Nachdenken und vernetzen in Natur, Mensch, Gesellschaft (E-Book). Dominik Helbling
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СКАЧАТЬ Die Fähigkeit, fiktives von gesichertem Wissen unterscheiden zu können, zielt vorwiegend auf die Teilaufgaben «Lebensvorbereitung» und «Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch» (siehe Tab. 3). Die Auseinandersetzung mit dem Wandel populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Vorstellungen zu einem Thema ermöglicht allgemeine Einblicke in die Art und Weise, wie Wissen entsteht, und fördert die Einsicht in dessen Vorläufigkeit.

      •In Bezug auf den Lehrplan: Lässt sich die Fragestellung aus den Kompetenzen von NMG herleiten? Obschon im Lehrplan 21 als inhaltliches Stichwort nicht aufgeführt, lässt sich das Unterrichtsthema perspektivenübergreifend an verschiedene Kompetenzbereiche des Lehrplans sinnvoll anbinden (siehe Abb. 4).

      •Können durch die Fragestellung elementare Wissensbestände mehrerer Perspektiven von NMG erschlossen und zueinander in Beziehung gesetzt werden im Sinne eines perspektivenübergreifenden Unterrichts? Oder: Können Akteure identifiziert werden, die neue und andere Wissensbestände und Sichtweisen zur Beantwortung der Frage beisteuern können im Sinne eines transperspektivischen Unterrichts? Die Fragestellung kann nur unter Beiziehung unterschiedlicher fachlicher Wissensbestände befriedigend angegangen werden (siehe dritten Punkt).

      •Ist die Fragestellung komplex und kann deshalb weder mit einer einfachen Zustimmung noch Ablehnung beantwortet werden? Enthält sie Spannungsfelder zwischen unterschiedlichen Interessen oder zwischen Haupt- und Nebenfolgen von Entscheidungen oder Verhaltensweisen? Durchaus, da eine einfache und abschliessende Antwort bei dieser Fragestellung nicht möglich ist: Eine Diskussion um «echt» oder «fiktiv» ist schon aus erkenntnistheoretischen Überlegungen nicht einfach zu führen.

      Die knappe Beantwortung der Prüffragen bestätigt, dass es tatsächlich pädagogisch sinnvoll sein könnte, wenn sich Schülerinnen und Schüler über längere Zeit mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Dinosaurier echt sind. Ausgehend von der übergeordneten Frage und einer darauf basierenden Sachanalyse könnten Schülerinnen und Schüler unter anderem untersuchen, wie und warum sich die Darstellungen von Dinosauriern im Laufe der Zeit verändert haben. Zentrale Ziele eines an dieser übergeordneten Frage ausgerichteten Unterrichts lägen dann darin, die Herkunft unseres Wissens und unserer Bilder zu hinterfragen und über Grundlagen für die Unterscheidung zwischen Realem und Fiktivem nachzudenken. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass dieses Unterrichtsthema aufgrund der übergeordneten Fragestellung das Potenzial besitzt, Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, «Phänomene und Zusammenhänge der Lebenswelt wahrzunehmen und zu verstehen, selbstständig, methodisch und reflektiert neue Erkenntnisse aufzubauen, Interesse an der Umwelt neu zu entwickeln und zu bewahren, anknüpfend an vorschulische Lernvoraussetzungen und Erfahrungen eine belastbare Grundlage für weiterführendes Lernen aufzubauen, in der Auseinandersetzung mit den Sachen ihre Persönlichkeit weiter zu entwickeln sowie angemessen und verantwortungsvoll in der Umwelt zu handeln und sie mitzugestalten»[57].

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      Perspektivenübergreifendes Sachlernen in Kindergarten und Unterstufe?

      Es ist in diesem Text wiederholt darauf hingewiesen worden, dass sich der Unterricht in NMG auf Wissen und Methoden von Fachperspektiven bezieht. Kann und soll dieser Anspruch auch auf den ersten Zyklus, also Kindergarten und Unterstufe, bezogen werden? Sind vier- bis achtjährige Kinder überhaupt in der Lage, sich mit komplexen, perspektivenübergreifenden Fragen auseinanderzusetzen? Oder anders formuliert: Welche Voraussetzungen bzw. Kompetenzen brauchen Kinder, um sich mit solchen Fragen beschäftigen zu können?

      Die Bedingungen und Ansätze für das Sachlernen in Kindergarten und Primarstufe unterscheiden sich in einigen Aspekten erheblich voneinander. So stehen im Kindergarten eng auf die Lebenswelt und den motorischen, ästhetischen, kognitiven, emotionalen, sozialen und persönlichen Entwicklungsstand bezogene Zugänge im Vordergrund. Die Stärken dieses Ansatzes sind die hohe Beobachtungskompetenz der Kindergärtnerinnen und Kindergärtner in Bezug auf die individuellen Prozesse der Kinder, die Berücksichtigung der Komplexität der Lebenswelt und der Entwicklung der Kinder und eine grundsätzlich kindzentrierte Didaktik und Pädagogik, die sich durch hohen Alltagsbezug auszeichnet.[58] Lernen findet oft noch beiläufig statt, zum Beispiel beim Beobachten, Imitieren, Mitmachen, im Gespräch und im freien Spielen. Erst später bzw. nach und nach wird dieses eher beiläufige Lernen durch ein systematisches, von äusseren Lerninhalten geprägtes Lernen abgelöst, und die Schülerinnen und Schüler werden fähig, inhaltlich und methodisch mit fachspezifisch ausgerichteten Aufgaben umzugehen.

