Название: Das Tal der Angst
Автор: Sir Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783963181382
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»Ich wollte sagen, wie er dem großen Publikum unbekannt ist.«
»Touché, Watson! Sehr gut!« rief Holmes. »Sie entwickeln neuerdings einen unerwarteten pikaresken Humor, gegen den ich mich künftig wappnen muss. Aber wenn Sie Moriarty einen Verbrecher nennen, ist das juristisch gesehen eine Verleumdung, und gerade darin liegt der großartige künstlerische Reiz der Sache. Der größte Ränkeschmied aller Zeiten, das planende Hirn hinter schrecklichen Verbrechen, der alles steuernde Kopf der Unterwelt – ein Kopf, der die Geschicke ganzer Nationen zum Guten wie zum Bösen lenken könnte: Das ist dieser Mann. Dabei ist er über jeden gemeinen Verdacht erhaben, gegen jede Anschuldigung immun. Er versteht es bewundernswert, die Fäden zu ziehen und selbst unsichtbar zu bleiben, sodass er Sie wegen der Worte, die Sie gerade geäußert haben, jederzeit vor Gericht zerren könnte, wo ihm als Entschädigung für seine verletzten Gefühle ein Schmerzensgeld zugesprochen würde, das so hoch ist wie Ihre Jahrespension. Schließlich ist er der gefeierte Autor von ›Stellardynamik eines Asteroiden‹, einem Werk, das sich zu den höchsten Höhen der reinen Mathematik aufschwingt und von dem gesagt wird, in der gesamten Fachpresse gäbe es niemanden, der in der Lage ist, es zu rezensieren. Darf man einen solchen Mann in Verruf bringen? Der verleumderische Arzt und der in seiner Ehre gekränkte Professor – so wären Ihre Rollen vor Gericht verteilt. Darin liegt Genie, Watson. Aber mein Tag wird kommen – sofern die kleinen Ganoven mich am Leben lassen.«
»Ich wollte, ich könnte dabei sein!« rief ich eifrig. »Aber Sie wollten mir etwas über diesen Porlock erzählen.«
»Richtig. Porlock, wie er sich nennt, ist ein Glied in der Kette, die das Schwergewicht hält, aber er steht nicht im Zentrum des Geschehens. Unter uns gesagt, Porlock ist nicht gerade das stärkste Glied in der Kette. Aber er ist die einzige Schwachstelle, die ich bisher finden und erproben konnte.«
»Keine Kette ist stärker als ihr schwächstes Glied.«
»Sehr richtig, mein lieber Watson. Genau deshalb ist Porlock von so immenser Bedeutung. Er hat offenbar noch ein rudimentäres Bewusstsein für Recht und Unrecht, das ich durch die gelegentliche Übersendung einer Zehn-Pfund-Note stimuliere, welche ihn auf Umwegen erreicht. Dafür hat er mir ein oder zwei Mal Informationen zukommen lassen, die von höchstem Wert waren, denn sie ermöglichten es, ein Verbrechen zu verhüten, statt es zu rächen. Ich bin sicher, wenn wir erst den richtigen Code haben, werden wir feststellen, dass diese Botschaft von der eben erwähnten Art ist.«
Holmes strich das Papier auf seinem unbenutzten Frühstücksteller glatt. Ich trat hinter ihn, beugte mich über seine Schulter und starrte auf die sonderbare Nachricht. Sie lautete folgendermaßen:
534 K2 13 127 36 31 4 17 21 41
DOUGLAS 109 293 5 37 BIRLSTONE
26 BIRLSTONE 9 127 171
»Werden Sie daraus schlau, Holmes?«
»Offensichtlich ein Versuch, mir eine geheime Information zu übermitteln.«
»Aber was können wir mit einer chiffrierten Nachricht anfangen ohne den Code dazu?«
»In diesem Fall gar nichts.«
»Was heißt ›in diesem Fall‹?«
»Weil es viele Geheimschriften gibt, die ich so leicht entziffere wie die kryptischen Botschaften in der Seufzerspalte einer Boulevardzeitung. Solche unbeholfenen Tarnungsversuche sind für mich ein intellektueller Spaß. Aber das hier ist etwas anderes. Diese Zahlen beziehen sich offenkundig auf Worte in einem bestimmten Buch und auf einer bestimmten Seite. Aber solange ich nicht weiß, in welchem Buch und auf welcher Seite, bin ich machtlos.«
»Weshalb dann ›Douglas‹ und ›Birlstone‹?«
»Natürlich weil das Worte sind, die auf der betreffenden Seite nicht vorkommen.«
»Aber warum hat er nicht dazugeschrieben, um welches Buch es sich handelt?«
»Ihre angeborene Schlauheit, mein lieber Watson, jene Ihnen eigene Gerissenheit, die Ihre Freunde so zu schätzen wissen, dürfte Ihnen sagen, dass es unklug ist, eine chiffrierte Nachricht und den Code dazu im selben Brief zu schicken. Wenn etwas schief geht, sind Sie erledigt. Aber mit getrennter Post müssten schon beide Briefe in falsche Hände geraten, bevor etwas Schlimmes passiert. Die zweite Post ist heute überfällig, und ich würde mich wundern, wenn sie uns nicht entweder den Brief mit dem Code oder, was wahrscheinlicher ist, das Buch selbst bringt, auf das sich diese Zahlen beziehen.«
Holmes’ Überlegungen wurden wenige Minuten später bestätigt, als unser Hausbursche Billy mit dem erwarteten Brief erschien.
