso aussieht wie die Seite 534 in meinem.«
»Aber das trifft für die wenigsten Bücher zu.«
»Richtig. Und genau das ist unser Rettungsanker. Unsere Suche betrifft also ein Standardwerk, von dem fast jeder ein Exemplar besitzt.«
»Bradshaws Kursbuch!«
»Das ergäbe einige Schwierigkeiten, Watson. Der Bradshaw hat einen knappen und prägnanten Wortschatz, aber auch einen sehr limitierten. Er würde kaum ausreichen, um damit eine allgemeine Nachricht zu formulieren. Nein, den Bradshaw wollen wir aus unseren Überlegungen streichen. Ein Wörterbuch dürfte aus den gleichen Gründen ausscheiden. Was bleibt also übrig?«
»Ein Almanach?«
»Großartig, Watson! Ich müsste mich sehr täuschen, wenn Sie diesmal nicht den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Ein Almanach! Probieren wir es einmal mit Whitaker’s Almanack. Er ist weit verbreitet. Er hat die erforderliche Anzahl von Seiten. Er ist zweispaltig gedruckt. Der Wortschatz ist am Anfang etwas dürftig, aber zum Ende hin wird er, wenn ich mich recht erinnere, ziemlich weitläufig.« Er nahm den Band von seinem Schreibpult. »Seite 534, zweite Spalte, ein eng gedruckter Artikel, der sich, wie ich sehe, mit dem Handel und den wirtschaftlichen Ressourcen von Britisch-Indien befasst. Schreiben Sie mit, Watson. Nummer 13 lautet ›Mahratta‹ – kein besonders vielversprechender Anfang, fürchte ich. Nummer 127 ist ›Regierung‹, was immerhin einigen Sinn ergibt, obwohl es wenig mit uns und Professor Moriarty zu tun hat. Versuchen wir es weiter. Was macht die Mahratta-Regierung? O weh! Das nächste Wort ist ›Schweineborsten‹. Wir sind erledigt, mein guter Watson! Es ist aus.«
Er hatte in scherzhaftem Ton gesprochen, aber das Zucken seiner buschigen Augenbrauen verriet mir seine Enttäuschung und seinen inneren Ärger. Ich starrte hilflos und unglücklich ins Kaminfeuer. Eine lange Stille folgte, dann erklang ein plötzlicher Ausruf von Holmes. Er lief zum Bücherschrank und kam mit einem anderen, in gelbes Leinen gebundenen, Buch zurück.
»Das kommt davon, Watson, wenn man immer auf dem neuesten Stand ist«, rief er. »Wir sind der Zeit voraus und müssen dafür büßen, wie üblich. Heute ist der 7. Januar, und hier steht schon der aktuelle Band im Regal. Aber Porlock hat seine Botschaft höchstwahrscheinlich nach dem letztjährigen zusammengebastelt. Zweifellos hätte er uns das in seinem geplanten Brief mitgeteilt. Aber lassen Sie uns sehen, was die Seite 534 zu bieten hat. Wort Nummer 13 ist ›Dort‹ – das ist schon vielversprechender! Nummer 127 lautet ›ist‹ – also ›Dort ist‹.« Holmes’ Augen glänzten vor Erregung, und seine schlanken, nervösen Finger zuckten, als er die nächsten Worte auszählte. »›Gefahr‹ – Ha! Großartig! Schreiben Sie mit, Watson: ›Dort ist Gefahr – kann – sehr – bald – geschehen – gewisser‹. Dann kommt der Name ›Douglas‹, und weiter: ›reich – Landgut – jetzt – in – Birlstone – Herrenhaus – Birlstone – Überzeugung – ist – dringend‹. Na also, Watson! Was sagen Sie nun zur reinen Vernunft und ihren Früchten? Wenn unser Gemüsehändler so etwas wie Lorbeerkränze führen würde, würde ich gleich Billy hinschicken und einen holen lassen.«
Ich starrte auf die seltsame Botschaft, die ich, während er sie dechiffrierte, auf einem Bogen Kanzleipapier mitgeschrieben hatte, den ich auf meinem Knie balancierte.
»Welch sonderbar ungereimte Art, sich auszudrücken«, sagte ich.
»Im Gegenteil, er hat das sehr geschickt gemacht«, erwiderte Holmes. »Wenn Sie eine einzige Druckspalte nach Wörtern durchsuchen, mit denen Sie etwas Bestimmtes ausdrücken wollen, können Sie kaum erwarten, alles zu finden, was Sie brauchen. Einiges müssen Sie der Kombinationsgabe des Empfängers überlassen. Der Sinn dieser Nachricht ist völlig klar. Irgendeine Teufelei ist im Gange gegen einen Menschen namens Douglas, wer immer das ist. Jedenfalls wird hier gesagt, dass er als reicher Gutsbesitzer auf dem Lande lebt. Porlock ist überzeugt – das Wort ›Überzeugung‹ kommt dem so nahe wie möglich – dass es dringend ist. Damit haben wir unsere Aufgabe gelöst und unsere kleine Analyse fachmännisch zu einem guten Ergebnis geführt!«
Holmes hatte mit dem echten Künstler die unparteiische Freude an guter Arbeit gemein, genauso wie die tiefe Enttäuschung, wenn er hinter seinen selbst gestellten Erwartungen zurückblieb. Er freute sich immer noch schmunzelnd über seinen Erfolg, als Billy die Tür aufriss und Inspektor MacDonald von Scotland Yard eintreten ließ.
In jenen Tagen gegen Ende der achtziger Jahre war Alec MacDonald noch längst nicht auf der Höhe des landesweiten Ruhms, den er jetzt genießt. Er war ein junger Beamter bei der Kriminalpolizei, aber er wurde bereits geschätzt, denn er hatte sich in einigen Fällen ausgezeichnet, СКАЧАТЬ