The New Jim Crow. Michelle Alexander
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Название: The New Jim Crow

Автор: Michelle Alexander

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

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isbn: 9783956141591

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СКАЧАТЬ Erfolge der Bürgerrechtsbewegung echte Opfer auf Seiten der weißen Amerikaner, und konservative Politiker erkannten, dass sie die Ressentiments der Weißen gegen die Schwarzen für sich nutzen konnten, indem sie gelobten, rigide gegen Kriminalität durchzugreifen. Ende der 1980er Jahre waren es jedoch nicht mehr nur die Konservativen, die Härte gegen das Verbrechen zeigen wollten und sich dabei einer Sprache bedienten, die den Befürwortern der Rassentrennung kaum nachstand. Politiker und Parteistrategen auf demokratischer Seite bemühten sich nun, ihren politischen Gegnern die Vorherrschaft auf dem Feld der Kriminalitäts- und Drogenbekämpfung durch die Befürwortung strengerer Gesetze streitig zu machen, um die Wechselwähler zurückzugewinnen, die zur Republikanischen Partei abgewandert waren. Pikanterweise wurden diese sogenannten »neuen Demokraten« von notorischen Rassisten unterstützt, allen voran vom Ku-Klux-Klan, der 1990 erklärte, sich »dem Kampf gegen Drogen« anschließen zu wollen, und sich als »die Augen und Ohren der Polizei« andiente.96 Progressive Kräfte, die sich im Kampf gegen Diskriminierung engagierten, schwiegen großenteils, wenn es um den Krieg gegen die Drogen ging, und verwendeten ihre Energie lieber auf die Verteidigung der Affirmative Action und anderer Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung.

      Anfang der 1990er Jahre brach der Widerstand gegen ein neues System rassistisch ausgerichteter Sozialkontrolle quer durch das gesamte politische Spektrum zusammen. Eine ähnliche politische Dynamik hatte ein Jahrhundert zuvor Jim Crow entstehen lassen. In den 1890er Jahren gaben die Populisten dem politischen Druck der sogenannten Redeemer nach, der konservativen Gegenreaktion, die mit ihren offen rassistischen und teilweise geradezu grotesken Jim-Crow-Gesetzen bei der weißen Unterschicht und Arbeiterklasse Anklang fand. Jetzt entstand ein neues rassistisch ausgerichtetes Kastensystem – die massenhafte Inhaftierung. Politiker jedweder Couleur wetteiferten miteinander um die Stimmen der weißen Unterschicht und der Arbeiterklasse, deren wirtschaftliche Lage prekär, wenn nicht desolat war und die sich von den Antidiskriminierungsmaßnahmen bedroht fühlten. Nicht zum ersten Mal wählten frühere Verbündete der Afroamerikaner – neben vielen Konservativen – eine politische Strategie, die zeigte, wie »hart« sie gegen »die Anderen«, die dunkelhäutigen Parias, vorgehen konnten.

      Das hatte direkte Auswirkungen. Mit dem rasanten Anstieg der Budgets der Strafverfolgungsbehörden schoss die Zahl der Gefängnisinsassen in die Höhe. Schon im Jahr 1991 stellte die Gefangenenhilfsorganisation Sentencing Project fest, dass in der gesamten Weltgeschichte noch nie in einem Land so viele Menschen hinter Gittern gesessen hätten wie in den USA und sich mittlerweile einer von vier jungen männlichen Afroamerikanern in den Fängen des Justizapparats befinde. Doch weder Demokraten noch Republikaner zeigten trotz der erschreckenden Auswirkungen ihrer drakonischen Politik auf die afroamerikanische Bevölkerung die geringste Neigung, die Inhaftierungswelle zu stoppen.

      Im Gegenteil. Im Jahr 1992 schwor der Präsidentschaftskandidat Bill Clinton, kein Republikaner werde sich im Vergleich mit ihm als der härtere Kämpfer gegen das Verbrechen profilieren können. Getreu dieser Devise flog Clinton nur wenige Woche vor der wichtigen Vorwahl in New Hampshire zurück nach Arkansas, um die Hinrichtung von Ricky Ray Rector zu überwachen, einem Schwarzen mit einem Gehirnschaden, der so wenig von dem begriff, was mit ihm geschah, dass er sich den Nachtisch seiner Henkersmahlzeit für den nächsten Tag aufheben wollte. Nach der Hinrichtung meinte Clinton: »Was immer man über mich sagt, niemand kann behaupten, dass ich nachsichtig gegenüber Verbrechern bin.«97

