Название: Der mondhelle Pfad
Автор: Petra Wagner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783867779579
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Loranthus konnte sich nie so recht entscheiden, ob Viviane nun eher wie ein Reh oder wie eine Löwin ging, denn anmutig und effizient passte ja bei beiden, tödlich nur zu letzterem. Bei diesem jungen Mann war es ebenso, mit leichter Tendenz zum Löwen wegen des Bartwuchses.
Wie die Könige trug auch er einen goldenen Torques, aber ansonsten nur Schmuck aus Holz, der jedoch derart filigran gefertigt war, dass Loranthus fasziniert die Augen aufriss. Auf den breiten Armreifen konnte er Jagdszenen erkennen und seine einzige Bartperle hatte die Form eines Baumes, wobei winzige Smaragde die Blätter darstellten. Es war eindeutig eine Buche.
Plötzlich huschte Loranthus die Erkenntnis wie ein heller Blitz durch den Kopf: Der andere König war Eburix und der junge Mann musste sein Sohn sein.
Bei allen dreien blitzten die Schwertscheiden, als würden sie den ganzen Tag nichts anderes tun, als sie zu polieren. Jeder hatten je zwei Hörner in den Gürtelschlaufen stecken und Loranthus fragte sich gerade, warum nicht eines zum Trinken reichte, da sah er noch eine Doppelaxt bei jedem an der Seite.
Doppelt und dreifach, das war zu viel.
Im Affekt packte er Silvanus und wollte ihn weg zerren, doch der zog zurück, so dass er eine unfreiwillige Verbeugung machte. Auch Silvanus verneigte sich tief, aber gewollt, und schon waren die drei an ihnen vorbei. Sie riefen sogar ein dreistimmiges „Seid gegrüßt, Silvanus und Loranthus!“, womit Loranthus absolut nicht gerechnet hätte.
Er war darüber so verdutzt, dass Silvanus ihnen alleine hinterher rief: „Auch wir grüßen euch, Donarrix, Eburix und Hermann.“
Loranthus lugte ihnen hinterher und hätte schwören können, dass auf den Äxten die Todesgöttin in Dreiergestalt eingraviert war. Jede hatte einen Raben auf der Schulter sitzen und hob ein Signalhorn an den Mund.
„Nichts wie weg hier“, murmelte er, als die drei außer Hörweite waren und wollte sich über den Weg in Sicherheit bringen. Doch er musste warten und sich schon wieder verneigen, denn jetzt kreuzte Aodhrix seine Bahn.
Auch dieser König hatte seinen dunkelbraunen Bart zu zwei langen Zöpfen geflochten und die Zipfel mit zwei riesigen Diamanten verziert. Loranthus musste richtig die Augen zusammen kneifen, so sehr funkelten sie im Takt seiner schnellen Schritte. Dazu bildeten Bart und Perlen noch einen interessanten Kontrast zu den seltsamerweise kupferroten Haaren, die ihm offen vom Scheitel bis zu den Hüften reichten und beim Gehen anmutig nach hinten wehten.
‚Charismatisch‘ war das einzige Wort, das Loranthus zur Erscheinung von Aodhrix wirklich passend erschien, inklusive ‚intelligent‘ und ‚durchsetzungsstark‘, was seine Augenbrauen und die Augen verrieten, die genauso dunkel wie der Bart waren; auch seine Nase machte einen geradlinigen Eindruck.
Summa summarum hatte Aodhrix eine total autoritäre Ausstrahlung und als ob das nicht schon genug wäre, besaß er noch etwas ganz Außergewöhnliches: Er hatte einen besonders langen knorrigen Stab in der Hand, um den sich eine Schlange mit einer Zeichnung aus Runen wand.
Natürlich waren Stock und Schlange nur geschnitzt, die Runen ins Holz eingebrannt, doch Loranthus fragte sich, ob er ihn zum Laufen brauchte, zum Lesen oder ob er anderen Zwecken diente, denn hinter ihm ging eine ganze Reihe Kinder, der Größe nach geordnet, im Gänsemarsch. Sie sahen sich zwar aufmerksam nach allen Seiten um, aber keiner sagte ein Wort.
Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.
Alle trugen einen geschlossenen goldenen Torques um den Hals. Nur beim letzten Kind war es anders, der Kleine hätte auch noch mit den Schultern durchgepasst.
Loranthus nickte der Gruppe hinterher.
„Ich wusste gar nicht, dass es auch ruhige Kinder gibt?“
„Keine Sorge! Nur, weil es Königskinder sind, können sie genauso toben und schreien wie die anderen.“
„Ist mir irgendwie entgangen“, konsternierte Loranthus und steckte sich den Finger prüfend ins Ohr.
Silvanus lachte.
„Sie wissen natürlich, wie sie sich zu benehmen haben, wenn sie mit dem ranghöchsten Druiden des gesamten Großkönigreiches unterwegs sind.“
„Aha! Ich verstehe. Und ich dachte schon, es liegt an dem großen Stock, den Aodhrix so kraftvoll bei jedem Schritt niedersausen lässt.“
Silvanus prustete los.
„Völlig verkehrt! Das ist das Statussymbol für den höchsten Druiden! Die Schlange, die sich schützend um den Baum des Lebens windet. Wenn du ihn mal richtig zu Gesicht bekommst, solltest du dir die Runen ansehen. Die Schlange ist über und über damit verziert und jede hat ihre eigene heilige Bedeutung, genau wie die Schlange und der Stock selbst. Aodhrix braucht keinen Knüppel zum Draufhauen. Es ist eine große Ehre, hinter dem obersten Druiden der Hermunduren zu gehen. Das weiß jedes Kind.“
„Lernen sie bei Aodhrix etwas über die Rechtsprechung?“
„Ganz recht. Sind alles seine Schüler. Seine kleinen wohlgemerkt.“
„Das ist mir aufgefallen! Dem kleinsten rutscht sogar noch der Torques über den Kopf, wenn er sich bückt!“
„Ha. Adalrich ist wirklich sehr zierlich, aber dafür ist er zäh und klug und freundlich, das genaue Gegenteil von seiner Schwester, Furia.“
Loranthus blieb abrupt stehen und stieß seinen ausgestreckten Zeigefinger in die Richtung, wo die Kinder gerade in der Menschenmenge verschwanden. Der letzte drehte sich nach ihnen um und winkte, als hätte er gewusst, dass sie ihm nachsahen. Selbst auf diese Entfernung leuchteten seine Augen wie zwei blaue Saphire.
„Der dort mit den hellbraunen Haaren und den azurblauen Augen?! Der letzte! Das ist der kleine Bruder von Furia?“
„Ja. Und da wir gerade bei der Verwandtschaft sind …“, begann Silvanus und deutete auf Adalrich, der in diesem Moment einen gellenden Pfiff ausstieß und sich suchend umschaute. „Dort kommt ein Sohn von Ethmanja!“
Loranthus und Ethmanja hoben beide gleichzeitig den Kopf, als ein junger Hirschhund an ihnen vorbei zischte und Richtung Adalrich stürmte. Mitten auf halber Strecke blieb er wie angewurzelt stehen, drehte sich um und rannte wieder zurück. Er hatte so viel Schwung, dass er in Ethmanja hinein krachte. Ethmanja riss das Maul auf und dann wirbelten die beiden Hunde so wild umeinander, dass nur noch zwei wedelnde Schwänze erkennbar waren.
Silvanus schüttelte schmunzelnd den Kopf.
„Ich wusste gleich, dass der Kleine nicht für die Jagd taugt. Aber für Adalrich ist er genau der richtige Gefährte. Liebevoll, verspielt, treuherzig … später schenke ich ihm einen Hirschhund, den er perfekt für die Jagd nehmen kann, jetzt ist er ohnehin noch zu klein für derart gefährliche Unternehmungen.“
Ein Pfiff gellte zu ihnen herüber. Sofort hörte das spielerische Gerangel auf und der junge Hirschhund hob den Kopf. Adalrich strahlte über’s ganze Gesicht, winkte ihnen zu und pfiff noch einmal. Sein Gefährte gab Ethmanja noch einen Nasenstüber, schon rannte er los.
„Vier СКАЧАТЬ