Nachdenken und vernetzen in Natur, Mensch, Gesellschaft (E-Book). Dominik Helbling
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СКАЧАТЬ – überall wird von Stichworten ausgegangen. Wie wir bereits am Beispiel eines Themenhefts zu «Wasser» gesehen haben, können daraus Probleme entstehen wie eine hohe Beliebigkeit der Inhalte und daraus resultierendes unverbundenes «Inselwissen» bei den Lernenden. Ginge man stattdessen als Unterrichtsthema von einer übergeordneten Fragestellung aus, liessen sich diese Probleme vermeiden.

      Welche Vorteile bringt es, ein Unterrichtsthema, ob zentriert auf nur eine fachliche Perspektive oder perspektivenübergreifend, in Form einer übergeordneten Fragestellung zu formulieren?

      •Eine übergeordnete Frage dient als roter Faden oder als Klammer einer Unterrichtseinheit. Einzelne Unterrichtssituationen des Unterrichtsprozesses stehen dadurch «in einem thematischen Zusammenhang […], der mit der Beantwortung der Frage seinen vorläufigen Abschluss findet»[48].

      •Der Unterricht dient weniger der Vermittlung von kanonisiertem Wissen als der gemeinsamen Suche nach möglichen Antworten. Eine Frage als roter Faden einer Unterrichtseinheit stimuliert somit Bildungsprozesse, da sie diese «als sinngebend und sinnerschliessend erleben lässt»[49].

      •Übergeordnete Fragestellungen legen den Fokus auf einen exemplarischen, bildungsrelevanten Sachverhalt und filtern dadurch die zur Sprache kommenden inhaltlichen und methodischen Beiträge der fachlichen Perspektiven.

      Die übergeordnete Fragestellung dient in erster Linie der Lehrperson, um auf der Grundlage des Lehrplans das Unterrichtsthema zu definieren und die daraus resultierenden übergeordneten Lernziele und zentralen Inhalte herauszuschälen. Ob die übergeordnete Fragestellung unverändert den Schülerinnen und Schülern bekannt gegeben wird, ist von der Lehrperson von Fall zu Fall zu klären, da dies von der Stufe, vom Vorwissen usw. abhängt.

Tabelle 4Unterscheidung von Stichwort, Bildungsinhalt und übergeordneter Fragestellung (vgl. Tänzer 2010)
Stichwort (Schlagwort, Gegenstand)Stichworte wie «Apfel», «Wasser» oder «Schokolade» sind noch nicht nach pädagogischen und fachdidaktischen Gesichtspunkten ausgewählt und geprüft und können somit nicht unterrichtsleitend sein.
Bildungsinhalt (Bildungspotenzial)«Wasser» als Stichwort oder Inhalt wird dann zum Bildungsinhalt, wenn sein pädagogisches und fachdidaktisches Potenzial innerhalb der Trias Kind–Sache–Gesellschaft ausgelotet wird: Inwiefern hat «Wasser» eine exemplarische Bedeutung für das Welterschliessen der Kinder?
Übergeordnete Fragestellung (Unterrichtsthema) Aufbauend auf der Bestimmung des Bildungsinhalts eines Stichworts wie «Wasser» ist das Unterrichtsthema das Ergebnis von Ziel- und Inhaltentscheidungen bezogen auf den konkreten Unterricht in Form einer übergeordneten Fragestellung, z. B. «Ist Wasser kostbar?»

      Bevor an Beispielen gezeigt wird, wie sich aus Stichworten konkrete Unterrichtsthemen in Form übergeordneter Fragestellungen formulieren lassen, sollen die Begriffe «Stichwort», «Bildungsinhalt» und «Übergeordnete Fragestellung» geklärt werden (siehe Tab. 4).

      Unter «Stichwort» wird ein Sachverhalt verstanden, der noch nicht aus pädagogischer Sicht betrachtet worden ist.[50] Erst wenn die Fragen, Vorstellungen und Denkweisen der Kinder und die inhaltlichen und methodischen Angebote der fachlichen Perspektiven von NMG ins Spiel kommen, kann das Bildungspotenzial des zur Auswahl stehenden Stichworts herausgearbeitet werden. Als Suchraster bietet sich die in Abbildung 3 dargestellte didaktische Trias Kind–Sache–Gesellschaft an.[51] Ist man dem Bildungspotenzial eines Stichworts auf die Spur gekommen, ist der nächste Schritt die Formulierung des eigentlichen Unterrichtsthemas in Form einer übergeordneten Fragestellung.

      Ausgangspunkt für die Formulierung übergeordneter Fragestellungen kann eine inhaltliche Angabe in Form eines (verbindlichen oder unverbindlichen) Stichworts aus dem Lehrplan 21 für NMG sein (z. B. «Lebensmittelverschwendung») oder ein von der Lehrerin oder dem Lehrer selbst gewähltes Stichwort (z. B. «Dinosaurier», siehe unten).

