Gottes Weg mit den Menschen. Jin Man Chung
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Название: Gottes Weg mit den Menschen

Автор: Jin Man Chung

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Forschung zur Bibel

isbn: 9783429063139

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СКАЧАТЬ die sich aus der Verankerung eines Einzeltextes (sei er traditionell oder nicht) in den Makrotext des Gesamtwerkes ergeben“110. Dadurch öffnet sich der Blick „auf den Aufbau, die Gliederung und den thematischen Verlauf der Gesamtschrift; auf die Anlage, die Thematik und die Gedankenführung des engeren Kontextes; schließlich auf die Verbindungslinie vom Einzeltext zu seinem engeren und gesamtschriftlichen Kontext“111. Dieser Methodenschritt ist der elementare und fundamentale Arbeitsgang, die Komposition des Evangeliums zu untersuchen, die dadurch Rückschlüsse auf die theologische Intention des Evangelisten zulässt.

      2) Die Strukturanalyse – bzw. Formanalyse – sucht die sprachliche Gestalt einer Texteinheit aufzuzeigen. Sie „schreitet fort von der Laut- und der Wortebene über die Ebene der Sätze, die aus ihnen gebildet werden, bis hin zur Ebene größerer Textabschnitte und ganzer Texte“112. Aus diesem analytischen Verfahren ergeben sich Textgliederung, Personenkonstellationen, Handlungsabläufe und Spannungsbögen, die die Sinnlinie und das Sinngefüge des Textes aufzeigen.

      Da die synchronisch orientierte Auslegungsweise bei der Frage nach der theologischen Aussage des Redaktors und Evangelisten methodisch gefordert ist, muss bei der Textanalyse der Primat der Synchronie vor der Diachronie gewahrt bleiben. Die synchrone Exegese wirft jedoch ein nicht zu unterschätzendes Problem auf, wenn die historische Verankerung des Matthäusevangeliums berücksichtigt werden muss.

      Der Verfasser des Evangeliums wendet sich an die Gemeinde, die von jüdischen Traditionen geprägt war; sie hat die Gesetzesfrömmigkeit hochgeschätzt (Mt 5,17-19).

      Angesichts des äußerst stark jüdischen Anteils führt das in eine Krise, weil sie einerseits mit innergemeindlichen Konflikten konfrontiert wird, andererseits sich mit Konkurrenten im Verhältnis zum zeitgenössischen Judentum auseinandersetzen muss.113 Diese matthäische Gruppe kannte wohl andere (mündliche und schriftliche) Überlieferungen. Die Niederschrift des Matthäusevangeliums ermöglichte vor allem Jesusüberlieferungen, die dem Evangelisten Matthäus zur Verfügung standen. Nach der Zwei-Quellentheorie ist sowohl das Markusevangelium als auch die Redequelle als primäre Quellen des Matthäusevangeliums vorausgesetzt. Dazu kommt auch das sog. „Sondergut“114. Im Matthäusevangelium – sowie in anderen biblischen Literaturen – gilt daher „Traditionsabhängigkeit als Markenzeichen und selbst die Übernahme ganzer Textpassagen von Vorgängern nicht unbedingt als Makel, sondern in vielen Fällen als Vorzug authentischen Schreibens“115. Aus der literarischen Abhängigkeit von vormatthäischen Traditionen, dem Markusevangelium und der Redequelle, ergeben sich sprachliche und thematische Übereinstimmungen; Matthäus folgt im Wesentlichen der Grundstruktur des Markusevangeliums (z. B. Jesu Basileia-Verkündigung in Wort und Tat, die Berufung, Schulung und Sendung der Jünger, Auseinandersetzung mit den Gegnern, Jesu Auferstehung). Der Redequelle entnimmt er die thematischen Schwerpunkte seines Evangeliums (z. B. Seligpreisungen, Gerichtspredigt, Jüngerschaft in der Nachfolge Jesu). Matthäus überliefert aber die Jesusgeschichte aus den ihm vorliegenden Traditionen nicht ohne eigene Bearbeitungen, er schafft vielmehr eine neue Struktur für sein Evangelium, indem er zum einen durch die Kompositionsarbeit neue thematische und formale Einheiten (z. B. die fünf großen Reden Jesu) erstellt, zum anderen weitere Traditionen – bei denen es auch Kürzungen gibt – übernimmt und neu zusammenstellt. Daraus ergeben sich erhebliche Differenzen im Umfang, teilweise im Aufbau und auch häufig im Wortlaut zu seinen Vorlagen. Das Matthäusevangelium, das auf vielerlei Vorlagen zurückgreift, lässt in seiner Endfassung des Gesamttextes die traditions- und redaktionsanalytische Arbeit noch erkennen.

