Название: Physikalische Chemie
Автор: Peter W. Atkins
Издательство: John Wiley & Sons Limited
Жанр: Химия
isbn: 9783527828326
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(a) Charakteristische Eigenschaften von Phasenübergängen
Betrachten wir eine reine Flüssigkeit in einem geschlossenen Behälter mit konstantem Volumen. Der Druck der Gasphase, die sich mit der kondensierten Phase im Gleichgewicht befindet, ist der Dampfdruck dieses Stoffs (Abb. 4.5; diese Größe haben wir bereits in Abschn. 1.3 eingeführt). Die Phasengrenzlinie des Gleichgewichts Flüssigkeit/Gas gibt also die Abhängigkeit des Dampfdrucks der Flüssigkeit von der Temperatur an. Analog lässt sich an der Phasengrenzlinie Feststoff/Gas die Abhängigkeit des Sublimationsdrucks von der Temperatur ablesen. Der Dampfdruck nimmt mit steigender Temperatur zu, da dann immer mehr Moleküle genügend Energie besitzen, um die zwischenmolekularen Anziehungskräfte zu ihren Nachbarn zu überwinden.
Wenn eine Flüssigkeit in einem offenen Gefäß erhitzt wird, verdampft die Flüssigkeit zunächst an der Oberfläche. Wenn der Dampfdruck gleich dem äußeren Druck ist, kann im gesamten Volumen der Flüssigkeit Verdampfung eintreten und der Dampf kann frei in die Umgebung entweichen. Diesen Vorgang nennt man Sieden, und die Temperatur, bei der der Dampfdruck der Flüssigkeit gleich dem äußeren Druck ist, ist die Siedetemperatur bei gegebenem Druck. Unter Atmosphärendruck, p = 1 atm, liegt der sogenannte Normalsiedepunkt von Wasser bei 100 °C. Für den Spezialfall eines äußeren Drucks von 1 bar spricht man vom Standardsiedepunkt TS; für Wasser liegt er bei 99,6 °C. (Da 1 bar geringfügig kleiner ist als 1 atm [1,00 bar = 0,987 atm] liegt der Standardsiedepunkt einer Flüssigkeit etwas unterhalb ihres Normalsiedepunkts.)
Abb. 4.5 Als Dampfdruck einer Flüssigkeit oder eines Feststoffs bezeichnet man den Druck, den die gasförmige Phase ausübt, wenn sie sich im Gleichgewicht mit der jeweiligen kondensierten Phase befindet.
Abb. 4.6 (a) Die flüssige Phase befindet sich im Gleichgewicht mit der Gasphase. (b) Die Flüssigkeit wird in einem geschlossenen Behälter erhitzt. Dabei nimmt die Dichte des Dampfes zu, die der Flüssigkeit nimmt etwas ab. (c) Schließlich ist ein Zustand erreicht, an dem beide Dichten gleich sind und die Phasengrenzfläche verschwindet; diesen Effekt beobachtet man bei der kritischen Temperatur.
Wird die Flüssigkeit in einem geschlossenen Gefäß erhitzt, siedet die Flüssigkeit nicht. Stattdessen nehmen der Dampfdruck und die Dichte des Dampfs mit steigender Temperatur kontinuierlich zu (Abb. 4.6). Gleichzeitig dehnt sich die Flüssigkeit aus, wodurch ihre Dichte geringfügig abnimmt. Bei einer bestimmten Temperatur ist die Dichte des Dampfs gleich der Dichte der flüssigen Phase und die Phasengrenzfläche verschwindet. Diese Temperatur nennt man kritische Temperatur Tkrit (wir sind ihr in Abschn. 1.3.1 bereits begegnet). Der entsprechende Dampfdruck ist der kritische Druck pkrit. Bei und oberhalb dieser Temperatur wird das Gefäß von einer einzigen, homogenen Phase ausgefüllt, dem überkritischen Fluid; es existieren keine Grenzflächen mehr. Oberhalb seiner kritischen Temperatur besitzt folglich kein Stoff eine flüssige Phase.