      Wie soll der geschilderte Übergang konkret im Fachbereich NMG vollzogen werden? Wie sollen die oft beiläufigen (zufälligen), selbsttätigen und spielerischen Formen des Lernens im Kindergarten zu absichtsvollen und fachbezogenen Lernprozessen innerhalb des Fachbereichs NMG der Primarstufe werden? Der Perspektivrahmen Sachunterricht nennt folgende überfachliche Fähigkeiten, Wissensbestände und Einstellungen, die in frühen Lernprozessen erworben werden und dann im NMG-Unterricht der Primarschule weitergeführt und systematisiert werden sollen:[59]

      •Explorieren und Erfahren: Die Kinder erkunden die Welt und ihre Phänomene eigenaktiv und werden sich ihrer Erfahrungen bewusst, indem sie mit anderen kommunizieren. Um nicht nur Wissen zu erwerben, sondern auch Bewegungslust, Aufgeschlossenheit, Lust am Ausprobieren, Ausdauer usw. zu entwickeln, brauchen Kinder unterschiedliche anregende, offene und attraktive Angebote und Spielräume.

      •Implizites Wissen und Begriffsbildung: Frühkindliches implizites Wissen ist zunächst körperlich begründet. «Es ist», so der Perspektivrahmen, «insoweit auch Bewegungs- und Aktionswissen und kommt in Eindrücken, Empfindungen und Wahrnehmungen zum Ausdruck, die Kinder unmittelbar an den Begegnungen und Phänomenen gewinnen. Es gründet in lebensweltlich vermittelten Bedeutungen und Wertigkeiten, in sozialen Beziehungen und Alltagspraktiken.»[60] Dieses Wissen ist Voraussetzung für die sprachliche Entwicklung und für begrifflich-abstrahierendes Denken. Dadurch sind Kinder dann in der Lage, ihr implizites Wissen anderen mitzuteilen und ihre Vorstellungen zu natürlichen und sozialen Phänomenen ihrer Umwelt zu erklären.

      •Nachdenken und Reflektieren: Die bereits im Kleinkindalter vorhandenen sprachlichen und nichtsprachlichen Fähigkeiten können durch anregende Lernumgebungen aktiviert und weiterentwickelt werden. Unterschiedliche Unterrichtsangebote im ästhetischen und musischen Bereich können Kinder darin unterstützen, «Distanz zu ihren Erfahrungen zu suchen, sie im Medium einer begrifflich-abstrahierenden Sprache als Sache und Gegenstand zu gewinnen und ordnend zu überschauen»[61]. Dabei geht es darum, dass Kinder ihre unterschiedlichen Ausdrucksformen nutzen und weiterentwickeln.

      •Erfahrungen objektivieren, Ko-Konstruieren, Ordnen: Objektivierung von Wissen in dem Sinne, dass kulturelle «belastbare» Wissensbestände kritisch genutzt werden, fusst auf subjektiven Fähigkeiten, wie zum Beispiel einen eigenen Standpunkt zu beziehen und zu begründen und die eigene Sicht mitzuteilen. Das Sammeln, Ordnen und Klassifizieren von Gegenständen regt die Kinder an, ihre eigenen Erfahrungen und Sichtweisen mitzuteilen und die Erfahrungen anderer Kinder kennenzulernen und zu verarbeiten.

      Eine ähnliche Absicht verfolgt der Lehrplan 21 für den Fachbereich NMG mit der Formulierung von neun «entwicklungsorientierten Zugängen» für den Beginn des ersten Zyklus, das heisst, zumindest für die zwei Jahre Kindergarten. Dadurch soll einerseits sichergestellt werden, dass der Unterricht auf dieser Stufe überwiegend fächerübergreifend organisiert und gestaltet, und andererseits, dass «eine Brücke von der Entwicklungsperspektive zur Fachbereichsstruktur des Lehrplans»[62] geschlagen wird. Im Verlauf des ersten Zyklus rücken dann die fachbereichsspezifischen Inhalte von NMG zunehmend in den Vordergrund, wobei sich in der Unterrichtspraxis «die entwicklungsorientierte und die fachorientierte Herangehensweise verbinden, vielfältig variieren und kombinieren. Beide Zugangsweisen bleiben miteinander verknüpft»[63].

      Studien im Rahmen einer Bildung für СКАЧАТЬ