      Für die Exegese ist nicht zu verkennen, dass das Matthäusevangelium als zusammenhängende Erzählung multireflektionell ist. Sie hat einen konstitutiven Bezug zur Geschichte Jesu, der allerdings jenseits eines bloßen Historismus liegt. Matthäus flicht permanent und programmatisch die alttestamentlichen Reflexionszitate ein, die zeigen sollen, dass die Jesusgeschichte nur in einem Horizont erzählt werden kann, der durch die Gottesgeschichte Israels eröffnet ist und von Jesus vergegenwärtigt wird. Die Jesusgeschichte, die von Matthäus erzählt wird, erweist sich daher als die Erfüllung der Gottesgeschichte, deren Niederschlag sich in den Schriften Israels findet. Die alttestamentlichen Zitate, auf die in der vorliegenden Untersuchung besonders Bezug genommen im Hinblick auf die Geburt Jesu (Mt 1,23; Jes 7,14) und seine messianische Sendung als Gottesknecht (Mt 12,17-21; Jes 42,1-4) und Friedenskönig (Mt 21,4f.; Sach 9,9; Jes 62,11), haben ihren eigenen geschichtlichen Standort und Wortsinn auf der Ebene des Alten Testaments. Sie erhalten aber im matthäischen Zusammenhang einen neuen Stellenwert und einen neuen Sinn. Der Vergleich mit ihren ursprünglichen Aussagen erschließt diese matthäisch spezifische Schriftkonzeption.

      Aus dem Thema der Arbeit, Gottes heilsame Zuwendung zu den Menschen durch die Sendung Jesu und seiner Jünger, folgt der synchrone Methodenansatz. In methodischer und thematischer Hinsicht geht die Studie den Weg von der synchronen Textanalyse zur theologischen Interpretation. Der Evangelist übernimmt seine Texte aus einer Tradition von „damals“; sie sind nach einer langen Entwicklungsphase schließlich zum „Matthäusevangelium“ geworden. Ihre Entstehungsgeschichte gibt ein geschichtliches Verständnis wieder, welches auf dem alttestamentlich und neutestamentlich fundierten Offenbarungsverständnis beruht. Die Offenbarung Gottes in Jesus ist das unersetzbare Zeugnis, an dem die christliche Kirche festhalten muss. Das Evangelium nach Matthäus ist ein Zeugnis der Offenbarung Gottes nicht nur „damals“, sondern auch für „heute“; es ist nach wie vor eine Quelle für den christlichen Glauben, dem die Verkündigung dient.116 Insofern dieses Evangelium zum Kanon der Heiligen Schriften gehört, zeigt es „die konstitutiven Richtlinien für die Identität des Christentums“117. Wenn es vorgetragen oder gesprochen wird, wird sein Anspruch zur präsenten Wirklichkeit.118

      Die Verbindung der verschiedenen exegetischen Methoden ermöglicht es, die Transparenz der Jesusgeschichte als Geschichte Gottes mit den Menschen so zu erkennen, wie Matthäus sie gestaltet hat. Die Lektüre der erzählten Geschichte Jesu fordert die Beschäftigung mit dem Endtext (synchron). Dieser aber würde seine Geschichtlichkeit verlieren ohne diachronische Reflexion. Dass die Menschen an Jesus Christus glauben, ist für sie ein persönlicher Vorgang, der aber in einem geschichtlichen Ereignis verankert ist. Das Heilshandeln Gottes in Jesus ist nicht eine einmalige vergangene Geschichte, sondern wird durch den Verkündigungsdienst der Kirche zur Heilsgeschichte in der Gegenwart. Dass Gott in der Sendung Jesu und seiner Jünger für die Menschen handelt, ist Gegenstand des Matthäusevangeliums.

      Aus der Bestimmung des Arbeitsthemas über den Heilsweg Gottes zu den Menschen, der nicht nur durch die christologischen Elemente, sondern auch durch die ekklesiologischen bestimmt und veranschaulicht wird (1.1), ergibt sich die zweigliedrige Gesamtstruktur der Arbeit: Jesus auf dem Weg der Gerechtigkeit und die Jünger auf dem Weg der Nachfolge. In der Christologie des Immanuel und der Ekklesiologie der Nachfolge entfaltet der Evangelist erzähltechnisch und theologisch die Theozentrik Jesu im Rahmen seines Evangeliums. Diese Themenkreise bilden die Grundlage für die vorliegende Untersuchung, die auf der Ebene des Matthäusevangeliums eruiert, wie Jesus und seine Jünger die Erfüllung des Heilswillens Gottes suchen. Die christologische und ekklesiologische Ausrichtung sind aber voneinander zu unterscheiden, um die Dynamik des Verhältnisses zwischen Jesus und seinen Jüngern herauszustellen.

      Der christologische Teil (Jesus auf dem Weg der Gerechtigkeit) sucht die Gottessohnschaft Jesu und sein Wirken als Lehrer der Gerechtigkeit zu bestimmen. Jesus als Erlöser wird programmatisch bei der Verleihung des Namens (Mt 1,21) angekündigt (2.1). Der verheißene Beistand des Immanuel (Mt 1,23 [Jes 7,14]; 18,20; 28,10) ist den Seinen zugesagt, so dass die Geschichte Gottes mit dem Volk Israel als die Geschichte Jesu mit den Jüngern und mit den Menschen transparent gemacht wird (2.2). Die Sendung Jesu als Gottesknecht (Mt 12,18-21 [Jes 42,1-4]) und als Friedenskönig (Mt 21,5 СКАЧАТЬ