Habermas leicht gemacht. Georg Römpp
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Habermas leicht gemacht - Georg Römpp страница 18

Название: Habermas leicht gemacht

Автор: Georg Römpp

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Leicht gemacht

isbn: 9783846344255

isbn:

СКАЧАТЬ Handeln aus der Perspektive des Handelnden rational war. Es geht also nicht darum, dass es aus unserer Perspektive oder aus der Sicht einer übergeordneten Instanz, die ein überlegenes Wissen über Rationalität besitzt, rational war, sondern es geht um die Rationalität einer Handlung aus der Perspektive des Akteurs. Wir dürfen an diese Rationalität allerdings keine sehr hohen Ansprüche stellen, d. h., wir werden nicht fordern, dass der Handelnde seine Gründe vor der letzten Instanz der reinen Vernunft rechtfertigen könne. Im Grunde heißt ‚rational‘ hier nur, dass jemand mit Gründen gehandelt hat, die aus einer anderen Perspektive gut oder schlecht genannt werden können. Gründe in diesem Sinne können auch Wünsche, Leidenschaften, Befehle oder das Bewusstsein von einer moralischen Verpflichtung sein.

      Davidson kommt in seiner Theorie des Handelns schließlich zu dem Versuch, Gründe als Ursachen aufzufassen, was durchaus an Aristoteles angeschlossen werden kann. In der Handlungstheorie vor Davidson war dies jedoch anders gesehen worden, weil man der Auffassung war, dass zwischen Grund und Handlung auf logisch-begrifflicher Grundlage eine so enge Beziehung besteht, dass man Gründe und Handlungen [<<58] nicht als zwei unterschiedene Ereignisse auffassen könne, weshalb man auch keine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen beiden annehmen dürfe. Allerdings geht Davidson nicht so weit, Handlungen auf der Grundlage allgemeiner Gesetze – wie in der Form deterministischer Naturgesetze – erklären zu wollen, was seine Theorie in die Schwierigkeit bringt, von Kausalität ohne Gesetzesform sprechen und schließlich eine Theorie vom ‚anomalen‘ Charakter des Mentalen heranziehen zu müssen (a-nomal bedeutet hier nicht-gesetzesförmig). Wir müssen an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

      Wichtig ist jedoch, dass bis in unsere Gegenwart – Donald Davidson einschließend – Handlungen nicht als etwas angesehen wurden, das ohne Bezugnahme auf die Gründe des Handelnden selbst erklärt werden könne. Auch wenn Davidson die Gründe schließlich als Ursachen zu verstehen sucht, so nimmt er doch nicht an, dass eine entsprechende Handlungserklärung ‚von außen‘ gelingen könne, also nur aus der Perspektive des Erklärenden. Die Perspektive des Handelnden ist offenbar stets dann unverzichtbar, wenn es darum geht, Handlungen als solche zu erklären und sie nicht als ein Verhalten aufzufassen, das in der Welt so geschieht, wie ein Massenpunkt sich auf einen anderen Massenpunkt zubewegt, wie wir dies durch die Gravitationstheorie erklären können.

      Aus der Struktur von belief und desire ergibt sich, dass von einer Handlung nur dann zu sprechen ist, wenn der Handelnde über ein gewisses Maß von Wissen verfügt. Dieses Wissen kann für uns, die sein Handeln beobachten und erklären, als falsch gelten und insofern kein Wissen darstellen, aber für den Handelnden selbst gilt doch, dass er es als ‚wahr‘ auffassen muss, zumindest in dem schwachen Sinne, dass es ‚belastbar‘ ist, um seine Handlung, mit der er sein desire verwirklichen bzw. erfüllen will, gerade so und nicht anders auszuführen. Ein solches Wissen kann u. U. Naturgesetze umfassen, die für die Erfüllung des aktuellen Strebens (desire) wichtig sind, es kann aber auch ein Erfahrungswissen darstellen auf der Basis der in der Vergangenheit erlebten Erfolge oder Misserfolge mit Handlungsversuchen. In der Regel ist das Handeln mit einem prognostischen Wissen verbunden, d. h., der Handelnde muss die Folgen abschätzen können und darüber hinaus auch die nicht beabsichtigten Nebenwirkungen, um zu einer ‚rationalen‘ Entscheidung über die Wahl seines Handelns gelangen zu können. In vielen Fällen kann es darüber hinaus notwendig sein, ein soziales Wissen einzuschließen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit von Handlungen einschätzen zu können, deren Erfolg von anderen Menschen oder von der Orientierung an sozialen Regeln und/oder Gesetzen abhängig ist.

