Название: Briefgeschichte(n) Band 2
Автор: Gottfried Senf
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783961450459
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-Hat sich die NATO am 13.August 1961 richtig entschieden?
Die Gräfin äußert sich in dem bewussten Artikel im Rückblick auf die letzten 50 Jahre zu einer ganzen Reihe von politischen Entscheidungen in der Deutschlandpolitik.
------- Bin gerade zurück aus Tautenhain: Gras mähen mit Sense und Wetzstein, dörfliche Sonntagsruhe mit Glockengeläut von der Jacobus-Kirche, Kuckuckrufe neben dem vielfältigen anderen Vogelgezwitscher, schweißtreibende Arbeit ja, aber angenehme Erschöpfung danach! Das Mähgeräusch rief bei mir Kindheitserinnerungen wach: Schreibweise und Aussprache des "f" führte unser Lehrer Krummbiegel in der 1. Klasse ganz geschickt ein als Sensenbaum und eben Geräusch beim Mähen mit der Sense! In solchen Stunden draußen in Tautenhain oder auf einer Radtour durch die herrliche Gegend z.B. des Muldentals sind Fernseher und Computer ganz weit weg, da "geht die Aufmerksamkeit nicht im großen Geräusch und der ständigen Überblendung unter, ....". Das Genießen des Unmittelbaren, die Naturverbundenheit und die Freude an körperlicher Betätigung, auch die Gespräche mit dem Gartennachbar - das zählt mehr als die virtuelle Computerwelt. Für unsere Generation! Der Enkel wird das ganz anders sehen, jetzt schon und erst recht, wenn er älter ist.
Nun habe ich doch eine weitere Seite angefangen. Vielleicht beende ich den Brief, um Dir meinen ehemaligen Tautenhainer Gartennachbarn etwas vorzustellen. Leider ist er voriges Jahr verstorben. Weiske Günter, Spitzname "Whisky-Weiske", aber das ist übertrieben! Eine Seele von Mensch! Er war viele Jahre Hofmeister bei der BHG (Bäuerliche Handelsgesellschaft) in Tautenhain, an der Frankenhainer Straße gelegen. Früher sagten wir ganz einfach "auf der Halle", heute ist es der Raiffeisenmarkt. Günter hat unser Gartenhäuschen 1979 gebaut. Durch ihn wurde das Riesenproblem der DDR- Wirtschaft, die Baustoffbeschaffung, für uns etwas gemindert. Günter war in praktischen Dingen sehr geschickt und er hat mir sehr oft geholfen. Mit dem Sprechen hatte er es weniger. Alles kam langsam und bedächtig, natürlich in breitestem Sächsisch, heraus. Trotzdem haben wir beide da draußen sehr oft politisiert und philosophiert - und ich habe mich oft über seine deftigen, aber treffenden Vergleiche amüsiert.
Hier ein Beispiel aus der Zeit, als alle mal wieder über bestimmte Preisregelungen der DDR-Regierung nur den Kopf schüttelten. Die Kleingärtner erhielten, wenn sie ihr Obst und Gemüse bei den zentralen Ablieferungsstellen verkauften, pro Einheit viel mehr als die Verbraucher in den Geschäften dafür zahlen mussten. Kuriose Folge: Manche klapperten alle Gemüsegeschäfte der näheren und weiteren Umgebung ab, kauften dort und verkauften es dann wieder an den Ablieferungsstellen. Das war aber nur ein Fall von unzähligen anderen Beispielen einer oft widersinnigen sozialistischen Markt- und Preispolitik. Günter verallgemeinerte das auf seine Art, als er einmal, mit dem Spaten, zu mir herüberkam:
"Guttfried, gucke, das is ä Spaten."
P a u s e - Günter nimmt den Spaten.
"Den packt mor so an!"
P a u s e - Er nimmt Arbeitshaltung mit dem Spaten ein.
" Dor Kummenismus, der saacht, du musst den so anpacken!
P a u s e - Er fasst den Spaten am Spatenblatt und tritt auf den Griff. (s. Bild 14)
So, jetzt muss ich aber wirklich den Brief beenden!