      Nach seinem Wahlsieg unterstützte Clinton die »Three Strikes«-Regel, die bei der dritten Verurteilung eine drakonische Haftstrafe vorsieht. Als er sich 1994 in der Ansprache zur Lage der Nation dafür starkmachte, applaudierten ihm demokratische wie republikanische Abgeordnete. Ein 30 Milliarden Dollar schwerer Gesetzesvorschlag zur Kriminalitätsbekämpfung, der im August 1994 Clinton zur Unterzeichnung vorlag, wurde als Sieg der Demokraten gefeiert, weil es ihnen gelungen war, »den Republikanern das Thema Verbrechensbekämpfung zu entreißen und zu ihrem eigenen zu machen«.98 Der Gesetzesvorschlag definierte eine Vielzahl neuer Kapitalverbrechen, sah für gewisse Taten bei der dritten Wiederholung automatisch die lebenslange Freiheitsstrafe sowie ein Budget von 16 Milliarden Dollar für den Bau von Gefängnissen und die Aufstockung der Polizei vor. Weit davon entfernt, der Entstehung eines neuen Kastensystems entgegenzuarbeiten, weitete Clinton den Krieg gegen die Drogen stärker aus, als es ein Jahrzehnt zuvor selbst die Konservativen für möglich gehalten hatten. Das Justice Policy Institute erklärte hierzu: »Die harte Linie der Regierung Clinton in der Kriminalpolitik hatte den stärksten Anstieg der Zahl der Inhaftierten in den Gefängnissen des Bundes und der Bundesstaaten zur Folge, die je ein Präsident in der amerikanischen Geschichte zu verantworten hatte.«99

      Schließlich übernahm Clinton auch die diskriminierenden Pläne der Konservativen zur Sozialpolitik. Zusammen mit der Politik der »Härte« war dies Teil einer groß angelegten, von den »neuen Demokraten« entwickelten Strategie, die heftig umkämpften weißen Wechselwähler zu gewinnen. Mehr als jeder andere Präsident trug Clinton damit zur Entstehung der gegenwärtigen Unterschicht-Kaste bei. Er unterzeichnete den Personal Responsibility and Work Opportunity Reconciliation Act, der »das Ende der Sozialleistungen, wie wir sie kennen« bedeutete. Das Programm »Familien in Not« (Aid to Families with Dependent Children, AFDC) ersetzte er durch einen pauschalen Zuschuss an Bundesstaaten für eine Beihilfe mit zeitlicher Begrenzung (Temporary Assistance for Needy Families, TANF). Diese staatliche Beihilfe war auf fünf Jahre begrenzt und schloss lebenslang alle von Sozialleistungen und Lebensmittelmarken aus, die sich eines Drogenvergehens schuldig gemacht hatten – darunter fiel auch der schlichte Besitz von Marihuana.

      Entgegen Versicherungen, dieser radikale Politikwechsel sei lediglich Ausdruck einer konservativen Finanzpolitik, diene also dem Bestreben, den ausufernden Staatsapparat einzudämmen und das Haushaltsdefizit zu reduzieren, gab der Staat damit keineswegs weniger Geld für das Armutsmanagement in den Städten aus. Es handelte sich lediglich um eine radikale Umschichtung der Ausgaben. Im Jahr 1996 war das Budget des Strafsystems doppelt so hoch wie die Gelder, die für Familienbeihilfen oder Lebensmittelmarken vorgesehen waren,100 und Geld, das früher in den sozialen Wohnungsbau investiert worden war, floss nun in den Bau von Gefängnissen. In der Amtszeit von Präsident Clinton kürzte Washington die Programme für sozialen Wohnungsbau um 17 Milliarden Dollar(61 Prozent), steckte dafür aber 19 Milliarden Dollar mehr in den Strafvollzug, eine Steigerung um 171 Prozent. Damit wurde der »Bau von Gefängnissen praktisch zum größten Wohnungsbauprogramm für die armen Stadtbewohner«.101

      Und Clinton ließ es dabei nicht bewenden. Fest entschlossen, Härte zu zeigen, machte er es möglich, jedem, der irgendwie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, eine mit Mitteln des Bundes geförderte Sozialwohnung zu verweigern – eine ungewöhnlich drastische Maßnahme mitten in einem Drogenkrieg, der sich gegen Minderheiten anderer Hautfarbe und Herkunft richtete. Clinton kündigte eine neue Strategie an: »Von nun soll es für Bewohner [von Sozialwohnungen], die Straftaten begehen oder mit Drogen handeln, heißen: Ein Fehltritt, und du fliegst raus.«102 Die neue Politik versprach »die strengsten Vergabe- und Kündigungsregeln, die es je im sozialen Wohnungsbau gegeben hat.«103 Dies traf vor allem die ärmere Bevölkerung und die ethnischen Minderheiten, gegen die der Krieg gegen die Drogen gerichtet war. Viele wurden obdachlos – sie wurden nicht nur aus der normalen Gesellschaft ausgeschlossen, sondern auch aus ihren Wohnungen.

      Die Idee von Recht und Ordnung, zuerst propagiert von fanatischen Anhängern der Rassentrennung auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung, war zwei Jahrzehnte später zur fast alles beherrschenden Gesellschaftsperspektive geworden. Mitte der 1990er Jahre galten der Krieg gegen Drogen und der Kurs der »Härte« im politischen Diskurs des Mainstreams als alternativlos. Wieder einmal hatte die Störung der herrschenden Rassenordnung – die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre – dazu geführt, dass unter Ausnutzung der prekären Lage und der Ressentiments der weißen Unterschicht ein neues, an der Rassenzugehörigkeit orientiertes soziales Kontrollsystem entwickelt wurde. Mehr als zwei Millionen Menschen saßen zu Beginn des 21. Jahrhunderts in den USA hinter Gittern, Millionen weitere waren an den Rand der Gesellschaft gedrängt, verbannt in einen politischen und sozialen Raum, der Jim Crow СКАЧАТЬ