Alles ist beseelt. Ashley Curtis
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Название: Alles ist beseelt

Автор: Ashley Curtis

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783905574043

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СКАЧАТЬ von 1973 benannte er es ganz klar: »Das religiöse Problem besteht darin, eine praktikable Entsprechung zum Animismus zu finden.«27

      Man könnte meinen, jetzt sei es an der Zeit, White aus dem Fenster zu werfen. Denn sein »religiöses Problem« ist ein ziemlich großes – vielleicht sogar noch größer als die potenziellen Probleme, die entstünden, wenn die obere Atmosphäre mit Schwefeldioxid angereichert würde. Und dieses »religiöse Problem« ist so groß, weil sich die meisten unserer Zeitgenossen einig sind, wenn sie sich denn bei irgendetwas einig sind, dass Animismus eben nicht praktikabel ist. Animismus – die Erfahrung, dass neben nichtmenschlichen Tieren auch Pflanzen, Flüsse, Berge, Wolken, Sterne, Steine und Wetterlagen nicht leblose oder unbelebte Bestandteile der Welt sind, sondern wahrnehmende und erfahrende Wesen – bedeutet für die meisten von uns primitive Illusion, das naive »magische Denken« abergläubischer, unaufgeklärter, vorwissenschaftlicher Völker. Von dieser Warte aus betrachtet, haben wir uns nicht etwa vom Animismus gelöst, weil wir einfach eine Lebensweise vorgezogen haben, in der der Mensch als von der Natur getrennt und über sie herrschend gilt (obwohl vielleicht auch das zutrifft), sondern weil unsere mühsam konstruierte, gewissenhaft überprüfte Wissenschaft einfach recht hat und der Animismus nicht. Und deshalb, Dr. White, selbst wenn wir uns alle miteinander wieder dem Animismus verschreiben wollten, um so unser eigenes Leben zu retten, das unserer Kinder und das unseres Planeten, könnten wir das gar nicht – genauso wenig, wie wir plötzlich, um unser eigenes Überleben zu sichern, glauben könnten, die Erde bilde das Zentrum des Sonnensystems oder die Sterne blieben bis in alle Ewigkeit an ihren Punkten am Himmelszelt. Denn das ist einfach nicht so.

      Dr. White, Ihre Ideen waren äußerst interessant; Sie schreiben ganz wunderbar, und Ihre Einsichten in die Technikgeschichte und deren Verflechtung mit der Religionsgeschichte sind aufschlussreich; aber wenn Sie jetzt verlangen, wir sollten eine Perspektive einnehmen, die eine »praktikable Entsprechung zum Animismus« ist, dann scheinen Sie den Bezug zum Möglichen verloren zu haben und müssen wohl doch zum Fenster raus.

       2

      Wie vielleicht abzusehen war, plädiere ich dafür, White nicht zum Fenster rauszuwerfen – zumindest noch nicht gleich. Bitte behalten Sie ihn drinnen, bis Sie diese Seiten fertig gelesen haben. Denn ich möchte mich dafür starkmachen, dass Animismus durchaus praktikabel ist – mich sachte, behutsam, spielerisch dafür starkmachen, aber auch ganz ernsthaft.

      Historisch gesehen ist der große Feind des Animismus das Christentum, Seite an Seite mit den kolonialistischen und kapitalistischen Unternehmungen, die es mit hervorbrachte. In meinem Plädoyer für den Animismus argumentiere ich aber nicht gegen das Christentum – da eben, wie White darlegte, der menschgemachte Dualismus nicht mehr dadurch belegt wird, wer in die Kirche geht und wer nicht. Das philosophische Gegenteil des Animismus ist weniger der historische Feind Christentum als eine tiefer verwurzelte, fast unsichtbare Weltsicht, die, wenngleich sie zu großen Teilen dem Christentum entstammen mag, heutzutage auch alle möglichen nichtchristlichen Überzeugungen stützt, ob atheistische, materialistische oder theistische.

