Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz
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Название: Traumafolge(störung) DISsoziation

Автор: Zora Kauz

Издательство: Автор

Жанр: Медицина

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isbn: 9783969405482

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СКАЧАТЬ und vor allem dass solch eine Situation gut überstanden werden kann, schenkt das Gehirn sogar ein Hochgefühl durch körpereigene Glücksgefühle. Essentiell ist hierbei, dass diese Reaktion stattfinden konnte und der Körper die restliche Energie wieder „runter fahren“ darf, nachdem er sie sinnvoll gebraucht hat. Dass also nicht im Alarmzustand haften geblieben wird. Wenn wir aber mit aktivem Tun nichts ändern können, wir also hilflos sind, um dem Tod zu entgehen, dann kommt es zu dem weiteren Überlebensreflex bzw. dem nächsten Mechanismus in der Überlebens-Kettenreaktion: Freeze and Fragment (einfrieren und fragmentieren): Wir erstarren im Schockzustand, sind handlungsunfähig und gelähmt, wobei wir innerlich zunächst noch in einem sehr hohen Erregungszustand sind, da alle Energie für einen möglichen Kampf oder die Flucht bereits bereitgestellt wurde. Wir sind also wie erfroren, meist auch tatsächlich kalt, atmen sehr flach, aber schnell, sind innerlich für alles bereit. Die durch die Todesangst übermäßig produzierten Stresshormone blockieren die normale Integration dessen, was wir wahrnehmen. Wir sind also nicht bei vollem Bewusstsein, wenn wir Bewusstsein als integrativen Prozess betrachten. Die Informationen, die sonst eine beschreibbare Erinnerung bilden, zerbrechen in Einzelteile und bleiben ohne Beschriftung im limbischen System als akute Empfindung hängen, weil, vereinfacht geschrieben, der Austausch zwischen Amygdala und Hippocampus blockiert ist. So erreichen die einzelnen Wahrnehmungsaspekte keine passenden Orte in der Großhirnrinde, wo sie als Erinnerung erkennbar wären. Wenn die Bedrohung weiter da ist, schaltet sich der Parasympathikus zunehmend ein und wir fallen gänzlich in die Selbstaufgabe und Unterwerfung – submit. Wir werden unfähig, uns zu bewegen, weil die Angst uns lähmt, wobei manche ohnmächtig werden. Es gibt diesen Punkt, da schaltet der Körper ab. Dann ist alles tot. Dann ist da nur noch Kälte. Sonst nichts. Ich kann nichts mehr spüren, aber auch nichts bewegen. Abgesehen vom Ausgeliefertsein, durch die Lähmung, ist es aber kein schlimmer Zustand. Dieses Erleben ist für mich etwas, das in der standardisierten Aufreihung von „fight-flight-freeze“ vergessen wird. Darum schreiben wir auch immer von fight-flight-freeze-submit (siehe Grafik unten). Weil es etwas gibt, dass viel kälter ist, als das freeze. Es mag von außen sehr ähnlich aussehen; wir sind unbewegt und eher kalt und ggf. mit starrendem Blick. Aber das Erleben ist ein gänzlich anderes. Im freeze ist noch Todesangst da. Da ist es noch schrecklich angespannt und das Nervensystem in der Bereitschaft in flight umzuschalten, falls möglich. Das ist ein extrem leidvolles Erleben der Todesangst. Die Lähmung „danach“, ist nicht leidvoll. Es ist der vermutlich traurigste Zustand, den ich kenne, aber nicht im Moment selbst, sondern nur, wenn ich ihn danach beschreibe. Traurig, weil hier alles schon aufgegeben ist. Auch die letzte Hoffnung auf Bindung zur Welt, zum Leben, zu uns selbst, ist vergangen. Dieser Zustand ist total okay, denn wenn wir dann sterben, dann ist es wenigstens vorbei. Dann hört der Schmerz auf. Dann geht die Kälte weg. Dann ist es endlich vorbei. Der Tod ist in seinem Kommen akzeptiert, mit jedem Ausatmen ist es mehr okay, dass wir gerade Sterben. Danach ist es schlimm. Es ist ertränkend traurig. Es ist wie richtiges Trauern, um das Sterben. Ich bin mir noch nicht sicher, ob Trauern um das, was verstorben ist/scheint oder darum, dass das Sterben aufhörte und wir zurück auf die Erde gekracht sind. Traurig ist es auf jeden Fall. Aber in diesen relativ ganzheitlichen Lähmungszuständen ist der Angst-Terror nicht da. Leider ist dieses „Ja, es ist ok jetzt zu sterben.“ nicht kognitiv durch Mantras willentlich herzustellen. Also für mich zumindest nicht. Wenn, dann kommt das vom Körper bzw. von ganz tief innen.

      Die sogenannte tonische Immobilität, also eine Unfähigkeit, sich zu bewegen, wirkt nicht unbedingt traumatisch. Sie begründet das Trauma aber, wenn sie mit Angst und Hilflosigkeit oder Bedrohung verknüpft ist. So ist auch die Lähmung an sich nicht traumatisierend, da sie aber mit der Todesangst verbunden ist, bleiben wir in dem Wissen, dass wir Angst nicht überleben können. Und schon das Herzrasen lässt uns später instinktiv dissoziieren, weil das die Technik ist, mit der wir es doch überlebt haben. Dissoziation ist ein Phänomen, welches vitale Funktionen hat, auch wenn es später nicht mehr so scheint, doch würde es ohne diese Wichtigkeit nicht biologisch garantiert werden.

