Alles ist beseelt. Ashley Curtis
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Название: Alles ist beseelt

Автор: Ashley Curtis

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783905574043

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СКАЧАТЬ »Die Realität des angewandten Umweltschutzes«, hieß es, »ist zu komplex und nuanciert für [eine solche] moralische Überzeugung.«18

      Völlig konträr zu White glaubt derweil eine weitere Fraktion von Denkern, die sogenannten Ökomodernisten, dass naturwissenschaftliche und technische Lösungen uns sehr wohl aus der Krise führen würden, dass unsere »Religion« irrelevant sei und Whites Anliegen kontraproduktiv, da er uns damit auffordere, einen menschzentrierten Lebensstil aufzugeben, der mühevoll erreicht worden sei und viele Vorzüge aufweise. Laut den Ökomodernisten sei niemand ernsthaft gewillt, unseren derzeitigen, sich ständig verbessernden Lebensstandard gegen die Armut, Anstrengungen, gesundheitlichen Mängel und die allgegenwärtige Gewalt vorindustrieller Gesellschaften einzutauschen. Ökomodernisten verwerfen somit das Ideal, »demzufolge die menschliche Gesellschaft in Einklang mit der Natur leben muss«, und beharren darauf, »dass die Erde ein menschlicher Planet ist«19. In Anbetracht der ökologischen Krise bevorzugen sie technologiegetriebene Lösungen, mitunter eine drastische Ausweitung der Nuklearenergie, kluge Urbanisierung, Intensivierung der Landwirtschaft mittels genetisch veränderter Nutzpflanzen sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung. Manche befürworten auch offen die Idee des Geo-Engineerings – im wahrsten Sinne des Wortes ein Herumbauen am Planeten Erde.

      Mithilfe von Geo-Engineering soll die Klimakrise durch Technologien von noch größerem Ausmaß entschärft werden.20 Zu den Ideen gehört, mit riesigen Maschinen Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu saugen; genetisch veränderte Pflanzen mit effizienteren (schwarzen) Silikonblättern zu züchten; Milliarden von Alufolienstreifen durch die Erdumlaufbahn segeln zu lassen, um Sonnenlicht umzuleiten; Schwefeldioxid in die obere Atmosphäre einzuspeisen, um Sonnenstrahlung abzuhalten; die Weltmeere mit Eisenschlamm zu düngen, um Meerespflanzen bei der Aufnahme von Kohlendioxid anzutreiben; und, als jüngste Idee, die Antarktis mit Billionen Tonnen Schnee künstlich zu beschneien, um den Kollaps des Westantarktischen Eisschilds aufzuhalten – ein Kollaps, der den Meeresspiegel ansteigen lassen und Küstenstädte fluten würde.

      •

      White und die Ökomodernisten haben ganz offensichtlich das gemeinsame Ziel, die Klimakrise einzuhegen. Allerdings könnten ihre Ansichten, wie und warum wir das tun sollten, nicht weiter auseinandergehen. Am klarsten zeigt sich dieser Gegensatz in ganz unterschiedlichen Reaktionen auf ein berühmtes Foto: Die Blaue Murmel.

      Die Blaue Murmel ist eine Aufnahme mit Symbolcharakter. Es handelt sich um ein Foto vom Planeten Erde, geknipst aus einer Entfernung von 29 000 Kilometern von einem der Astronauten der letzten bemannten Mondmission. Das Bild hat eine starke Wirkung. Michael Pollan schreibt:

      Der Anblick dieses »hellblauen Punkts«, der in der unendlichen schwarzen Leere des Weltraums hing, löschte die Landesgrenzen auf unseren Karten aus und machte die Erde klein, verletzlich, einzigartig und kostbar. […] Die Kraft dieser neuen Perspektive [diente] als Inspiration für die moderne Umweltbewegung sowie die Gaia-Hypothese, [die] Vorstellung, dass die Erde und ihre Atmosphäre gemeinsam einen einzigen lebenden Organismus bilden.23

      Diesen hellblauen Punkt live und leibhaftig zu sehen (noch bevor das berühmte Foto entstand), bewirkte in Edgar Mitchell, einem Besatzungsmitglied der Apollo 14, eine mystische Erfahrung:

      Und plötzlich begriff ich, dass die Moleküle meines Körpers, die Moleküle meines Raumschiffs und die Moleküle im Körper meiner Partner in einer uralten Generation von Sternen geformt und erzeugt wurden. [Ich verspürte] ein überwältigendes Gefühl des Einsseins, der Verbundenheit. […] Es war nicht »sie und wir«, es war: »Das bin ich! Das ist das Ganze, alles ist eins.« Und es war von einer Ekstase begleitet, einem Gefühl wie »O mein Gott, Wahnsinn, ja« – einer Erkenntnis, einer Offenbarung.24

