Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф
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Название: Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten

Автор: Кристин Нефф

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783867813242

isbn:

СКАЧАТЬ 2009).

      Freundlichkeit gegenüber sich selbst versus Selbstverurteilung

      Die meisten von uns versuchen, freundlich und rücksichtsvoll gegenüber Freunden und Angehörigen zu sein, wenn diese einen Fehler machen, sich unzulänglich fühlen oder ein Unglück erleben. Wir bieten vielleicht Unterstützung an und äußern Verständnis, um sie wissen zu lassen, dass wir Anteil nehmen – auch eine körperliche Geste der Zuneigung wie eine Umarmung kommt in Betracht. Wir fragen sie vielleicht: »Was brauchst du jetzt, in diesem Moment?« Und wir überlegen, was wir tun können, um zu helfen.

      Seltsamerweise behandeln wir uns selbst oft ganz anders. Wir sagen uns harte und grausame Dinge, die wir niemals zu einer Freundin sagen würden. Tatsächlich sind wir oft härter gegen uns selbst als gegenüber Menschen, die wir nicht einmal besonders mögen. Die Freundlichkeit, die mit Selbstmitgefühl verbunden ist, beendet jedoch die ständige Selbstverurteilung und abwertenden inneren Kommentare, die die meisten von uns als normal ansehen. Unsere inneren Dialoge werden wohlwollend und ermutigend anstatt strafend oder herabwürdigend, was eine freundlichere und eher unterstützende Haltung uns selbst gegenüber widerspiegelt.

      Wir beginnen unsere Schwächen und unser Versagen zu verstehen, statt sie zu verurteilen. Wir erkennen unsere Unzulänglichkeiten an, während wir uns bedingungslos als fehlerhafte und unvollkommene Menschen akzeptieren. Und vor allem erkennen wir, in welchem Maße wir uns durch unerbittliche Selbstkritik schaden, und wählen einen anderen Weg.

      Zur Freundlichkeit gegenüber uns selbst gehört jedoch mehr, als die Selbstkritik zu beenden. Es geht darum, bewusst unser Herz für uns selbst zu öffnen und auf unser Leiden zu antworten, wie wir es bei einem lieben Freund in Not tun würden. Wir können uns urteilslos akzeptieren und darüber hinaus inmitten emotionaler Turbulenzen auch trösten und gut für uns sorgen. Wir wollen versuchen, uns selbst zu helfen, wollen unseren Schmerz lindern, wenn wir können. Normalerweise konzentrieren wir uns sogar bei unvermeidbaren Problemen wie einem unvorhergesehenen Unfall mehr darauf, das Problem zu lösen, als auf den fürsorglichen Umgang mit uns selbst. Wir behandeln uns mit kaltem Stoizismus anstatt mit liebevoller Fürsorge und wechseln direkt in den Problemlösungsmodus. Aber wenn wir freundlich mit uns umgehen, lernen wir, uns in schwierigen Lebensphasen zu nähren, und können uns unterstützen und ermutigen. Wir lassen uns von unserem eigenen Schmerz berühren. Wir halten inne und sagen uns: »Das ist jetzt wirklich schwierig. Wie kann ich in diesem Moment für mich selbst sorgen?« Wenn wir in irgendeiner Weise bedroht sind, versuchen wir, uns aktiv zu schützen.

      Wir können nicht perfekt sein, und es wird immer Konflikte und Probleme in unserem Leben geben. Wenn wir unsere Unzulänglichkeiten leugnen oder ablehnen, vergrößern wir unser Leiden durch Stress, Frustration und Selbstkritik. Bringen wir uns aber Güte und Wohlwollen entgegen, rufen wir positive Gefühle der Liebe und Fürsorge wach, die uns helfen, mit den Schwierigkeiten umzugehen.