      Ein Trauma ist also nicht einfach etwas Schlimmes, was uns zustößt, oder eine chronische Abfolge von schrecklichen Erlebnissen. Es ist etwas, das grundlegend unsere neuronalen und biologischen Abläufe in Stresssituationen und körperlichen Empfindungen bzw. deren Verarbeitungsprozesse und Erinnerungsspeicherung beeinflusst und verändert. Von außen kann nicht entschieden werden, ob etwas traumatisch ist oder nicht, jedoch findet der Begriff alltäglich veränderte Verwendung, weil jeder Schrecken und aller Stress als Trauma bezeichnet wird. Auch nicht all das, was traumatisch wirkt, ist unbedingt traumatisierend, weil es ggf. abgefangen werden kann, weil es danach kein „allein bleiben“ gibt oder weil es zwar zu Bedrohung und Angst, aber nicht zu Todesangst kommt. So vermittelt die inflationäre Verwendung des Begriffs ein falsches Bild, weil dadurch Dinge kleingeredet bzw. fehlerhaft verglichen werden. Ob Trauma oder nicht, Leid lässt sich nicht objektiv vergleichen. Ohnehin ist jedes Trauma individuell, auch wenn Verletzungen verschiedener Menschen in derselben Situation entstanden. Chronische Traumatisierungen in der Kindheit formen die Ent- oder auch Ver-wicklung unseres Gehirns. Gedanken, Gefühle, Verhalten, Empfindungen, Wahrnehmungen werden nicht verknüpft gespeichert, Informationen anders organisiert. Die Traumata malten verzerrte Weltbilder und wir haben viele verschiedene davon auf einmal in uns, weil wir, als einzelne „Anteile“, voneinander getrennt und jede_r für sich, uns an unser jeweiliges Weltverständnis anpassten. So zerstört oder verhindert es auch unser Selbstbewusstsein, im wörtlichen Sinn, denn es gibt lange kein Bewusstsein darüber, wer wir sein könnten. Es wird gesagt, dass Zeit für alle Wunden Heilung bringt. Doch Traumata sind Verwundungen, die die Zeit von allein nicht heilt.

      Wir glauben, Nichts zu sein. Die tote Kälte lebt in uns, weil wir nicht (von allein) in einen Normalzustand kommen und uns innerlich verstorben scheinen.

      Nichts – und wenn doch etwas, dann schwach und erbärmlich, denn als es um unser Überleben ging, konnten wir uns kein Stückchen bewegen, kein kleines bisschen, es war uns nicht möglich, weil wir von der Angst gelähmt waren. Wir müssen also mit einer Grundstabilität an dieses Gefühl der Lähmung ganz langsam, Schritt für Schritt herantreten, um nicht von den verknüpften Gefühlen überfordert zu werden und zu dissoziieren. Deshalb funktioniert auch das: „Mach das doch einfach“ oder „Jetzt stell dich nicht so an“ nicht. Wir stellen uns nicht einfach an, und zu schnelle oder heftige, besonders unerwartete Konfrontationen führen, wenn wir nicht bereit sind, zur erprobten Dissoziation oder zu einer Retraumatisierung. Das Tempo ist nicht von außen zu steuern. Leider, denn es braucht so unfassbar viel Ausdauer, „all das“ langsam, stückweise auszubuddeln, aber anders wäre es nur wieder überwältigend. Zum Glück, denn es soll ja um das Erfahren eigener Handlungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit gehen.

      „Boah, bist du ein Tier.“ – Diese Aussage kann wohl bedeuten, dass eine sportliche Leistung erbracht wurde. So sagen manche Menschen statt: „Hast du aber eine Ausdauer“, oder: „Du bist ja richtig stark“, eben: „Boah, bist du ein Tier.“

      Und das sind wir alle. Ein bisschen zumindest. Oder ziemlich sogar (wenn wir all die schönen entwicklungsgeschichtlich neuen Hirnareale mal weglassen). Unser peripheres Nervensystem ist nämlich sehr tierisch. So auch zentral der Hirnstamm (in der Psychotraumatologie oft als Reptilien-Hirn bezeichnet), etwas in dem Organ, weswegen wir glauben, so ganz anders, „die Krone der Schöpfung“ zu sein. (Ich glaub ja nicht, dass wir damit zu krönen sind.) Menschen haben sich nur so weit von instinktiven Wurzeln entfernt, dass sie diese nicht nur nicht spüren, sondern oft sogar verleugnen. Aber wir sind nun mal Säugetiere.

      Unser Nervensystem wird einerseits nach Form und Struktur gegliedert: Es gibt das zentrale Nervensystem; Gehirn und Rückenmark. Und das periphere Nervensystem, das ist quasi der ganze Rest, alles was sonst an Nerven im ganzen Körper verteilt ist und uns glücklicherweise „nervt“.

      Funktionell wird es ebenfalls in zwei große Kategorien unterteilt: einerseits das somatisch/animalisch/willkürliche Nervensystem, für, wie der Name verrät, willkürliche Muskelkontraktionen oder bewusstes Wahrnehmen, und das autonome/vegetative/unwillkürliche СКАЧАТЬ