      White bestätigt die Wirkungsmacht des Bildes. Doch dann schwenkt er in eine ganz andere Richtung als Pollan oder Mitchell:

      Nichts berührte den amerikanischen Geist mehr als die Reaktion unserer Astronauten auf den Anblick dieses Planeten vom Weltall aus; man sprach vom »Raumschiff Erde«. Ökologisch gesehen ist diese Metapher eigentlich furchterregend. Ein Raumschiff ist ein durch und durch menschliches Konstrukt, ausschließlich entworfen, um menschliches Leben zu ermöglichen, zu keinem anderen Zweck. Es ist kein Zufall, dass einige unserer Raumfahrer auf der Reise zum Mond aus der biblischen Schöpfungsgeschichte lasen: Schließlich ist die Schöpfung in der jüdisch-christlichen Tradition bis ins Detail auf menschliche Nutzung und Erbauung ausgelegt, zu keinem anderen Zweck. Diese Gleichgültigkeit gegenüber einer möglichen Autonomie in anderen Lebewesen hat unsere Art technischer Entwicklung stark begünstigt und so die Verschmutzung unserer Weltkugel maßgeblich angetrieben.

      Die Raumschiffmentalität ist die Krone des desaströsen menschzentrierten Blicks auf die Natur der Dinge und die Dinge der Natur, und ihr heutiger Reiz besteht darin, scheinbar ökologische Lösungen anzubieten, ohne dass bestehende Vorstellungen geopfert werden müssten. Wir befinden uns in größerer Gefahr, als wir denken.25

      Die Ansätze der Ökomodernisten und des Geo-Engineerings sind der Inbegriff dessen, was White als »ökologisch furchterregend« empfand, nämlich den Planeten immer expliziter in ein menschgemachtes Raumschiff zu verwandeln und dabei nach Lösungen zu greifen, ohne »bestehende Vorstellungen« opfern zu müssen. 1967 warnte White vor den möglichen Folgen solcher Eingriffe:

      Was sollen wir tun? Bis jetzt weiß niemand eine Antwort. Wenn wir nicht beginnen, über die Grundtatsachen nachzudenken, werden unsere Teilmaßnahmen neue Rückschläge bewirken, die gefährlicher sind als jene, die sie kurieren sollen.26

      Derlei mögliche Rückwirkungen, im ökomodernistischen Optimismus ausgeblendet, lagen für White auf der Hand; als Historiker und Experte für mittelalterliche Technik war er sich nur allzu bewusst, wie oft in der Technikgeschichte gute Absichten von Verkettungen unbeabsichtigter Nebenwirkungen verdrängt wurden.

      Allerdings muss man kein Mittelalterforscher sein, um das zu erkennen; vertraute Technologien jüngerer Zeitalter bieten genügend Beispiele. Das Wunder der Mobilität, geschaffen durch Automobil und Flugzeug; der Traum von billiger und unerschöpflicher Kernkraft; günstige, massenproduzierte Artikel seit der Industriellen Revolution; der Anstieg landwirtschaftlicher Produktivität dank chemischer Dünger und Pestizide; die Effizienz von Monokulturen und fabrikartiger Viehhaltung; das Phänomen der Verbundenheit durch Internet und Smartphone – all das hat seine Kehrseiten: Umweltverschmutzung; überwältigende Erderwärmung; bedrohliche Bestände von Atommüll und -waffen; Massenkonsum auf der Basis geplanten Verschleißes und Neukauf anstelle von Reparatur, mit der Folge weltweit wachsender Berge giftigen Schrotts; erschöpfte Böden; versiegte und verschmutzte Grundwasservorräte; eine drastisch schrumpfende Artenvielfalt; und, inmitten der am stärksten vernetzten Gesellschaft aller Zeiten, bindungslose Einsamkeit. All das gibt kaum Anlass zu Optimismus hinsichtlich der noch weitreichenderen Eingriffe, die sich Fürsprecher des Geo-Engineerings ausmalen.

      •

      White fragte: »Was sollen wir tun?«, und antwortete: »Bis jetzt weiß niemand eine Antwort.« Aber eigentlich hatte er eine ziemlich genaue Vorstellung. Wir sollten »zu einer neuen Religion finden« – und damit meinte er wie gesagt nicht, zu einer anderen Konfession zu konvertieren, sondern uns von bestimmten grundlegenden Werten zu befreien, die zweitausend Jahre Christentum in unserer religiösen wie säkularen СКАЧАТЬ