Schmelztemperatur nennt man die Temperatur, bei der sich die flüssige und eine feste Phase eines Stoffs im Gleichgewicht befinden. Dies ist gleichzeitig die Erstarrungstemperatur des Stoffs, da Schmelz‐ und Erstarrungsvorgang bei derselben Temperatur ablaufen. Analog zur Siedetemperatur führt man auch hier einen Standardschmelzpunkt TSm für einen Druck von 0,1 MPa (1 bar) ein (entsprechend ist der Normalschmelzpunkt bei 1 atm definiert; die Unterschiede beider Werte sind für praktische Zwecke meist vernachlässigbar). Die Begriffe Schmelz‐ und Erstarrungs‐ oder Gefrierpunkt werden synonym verwendet.
Bei bestimmten Werten der Zustandsvariablen können drei Phasen (meist fester, flüssiger und gasförmiger Aggregatzustand) eines Stoffs koexistieren. In diesem Tripelpunkt schneiden sich drei Phasengrenzlinien; die zugehörige Temperatur bezeichnen wir mit T3. Die Lage des Tripelpunkts ist nicht beeinflussbar; für jeden Stoff existiert ein einziges charakteristisches Wertepaar (Druck, Temperatur).
Wie man in Abb. 4.4 erkennt, liegt der Tripelpunkt beim kleinsten Druck, bei dem noch eine flüssige Phase existiert. Wenn die Steigung der Phasengrenzlinie fest/flüssig ähnlich wie in diesem Diagramm verläuft (dies ist der Normalfall), besitzt am Tripelpunkt auch die Temperatur den kleinsten Wert, bei dem noch eine flüssige Phase beobachtet werden kann; die obere Grenze hierfür ist die kritische Temperatur.
Illustration 4.4
Der Tripelpunkt von Wasser liegt bei 273,16 K und 611 Pa (6,11 mbar, 4,58 Torr); an keinem anderen Punkt können die drei Phasen Eis, flüssiges Wasser und Wasserdampf im Gleichgewicht koexistieren. Diese Invarianz des Tripelpunkts nutzte man bis 2019 zur Definition der thermodynamischen Temperaturskala (Kelvin‐Skala; siehe Abschn. 3.1).
(b) Die Phasenregel
Die Herleitung der Phasenregel durch J.W. Gibbs ist eine der elegantesten Beweisführungen der chemischen Thermodynamik (siehe Herleitung 4.1). Sie gibt an, wie viele Parameter des Systems variiert werden können, ohne dass sich die Zahl und die Art der im Gleichgewicht koexistierenden Phasen ändert. Die Regel beschreibt einen allgemeinen Zusammenhang zwischen der Varianz F, der Anzahl der Komponenten C und der Anzahl der Phasen P für Systeme beliebiger Zusammensetzung. Jede dieser Größen hat eine exakt definierte Bedeutung:
Die Varianz F gibt die Anzahl der Freiheitsgrade eines Systems an; diese ergibt sich aus der Anzahl intensiver Größen, die unabhängig voneinander variiert werden können, ohne dass sich die Anzahl der Phasen im Gleichgewicht P dadurch ändert.
Jede chemische Spezies, die im System enthalten ist, nennt man Konstituent.
Als Komponente des Systems bezeichnet man die chemisch unabhängigen Konstituenten eines Systems (siehe Illustration 4.5).
Die Anzahl der Komponenten C eines Systems ist die minimale Anzahl unabhängiger Spezies (Ionen oder Moleküle), die zur Definition der Zusammensetzung aller Phasen des Systems notwendig ist.
Illustration 4.5
Eine Mischung aus Ethanol und Wasser besteht aus zwei Konstituenten. Eine wässrige Lösung von Natriumchlorid besteht aus drei Konstituenten: Wasser, Na+‐Ionen und Cl–‐Ionen; allerdings besteht die Lösung nur aus zwei Komponenten, denn die Anzahl der Na+‐Ionen und der Cl–‐Ionen ist aufgrund der Notwendigkeit für Ladungsneutralität stets identisch. Die Ionen sind daher nicht chemisch unabhängig.
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