Название: Dem Neuen entgegen leben
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Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783957446046
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In der Folgezeit wurde in unserer Klasse – und nicht nur in unserer, sondern auch in den anderen höheren Klassen – sehr ausführlich im Unterricht über die Katastrophe der Judenverfolgung in Deutschland gesprochen, und vor allen Dingen wir deutschen Schüler stellten fest, wie wenig wir zu diesem Zeitpunkt über das Geschehen in unserer Heimat, das ja nun noch gar nicht so lange zurücklag, wussten. Je mehr ich erfuhr, desto mehr bedauerte ich, dass ich mit meinem so plötzlich verschwundenen Banknachbarn nicht mehr über all das reden konnte, was da Entsetzliches geschehen war, und ihm versichern konnte, wie erschüttert ich war.
Als ich dann für die letzte Klasse, die Oberprima, nach Deutschland zurück auf ein Gymnasium nach Heidelberg wechselte, bekam ich dort eine ganz bemerkenswerte Geschichtslehrerin, Frau Dr. Meyer-Kramer, eine Tochter des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler, der als einer der führenden Köpfe des deutschen Widerstandes im Rahmen der Prozesse um den 20. Juli 1944 hingerichtet worden war. Auch sie machte den 08. Mai 1945 und die ganze Katastrophe des Dritten Reiches zum Gegenstand des Unterrichts und zwar so lebendig, dass meine ganze Klasse das Gefühl hatte, das Vergangene selbst unmittelbar miterlebt zu haben. Es war gleichermaßen bedrückend und befreiend für uns alle.
Aus den Augen verloren und vergessen habe ich den Tag bis heute in keinem Jahr und bis heute denke ich an jedem 08. Mai darüber nach, wie es wohl meinem Klassenkameraden ergangen und was aus ihm geworden ist. Allerdings lernte ich im Studium einen Kommilitonen kennen, mit dem mich bis heute eine herzliche Freundschaft verbindet, der am 08. Mai, allerdings 1943, geboren war, und wir haben seitdem an diesem Tag auch viele schöne und vergnügte Geburtstage gefeiert.
Ein Augenblick
Ich saß im Zug von Heidelberg nach Norden, nach Hause. In vier Wochen wollte ich dort, im Hause meiner Großeltern, meine Hochzeit feiern und es galt, jetzt die letzten Vorbereitungen zu treffen. Glücklich und entspannt saß ich im Zugabteil, las in einem Buch und freute mich auf die geliebten Großeltern und die schöne Zeit, die vor mir lag. Irgendwann, ich wusste nicht genau warum, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Vorsichtig sah ich mich um und musterte die mit mir im Abteil sitzenden Fahrgäste, auf die ich bisher noch überhaupt nicht geachtet hatte. Zuletzt fiel mein Blick auf eine mir direkt gegenüber sitzende Dame, die mich ebenfalls ansah. Sie war offensichtlich groß, schlank, dunkelhaarig, sah attraktiv aus und war elegant gekleidet. Schnell senkte ich meinen Blick wieder auf mein Buch und versuchte, mich auf seinen Inhalt zu konzentrieren. Es gelang mir nicht richtig und so oft ich auch in Abständen immer wieder kurz aufsah, die dunkelhaarige Dame sah mich an. Ich überlegte, ob es sich noch lohnte, das Abteil zu wechseln; aber ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass wir in einer halben Stunde in Bremen einliefen, wo ich aussteigen musste. Ein Wechsel lohnte sich also nicht mehr. Plötzlich sagte die Dame zu mir: „Es stört Sie, nicht wahr, dass ich Sie so beobachte?!“ „Das kann man wohl sagen“, erwiderte ich, „zumal ich mir nicht erklären kann, warum Sie das tun!“
„Sie erinnern mich sehr stark an jemanden, den ich gut gekannt habe – würden Sie mir wohl Ihren Namen sagen?“
„Nein!“, entgegnete ich, „ich sehe keinerlei Veranlassung, das zu tun!“
„Dann will ich es Ihnen sagen“, entgegnete sie, „heißen Sie Meyer-Bornemann?“ Sie sah meine Verblüffung und setzte hinzu: „Sehen Sie, ich habe Ihren gefallenen Vater sehr gut gekannt – und Sie sehen aus wie er. Ich wünsche Ihnen viel Glück.“
In meiner Verwirrung war ich froh festzustellen, dass der Zug in den Bremer Bahnhof einlief. Ich raffte meine Sachen zusammen und verließ nach kurzem Abschiedsgruß das Abteil. Auf dem Bahnsteig fiel ich meinen Großeltern, die mich erwarteten, in die Arme und berichtete ihnen mein eben gehabtes Erlebnis. „Wie sah die Dame denn aus?“, fragte mein Großvater, und als ich sie beschrieben hatte, sah ich, wie meine Großeltern sich anlächelten, und dann sagte meine Großmutter: „Das war die Dame, die Deinen Vater sehr gerne geheiratet hätte, und er sie wohl auch, nur dann lernte er Deine Mutter kennen.“
Renate Dahms
Geboren 1941 in einem kleinen Vorort von Düsseldorf. Als jüngstes Kind von vier Geschwistern war sie die meiste Zeit sich selbst überlassen. Ihre Gestaltungsfreude war und ist der Motor für ihr Leben. Sie hat in Allem ihr eigenes „Rezept“.
Mein Lied im Wind
Mein Kinderlachen froh und munter
Ward gestört
Durch Bomben laut Gebrüll
Lief die Berge rauf und runter
Nicht ahnend
Dass zurückblieb
Meiner Seele Hüll
Hab die Bomben unversehrt zurückgelassen
Meine Lieder neu gestimmt
Hab gespielt, getanzt
War ausgelassen
Und geglaubt,
dass keiner sie mir nimmt
Viele Lieder habe ich gesungen
Manche Tänze mitgetanzt
Immer wieder um mich selbst gerungen
Manchmal glaubt ich ohne Chance
All die Wunden die das Leben mir geschlagen
Tief und brennend meiner Seele Mantel wurd
Haben mich dann doch getragen
Hin
Zu meinem Lied
Im Wind
Was mich trägt
Nach dem Krieg zog meine Mutter mit uns Kindern – wir waren vier Geschwister – in eine kleine Zweizimmerwohnung am Dorfrand. Mit dabei war auch meine Tante, deren Mann – er war der jüngste Bruder meines Vaters – vermisst gemeldet war. In dem Haus wohnten noch weitere Familien mit ihren Kindern, es verfügte über einen Innenhof und ein kleines Häuschen im Garten mit Herzchen in der Türe.
Wir waren ausgebombt und arm. Wir schliefen zum Beispiel unter dem nackten Plumeau, weil wir für Bezüge kein Geld hatten. Als Kind störte mich diese Armut nicht. Es gab so vieles, an dem ich Freude hatte. Ich liebte die Sommermonate, die mich mit ihren vielfältigen Angeboten aufforderten, kreativ zu werden.
So baute ich am Wegrand vor unserem Haus kleine Gärten oder Osternester und schmückte sie aus, mit allem, СКАЧАТЬ