      Diese grundlegende Weltsicht, das philosophische Gegenteil des Animismus, ist auch als Kartesianismus bekannt, benannt nach dem französischen Philosophen des 17. Jahrhunderts René Descartes, ihrem deutlichsten Vertreter. Hier ist eine Kurzfassung:

      Dieses Buch möchte zeigen, dass es mit diesem Absatz ein Problem gibt. Das Problem besteht nicht etwa darin, dass die Aussagen des Absatzes falsch wären – es ist noch viel schlimmer. Das Problem besteht darin, dass diese Aussagen unstimmig sind.

      •

      Es besteht ein riesiger Unterschied zwischen falschen und unstimmigen Aussagen, und er zeigt sich, wenn wir Aussagen über einen Mann namens Anton mit ähnlichen Aussagen über ein Stück Tapete vergleichen. Wenn ich sage, Anton habe Hunger, wenn Anton tatsächlich gerade eine große Mahlzeit verspeist hat und ihm beim Gedanken an auch nur eine weitere Gabel schlecht wird, dann ist meine Aussage falsch. Diese »Falschheit« ist recht leicht zu verstehen. Es braucht bloß das kleine Wort »kein«. Ich habe gesagt, Anton habe Hunger. In Wirklichkeit hat Anton keinen Hunger. Also ist meine Aussage inkorrekt.

      Behaupte ich aber, die Tapete habe Hunger, werden Sie mich wahrscheinlich ein bisschen schräg anschauen. In dem Fall denken Sie wahrscheinlich, mit mir stimme etwas nicht. Wenn ich sage, Anton habe Hunger, können Sie mir einfach antworten, nein, das stimmt gar nicht, Anton hat keinen Hunger, und nicht weiter daran denken. Sage ich aber, die Tapete habe Hunger, werden Sie mich wahrscheinlich nicht korrigieren und sagen, nein, die Tapete hat gar keinen Hunger. Es ist genauso seltsam, zu sagen, die Tapete habe keinen Hunger, wie zu sagen, die Tapete habe Hunger; Hunger ist einfach kein Wort, das sich sinnvoll auf Tapete anwenden ließe. Anstatt mich zu korrigieren und mir zu sagen, nein, die Tapete hat jetzt gerade keinen Hunger, würden Sie überlegen, was Sie eigentlich von mir denken, und falls ich auf meiner Aussage bestünde und es damit ernst zu meinen schiene, würden Sie sich fragen, ob ich womöglich ein bisschen irre sei. Und dasselbe würden Sie wahrscheinlich denken, wenn ich stattdessen darauf bestünde, dass die Tapete keinen Hunger habe. Sie würden denken, dass ich – nun ja, etwas von der Rolle sei.

      Wie kaum überraschen dürfte, möchte ich mit diesem Buch zeigen, dass die grundlegende Weltsicht aus besagtem Absatz – die kartesianische Weltsicht – weder richtig noch falsch ist wie die Aussage über Anton, sondern unstimmig wie die Aussage, die Tapete habe Hunger (oder keinen). Parallel zu diesem Argument möchte ich zeigen, dass es eine andere grundlegende Weltsicht gibt, die nicht unstimmig ist.

      Und ja, die grundlegende Weltsicht, von der ich behaupte, sie sei im Gegensatz zur kartesianischen stimmig, ist der Animismus. Genau wie die Grundlage des Kartesianismus trägt die des Animismus unterschiedlichste und potenziell widersprüchliche Weltauffassungen. Im Einzelnen sind viele dieser Weltauffassungen schriftlich belegt, manche durch Angehörige überlebender animistischer Völker, andere durch Anthropologen, die versucht haben, in animistische Kulturen einzutauchen. Betrachten wir diese faszinierende Vielfalt in ihrer Gesamtheit, sieht die grundlegende animistische Weltsicht – die den vielen heutigen oder früheren Varianten des Animismus in der ganzen Welt gemein ist – wie folgt aus:

      Die physische Welt ist nicht leblos. Alles in ihr ist in irgendeiner Weise (nicht unbedingt einer biologischen) lebendig und bewusst; das heißt, alles in ihr ist erfahrend. Diese Erfahrung nimmt höchst unterschiedliche Formen an und kann von der menschlichen Erfahrung СКАЧАТЬ