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      Wie oben beschrieben, besteht bei der Unterrichtsplanung ein erster Schritt in Richtung übergeordneter Fragestellung zunächst darin, mögliche Bildungsinhalte anhand der didaktischen Trias zu bestimmen. Der Aspekt «Kind» bezieht sich auf Begründungen zum Begriff der Lebenswelt, der Aspekt «Sache» geht von den inhaltlichen und methodischen Angeboten der fachlichen Perspektiven von NMG bzw. vom Akteurswissen beteiligter Akteure aus, der Aspekt «Gesellschaft» hat den Bildungsbegriff als Grundlage (siehe Abb. 3). Zwischen den drei Eckpunkten des Dreiecks bestehen jeweils Spannungsverhältnisse, so zum Beispiel zwischen «Kind» und «Sache». Auf der einen Seite stehen Fragen, Bedürfnisse, Vorwissen, kurz die Sichtweise der Kinder von der Welt, die für sich allein genommen zur Begründung von Bildungsinhalten nicht genügen. Auf der anderen Seite steht das inhaltliche und methodische Wissen der wissenschaftlichen Disziplinen von NMG (die «Sache»). Für Kahlert besteht die Aufgabe von NMG gerade darin, Kindern fachlich belastbares Wissen und Können zugänglich zu machen. Aber ohne Bezug zur kindlichen Lebenswelt wäre dieses Wissen steril.[52] Hinzu kommt – als zweites Spannungsverhältnis –, dass dieses Wissen und Können auch relevant sein sollte, um einen Beitrag zum Weltverstehen der Kinder zu leisten, zum Beispiel im Sinne von Heymanns Teilaufgaben von Bildung (siehe Tab. 3). Die Überlegungen zur Bildungsrelevanz stehen ihrerseits in einem dritten Spannungsverhältnis zu den individuellen und persönlichen Lebensentwürfen der Kinder. Aus dem Zusammenwirken dieser drei Bereiche des Dreiecks und unter Berücksichtigung der bestehenden Spannungsverhältnisse lassen sich mögliche Bildungsinhalte bzw. darauf aufbauend übergeordnete Fragestellungen (Unterrichtsthemen) von NMG bestimmen.

      Die perfekte, allen Kriterien gerecht werdende Fragestellung gibt es allerdings nicht. Das Finden einer übergeordneten Fragestellung kann vielmehr als ein Annäherungsprozess verstanden werden mit dem Ziel, eine Balance zwischen den drei Eckpunkten der didaktischen Trias zu erreichen.[53] Wird dieser Anspruch im nachfolgenden Beispiel eingelöst?

      Dinosaurier als Unterrichtsthema?

      Am Beispiel des Stichworts «Dinosaurier» kann die Anwendung der didaktischen Trias zu folgenden inhaltlichen Aussagen führen:[54] Ausgehend vom Blickpunkt «Kind» lassen sich drei «Dinosaurier-Welten» unterscheiden. Die grausige, schreckliche Welt (Godzilla)[55], die nette, süsse Welt (Littlefoot)[56] und die reale Welt (Ausstellungen in Museen). Für alle fachlichen Perspektiven von NMG (Blickpunkt «Sache») sind relevante Wissensbestände und Fragestellungen zu finden. Für den Bereich Räume, Zeiten, Gesellschaften (RZG) könnten dies beispielsweise Fundorte, Periodisierungen, Überreste und Rekonstruktionen, Dinosaurier als Teil einer Populärkultur usw. sein. Für den Blickpunkt «Gesellschaft» kann die gerade speziell auf Kinder ausgerichtete Kommerzialisierung des Gegenstands «Dinosaurier» und der damit zusammenhängende Dino-Kult als Beispiel genannt werden. Diese wenigen Überlegungen weisen darauf hin, dass das Stichwort «Dinosaurier» einen potenziellen bildungsrelevanten Gegenstand von Unterricht darstellt.

      Ausgehend von den Überlegungen zum Bildungsinhalt des Stichworts «Dinosaurier» könnte die übergeordnete Fragestellung für eine vier- bis fünfwöchige Unterrichtseinheit in einer dritten/vierten Klasse lauten: Wie echt sind Dinosaurier wirklich?. Um zu klären, ob die übergeordnete Fragestellung geeignet ist, das Unterrichtsthema zu erschliessen, können, wieder angelehnt an die Trias Kind–Sache–Gesellschaft, folgende Prüffragen benutzt werden:

      •Ist die Fragestellung anschlussfähig an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler? Ist sie bedeutsam für die Gegenwart und Zukunft der Kinder? Die Frage, ob ein Gegenstand oder eine Frage echt oder fiktiv ist, beschäftigt Kinder schon sehr früh. Fasziniert stehen sie vor einem in einem Museum ausgestellten Gegenstand, wenn ihnen gesagt wird, dass er «echt» ist. Allgemein stellt die Fähigkeit, fiktives von gesichertem Wissen unterscheiden zu können, eine zentrale überfachliche Kompetenz dar.

      •Hat СКАЧАТЬ