      Die Theorie des Handelns und seiner Auszeichnungen begann bei Aristoteles damit, dass Handeln von Verhalten und von Ereignissen in der Welt dadurch unterschieden wurde, dass bei Ersterem das ‚bewegende Prinzip‘ (arche) – der Grund – im [<<59] Akteur selbst gesucht werden muss, weil eine Handlung nur dadurch zu verstehen ist, dass der Akteur selbst sich der besonderen Umstände seiner Handlung bewusst sein kann – nicht aber der äußere Beobachter des Ereignisses, in dem sich die Handlung in der Welt aus der Perspektive der anderen Menschen zeigt. Das Begehren und die Glaubensüberzeugungen des zum Handeln fähigen Wesens führen zu seiner Wahl bzw. Entscheidung, und diese Wahl/Entscheidung ist die Wirkursache der Handlung.

      Von dieser Auffassung führte ein langer Weg bis zu der Auszeichnung des Handelns gemäß der Max Weber’schen Bestimmung von Handeln durch das Erleben von subjektivem Sinn, die einen aristotelischen Kern bewahrte, obwohl sie doch in soziologischer Absicht entstand und beide Auffassungen keineswegs identifiziert werden sollten.

      2.2.3 Handlungsverstehen und Gründeverstehen

      Für die Sozialwissenschaften als Wissenschaften von Handlungen bzw. vom sozialen Handeln gilt nach Habermas, dass sie Handlungen nur dann als solche beschreiben können, wenn sie sich mit den Gründen beschäftigen, die der Handelnde mit seinen Handlungen verbindet. Eine Handlung wird aber dann nicht als mit Gründen versehen und aufgrund von Gründen vollbracht bezeichnet, wenn nur die Äußerungen des Handelnden beschrieben werden. Damit ist er in diesem Denkzusammenhang nicht als Handelnder aufgefasst. Vielmehr besteht nach Habermas

      

„ein fundamentaler Zusammenhang zwischen dem Verständnis kommunikativer Handlungen und im Ansatz rationalen Deutungen. Fundamental ist dieser Zusammenhang, weil sich kommunikative Handlungen nicht zweistufig deuten, zunächst in ihrem faktischen Ablauf verstehen und dann erst mit einem idealtypischen Ablaufmodell vergleichen lassen.“ (TkH1 170)

      Einer solchen Auffassung setzt Habermas entgegen, dass der Sozialwissenschaftler Handlungen nur angemessen verstehen kann, wenn er einen Hintergrundkonsens, eine gemeinsame Verstehensbasis und damit eine gemeinsame rationale Basis mit den Handelnden besitzt.

      Auch ein „virtuell, ohne eigene Handlungsabsichten teilnehmender Interpret kann … den Sinn eines faktisch ablaufenden Verständigungsprozesses nur unter der Voraussetzung deskriptiv erfassen, dass er das Einverständnis und den Dissens, die Geltungsansprüche und die potentiellen Gründe, denen er konfrontiert ist, auf einer gemeinsamen, von ihm und den unmittelbar Beteiligten prinzipiell geteilten Grundlage beurteilt.“ (TkH1 170f.) Insofern tritt er als Sozialwissenschaftler stets in eine Auseinandersetzung mit dem Handelnden und dessen Gründegeben ein. Anders gesagt: [<<60] Habermas’ Behauptung lautet hier, dass man Gründe nicht beschreiben kann wie in der Welt vorkommende Gegenstände. Versuchte man dies, so würde man etwa physikalisch beschreibbare Laute wiedergeben, d. h., man würde den Begründenden zitieren, was aber nicht bedeutet, seine Gründe als Gründe zu verstehen. Dagegen setzt Habermas:

      

„Die Beschreibung von Gründen verlangt eo ipso eine Bewertung auch dann, wenn sich der, der die Beschreibung gibt, außerstande sieht, im Augenblick ihre Stichhaltigkeit zu beurteilen. Man kann Gründe nur in dem Maße verstehen, wie man versteht, warum sie stichhaltig oder nicht stichhaltig sind.“ (TkH1 169f.)

      An einer Stelle gibt Habermas ein Beispiel für die gerade ausgeführte Notwendigkeit des Sinnverstehens und der rationalen Nachkonstruktion für das Verstehen von Handlungen. Das Beispiel bezieht sich auf eine gesuchte Erklärung für ein zunächst in seiner Motivation unbekanntes Lachen aus dem Publikum, das ein Redner wahrnimmt. Die Frage lautet also nun: Wie kann der Redner diese Handlung des Lachens wirklich verstehen? Habermas’ Antwort lautet wie folgt: „Der Interpret weiß auch im letzten, dem zunächst am wenigsten plausiblen Fall nicht, wie er die Publikumsreaktion verstehen soll, solange er sich aufgrund der verfügbaren Evidenzen nicht entscheiden kann, ob einige Zuhörer eine unbeabsichtigte Pointe in den Äußerungen des Redners entdeckt, ob sie den Redner missverstanden oder ob sie ihn ausgelacht haben – und wenn sie über eine unbeabsichtigte Pointe gelacht haben, ob es wirklich eine Pointe war oder warum diese ihnen nur als eine solche erscheinen musste. Er muss die Gründe verstehen, die dafür angeführt werden können, dass diese СКАЧАТЬ