Alles ist beseelt. Ashley Curtis
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Название: Alles ist beseelt

Автор: Ashley Curtis

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783905574043

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СКАЧАТЬ und von ihnen angetroffen werden.

      Die animistische Weltsicht ist ziemlich genau das Gegenteil der kartesianischen, und sollten Sie überzeugte Kartesianerin sein – welcher Spielart auch immer: religiös, materialistisch, existenzialistisch, humanistisch usw. –, wird Ihnen der vorige Absatz unstimmig erscheinen. Er muss ihnen sogar unstimmig erscheinen. Zu behaupten, ein Stein sei erfahrend, ist nicht so anders, als zu sagen, die Tapete habe Hunger. In der grundlegenden Annahme jeglicher kartesianischen Weltsicht existiert die physische Welt unabhängig von allem Bewusstsein. Sie ist leblos – das heißt, nicht erfahrend –, außer jenen wenigen Bestandteilen, die lebendig und bewusst sind. Für einen Kartesianer kann Animismus nur unstimmig sein.

      Aber wenn Animismus einem Kartesianer unstimmig erscheinen muss, wie können wir Kartesianer ihn dann fair beurteilen? Die Antwort ist offensichtlich: Wir müssen aus unserem Kartesianismus hinaustreten. Anders gesagt müssen wir unseren Glauben an die Grundsätze aus dem ersten kursivierten Absatz beiseitelegen, zumindest vorübergehend. Das ist leichter gesagt als getan. Wie können wir aufhören, an Dinge zu glauben, die so offensichtlich und selbstverständlich wahr erscheinen?

      Gar nicht – solange sie so offensichtlich und selbstverständlich wahr erscheinen. Natürlich können wir so tun als ob, aber solange wir es nicht wirklich ernst meinen, solange wir nicht zu der Überzeugung gelangen, dass unser grundlegender Kartesianismus gar nicht so offensichtlich und selbstverständlich wahr ist, können wir es vergessen mit einer fairen Chance für den Animismus.

      Somit stellt sich dieses Buch zwei eng miteinander verbundene Aufgaben. Nicht nur muss es uns Argumente bieten, warum die Annahmen des grundlegenden Animismus stimmig sind; zuerst muss es die des Kartesianismus auseinandernehmen, um glaubwürdig zu zeigen, dass sie eben nicht offensichtlich und selbstverständlich wahr sind. Erst dann ist die einstige Kartesianerin in der Lage, den Animismus fair zu beurteilen.

      •

      Um diese doppelte Mission zu erfüllen, ziehen wir kreuz und quer durch die Lande. Wir lernen etwas über die bekömmlichen Eigenschaften von Teerwasser, lesen Limericks über Bäume und Göttlichkeit, tauchen kurz ein in die Verzweiflung des größten Philosophen der englischsprachigen Welt, werfen einen Blick auf den Unterschied zwischen Autos auf einer Schnellstraße und fallenden Steinen, erfahren, warum so viele Professoren Artikel über Zombies schreiben, versenken uns in das Bewusstsein von Fledermäusen und Gürteltieren, sehen einem Mann dabei zu, wie er sich in einen Raben verwandelt, und einem anderen, wie er zum Elch wird, picknicken neben einer Eisenbahn, die sich Albert Einstein ausgedacht hat, messen die Schärfe von Chilis, betrachten Hamlet bei seiner eigenen Betrachtung von Suizid und überlegen, ob man von einer zufälligen Begegnung sagen kann, sie sei bedeutsam.

      Am Ende von all dem kehren wir dann zu Lynn White Jr. und seiner intellektuellen Bombe zurück. Sollte mein Versuch erfolgreich sein, wird Whites Wunsch nach einer praktikablen Entsprechung zum Animismus nicht mehr so abwegig wirken wie vielleicht jetzt gerade. Sollte ich keinen Erfolg haben, werden Sie zumindest eine Reise hinter sich haben, von der ich hoffe, dass sie gleichermaßen aufregend und spielerisch ist.

      Dieses Buch ist aus einer spielerischen Haltung heraus geschrieben, und ich wünsche mir, dass es Spaß macht. Aber ich habe es auch in vollem Ernst geschrieben. Ich hoffe, es wird in beiderlei Haltung gelesen.

      Die erste Behauptung des Kartesianismus lautet, die physische Welt existiere, mit oder ohne uns. Das ist gleichbedeutend mit der Aussage, die physische Welt bestehe aus Stoff – oder, eleganter ausgedrückt, aus Materie –, und dieser Stoff sei nun mal da, ob wir ihn nun wahrnähmen oder nicht. Im Kapitel »Der Gute Bischof« besuchen wir einen Philosophen, der die radikale Behauptung aufstellt, Materie existiere nicht – dass sogar das Konzept von Materie unstimmig sei.

      KAPITEL 1

       Der Gute Bischof

      Worin das Konzept von Materie hinterfragt und von einem Stuhl geträumt wird.

      1744 veröffentlichte der Bischof des irischen Cloyne das erfolgreichste Buch seines Lebens.28 Siris: Eine Kette von Philosophischen Betrachtungen und Untersuchungen über die Tugenden des Teerwassers erreichte innerhalb eines Jahres sechs Auflagen. 1752, ein Jahr vor seinem Tod, veröffentlichte der Bischof eine Fortsetzung, Weitere Gedanken zur Teerwasserfrage.

      Das bischöfliche Teerwasserrezept empfahl, ein Quart Holzteer in ein großes Glasgefäß zu geben und mit einer Gallone kaltem Wasser zu übergießen. Vier Minuten lang mit einer Kelle oder einem Stab umrühren, dann achtundvierzig Stunden stehen lassen. Danach die Flüssigkeit abgießen. Die Farbe sollte nicht heller sein als die von französischem Weißwein, nicht dunkler als die von spanischem. Abends und morgens eine halbe Pinte auf leeren Magen trinken; Kinder und »empfindliche Personen« sollten die Flüssigkeit verdünnt und dafür öfters trinken.

      Diese Kur, so der Bischof, heile allerlei Beschwerden. Er beschreibt eine Familie mit sieben Kindern während einer Pockenepidemie. Sechs der Kinder tranken Teerwasser und »durchstanden die Infektion sehr gut«. Das siebte »konnte nicht dazu bewegt werden, Teerwasser zu trinken«, und uns wird zu verstehen gegeben, dass es starb. Teerwasser kuriere wirksam »so viele purulente Geschwüre«, dass der Bischof es schließlich auch bei »anderen Verdorbenheiten des Blutes« anwandte, darunter »kutane Ausbrüche« und die »schändlichsten Krankheiten […] Pleuritis und Peripeumonie«.

      •

      Der Autor der Siris – vom großen Philosophen Immanuel Kant später als »der Gute Bischof« bezeichnet – bewarb Teerwasser so energisch aus Sorge um seine Gemeinde. In Cloyne, einer abgelegenen, armen Gegend, waren kurz zuvor die Pocken und Dysenterie ausgebrochen – oder wie es der Bischof anschaulich nannte, die »blutige Ruhr«.

      Ein Brief aus dieser Zeit an einen britischen Abgeordneten – »Die Plagen Irlands« – beschreibt das Land des Bischofs als »die elendigste Szenerie universellen Leides, von der je in der Geschichte zu lesen war«.29 Neben Krankheiten litt die Bevölkerung unter einer »Knappheit von Brot (die mancherorts einer Hungersnot gleichkommt)«. So sehr mangelte es an Brot, dass der Bischof in einer Solidaritätsgeste gegenüber seiner Gemeinde Mehl zum Pudern СКАЧАТЬ