»Die gleiche Handschrift«, bemerkte Holmes, als er das Kuvert öffnete. »Und sogar unterschrieben!« ergänzte er triumphierend, als er den Brief entfaltete. »Na also, wir kommen voran, Watson.«
Seine Miene verdüsterte sich jedoch, als er den Brief überflog.
»Großer Gott! Das ist eine Enttäuschung! Ich fürchte, Watson, das lässt alle unsere Erwartungen platzen. Ich kann nur hoffen, dass Porlock nichts zustößt.« Der Brief lautete folgendermaßen:
›Lieber Mr Holmes, ich kann in der Sache nicht weitergehen. Es ist zu gefährlich. Er verdächtigt mich. Ich spüre, dass er einen Verdacht hat. Heute kam er überraschend herein, als ich gerade den Brief adressierte, in dem ich Ihnen den Code schicken wollte. Ich konnte ihn gerade noch zudecken. Wenn er das gesehen hätte, wäre ich geliefert. Aber ich sah den Argwohn in seinen Augen. Bitte verbrennen Sie die chiffrierte Nachricht, die nun für Sie wertlos ist. – Fred Porlock.‹
Holmes saß eine Weile stumm da, drehte den Brief in den Fingern und starrte blicklos ins Kaminfeuer.
»Es kann natürlich sein, dass nichts dran ist«, sagte er schließlich. »Vielleicht war es nur sein schlechtes Gewissen. Er weiß, dass er ein Verräter ist, vielleicht las er deshalb die Anklage in den Augen des anderen.«
»Dieser andere ist wohl Professor Moriarty?«
»Kein Geringerer. Wenn einer dieser Leute von ›ihm‹ spricht, weiß jeder, wer gemeint ist. Es gibt für alle nur einen alles beherrschenden ›Er‹.«
»Aber was hat er vor?«
»Hm! Allerdings eine schwierige Frage. Wenn man es mit einem der klügsten Köpfe Europas zu tun bekommt, der alle Mächte der Finsternis hinter sich hat, gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Jedenfalls ist Freund Porlock in tödlicher Angst. Vergleichen Sie einmal die Handschrift des Briefes mit der auf dem Kuvert – nach seiner Aussage hat er die Adresse geschrieben, bevor er diesen unheildrohenden Besuch bekam. Hier ist sie klar und fest, im Brief dagegen kaum leserlich.«
»Warum hat er dann überhaupt den Brief geschrieben und die Sache nicht einfach fallen lassen?«
»Weil er befürchtet, ich würde dann Nachforschungen über ihn anstellen, was ihn in ernste Schwierigkeiten gebrachte hätte.«
»Das ist sicher richtig«, sagte ich. »Es ist ja zum Verrücktwerden« – ich hatte die chiffrierte Botschaft in die Hand genommen und betrachtete sie eingehend – »wenn man bedenkt, dass dieser Zettel wahrscheinlich ein wichtiges Geheimnis birgt, das kein Mensch je ergründen wird.«
Sherlock Holmes hatte sein unberührtes Frühstück beiseitegeschoben und zündete seine unappetitliche Pfeife an, die Gefährtin seiner intensiven gedanklichen Arbeit.
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