      Erfahrung gemeinsamen Menschseins versus Isolation

      Selbstmitgefühl geht eher mit einem Gefühl der Verbundenheit als mit dem Gefühl des Getrenntseins einher. Eines der größten Probleme mit harter Selbstverurteilung besteht darin, dass sie uns normalerweise das Gefühl gibt, isoliert und von anderen abgeschnitten zu sein. Wenn wir scheitern oder uns in irgendeiner Weise unzulänglich fühlen, kommen wir zu dem irrationalen Schluss: »Alle anderen sind in Ordnung. Ich bin der einzige hoffnungslose Versager.« Das ist kein logischer Denkprozess, sondern eine emotionale Reaktion, die unser Denken verengt und die Realität verzerrt. Selbst wenn in unserem Leben Dinge schiefgehen, für die wir uns nicht verantwortlich machen (leider geben wir uns an fast allem die Schuld), neigen wir dazu zu glauben, andere hätten es leichter und unsere eigene Situation sei nicht normal. Wir tun fast so, als hätten wir vor der Geburt einen Vertrag unterschrieben, mit dem zugesagt wird, dass wir perfekt sein werden und dass alles in unserem Leben stets nach Wunsch laufen wird: »Entschuldigung, da muss ein Irrtum vorliegen. Ich habe mich für das Programm ›Alles wird bis zu meinem Todestag perfekt laufen‹ angemeldet. Kann ich bitte mein Geld zurückhaben?« Es ist absurd, und doch glauben die meisten von uns, dass etwas furchtbar schiefgelaufen ist, wenn wir scheitern oder wenn das Leben eine unerwünschte Wendung nimmt. Tara Brach (2003) schreibt: »Das Gefühl, nichts wert zu sein, geht Hand in Hand mit dem Gefühl, von anderen getrennt zu sein, vom Leben getrennt zu sein. Wie können wir überhaupt dazugehören, wenn wir defekt sind?« Das erzeugt erschreckende Gefühle der Isolation und Einsamkeit, die unser Leiden enorm verschlimmern. Mit Selbstmitgefühl erkennen wir jedoch, dass Herausforderungen und persönliches Versagen zum Menschsein gehören; wir alle machen solche Erfahrungen. In Wirklichkeit sind unsere Fehler und Schwächen das, was uns zu Mitgliedern der menschlichen Spezies macht. Dieses Element der gemeinsamen menschlichen Daseinserfahrung hilft uns auch, zwischen Selbstmitgefühl und Selbstakzeptanz oder Selbstliebe zu unterscheiden. Selbstakzeptanz und Selbstliebe sind zwar wichtig, aber sie sind für sich allein unvollständig. Sie lassen einen wesentlichen Faktor aus: andere Menschen. Mitgefühl hat per Definition mit »Beziehung« zu tun. Es impliziert eine grundlegende Gegenseitigkeit in der Erfahrung des Leidens und beruht auf der Anerkennung der Tatsache, dass die menschliche Daseinserfahrung unvollkommen ist. Warum sonst würden wir sagen: »Es ist nur menschlich«, um jemanden zu trösten, der einen Fehler gemacht hat?

      Selbstmitgefühl erkennt die Tatsache an, dass alle Menschen fehlbar sind, dass es unvermeidlich zum Leben gehört, »falsch abzubiegen«. (Wie sagt man so schön: »Ein gutes Gewissen weist gewöhnlich auf ein schlechtes Gedächtnis hin.«) Wenn wir in Kontakt mit unserer gemeinsamen Menschlichkeit sind, erinnern wir uns daran, dass jeder und jede von uns Gefühle der Unzulänglichkeit und Enttäuschung kennt. Der Schmerz, den ich in schwierigen Zeiten empfinde, ist der gleiche Schmerz, den du in schwierigen Zeiten empfindest. Die Auslöser, die Umstände und der Grad des Schmerzes mögen sich unterscheiden, aber der Prozess ist derselbe. Mit Selbstmitgefühl ist jeder Moment des Leidens eine Gelegenheit, sich anderen näher und verbundener zu fühlen. Es erinnert uns daran, dass wir nicht allein sind.

      Achtsamkeit versus Überidentifikation

      Um Mitgefühl mit uns selbst zu haben, müssen wir bereit sein, uns unserem eigenen Schmerz zuzuwenden, ihn achtsam anzuerkennen. Achtsamkeit ist eine Art ausgeglichenes Gewahrsein, das unsere Erfahrung in jedem Augenblick weder ablehnt noch meidet oder übertreibt. Wie Jon Kabat-Zinn (1994) schreibt, bedeutet Achtsamkeit, »auf eine bestimmte Art aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Moment und unvoreingenommen«. In diesem empfänglichen Geisteszustand werden wir unserer negativen Gedanken und Gefühle gewahr und können einfach mit ihnen sein, so wie sie sind, ohne dagegen anzukämpfen oder sie zu leugnen. Wir erkennen, wenn wir leiden, ohne sofort zu versuchen, unsere Gefühle »in Ordnung« oder zum Verschwinden zu bringen.

      Wir denken vielleicht, dass wir unseres Leidens gar nicht achtsam gewahr werden müssen. Es ist doch offensichtlich, nicht wahr? Nein, eigentlich nicht. Natürlich spüren wir den Schmerz darüber, dass wir unseren Idealen nicht gerecht werden, aber unser Geist neigt dazu, sich auf das Scheitern zu konzentrieren und nicht auf den Schmerz, den es auslöst. Das ist ein entscheidender Unterschied. Wenn unsere ­Aufmerksamkeit ­vollständig von unseren wahrgenommenen Unzulänglichkeiten in Anspruch genommen wird, können wir keine Distanz dazu herstellen. Wir identifizieren uns übermäßig mit unseren negativen Gedanken oder Gefühlen und werden von unseren aversiven Reaktionen mitgerissen. Dieses ständige Grübeln verengt unseren Blick und hat negative Konsequenzen für unsere Selbstachtung (Nolen-Hoeksema, 1991): »Ich habe nicht nur versagt, ich bin eine Versagerin. Ich bin nicht nur enttäuscht, mein Leben ist enttäuschend.« Überidentifikation bedeutet, dass wir unsere momentane Erfahrung verfestigen und vorübergehende Ereignisse als endgültig und permanent wahrnehmen.

      Mit Achtsamkeit ändert sich jedoch alles. Anstatt unsere negativen Vorstellungen über uns selbst mit unserem eigentlichen Selbst zu verwechseln, können wir erkennen, СКАЧАТЬ