Teile mir bitte mit, ob ich selbst eine entsprechende Karte besorgen soll oder ob Herr von Larisch andere Möglichkeiten nutzen will.
Ganz herzliche Grüße auch von Karin an Euch beide! Sie muss ja in den nächsten Jahren noch arbeiten, während ich in wenigen Wochen Rentner bin! Wir wünschen Euch ein paar schöne Sommerwochen und - bleibt gesund! Euer Gottfried
17. Juni 1999
Lieber Gottfried, vielen Dank für Deinen Brief und für die Bemühungen um die gewünschten Landkarten für Wolfgang von Larisch. In zwei Tagen kommt unsere Tochter mit Günter. Sie wollen sich hier Häuser ansehen. Angelika bekommt möglicherweise eine Stelle bei „Schenker“ in Toronto (jetzt ist sie bei „Schenker“ in Hamburg angestellt). Sie haben ihre Grundstücke in Ochsenwerder verkauft und wollen nun zurück nach Kanada kommen. Angelika hat ja noch ihre kanadische Staatsangehörigkeit, und Günter (den sie im vorigen Herbst heiratete) bekommt als Ehemann die Einreiseerlaubnis. Sie bleiben genau zwei Wochen. Danach kommt ein Vetter von mir mit Frau für eine Woche. Deshalb beantworte ich Deinen Brief sofort, denn wenn der Besuch erst hier ist, wird nichts daraus.
Ich danke Dir sehr, dass Du meine „Erinnerungen 1945“ in einer LVZ-Fortsetzungsreihe publik machst. Wie Du das alles schaffst ist doch erstaunlich: Deine Lehrtätigkeit, Deine Reisen, sowohl mit Schülern, als auch privat. Deine Tätigkeit im Heimatverein, Dein Radwandern, Haus und Garten in Tautenhain! Wie machst Du (und Karin, of course) das, ohne überfordert zu sein? Dank für die Tautenhain-Photos. Was für ein hübsches Grundstück!
Zu Deinem letzten Brief: „Die Zeit“ ist voller hochinteressanter Artikel über Kosovo. Da kommt jeder zu Wort. Ich habe den Eindruck, dass das Eingreifen der Nato, trotz aller Ungeregeltheiten, einmal als ein Schritt zur Befriedung der Welt gesehen werden wird. Auch ist es richtig, dass Russland mit dabei ist. Irgendwann, hoffentlich bald, muss Russland der Nato beitreten. Dieses große Land darf nicht vor den Türen Europas stehenbleiben, man muss es herein lassen. Wie lange soll oder darf man mit Diktatoren verhandeln? Im Zeitalter der Atomwaffen muss man da vorsichtiger sein als vor 60 Jahren. Hitler hätte man ein Ultimatum stellen sollen, als er ins Rheinland einmarschierte: entweder bist Du morgen wieder raus mit Deinen Truppen oder Du hast einen Krieg am Hals. Das hätte die ganze Hitlerei zerplatzen lassen. Heute ist das schwieriger. Doch kann man letzten Endes nur mit Ehrenmännern (und Frauen) verhandeln, und Milosevic ist keiner. Ein Eingreifen Westdeutschlands am 17. Juni 1953? Das wäre sicherlich schief gegangen. Ich fand es besser, dass sich das russische Imperium quasi selbst aufgelöst hat. Gorbatschow war die große Ausnahme und das Gegenteil von unbelehrbaren Leuten. Er sah, dass das System, das ihn selbst groß gemacht hatte, nicht mehr zu halten war. Er wollte es reformieren, doch gibt es Systeme, die nicht zu reformieren sind. Denke doch nur an den französischen Absolutismus am Ende des 18. Jahrhunderts, oder an Russland unter Kerenski. Wenn so ein nur auf Bespitzelung gegründetes Staatsgebäude ins Wanken kommt, ist kein Halten mehr. Die Gräfin Dönhoff bezeichnet Gorbatschow als großen Staatsmann und Menschen, und sie hat Recht damit. Die größten Menschen sind die, die über ihren Schatten springen können. Kannst Du Dir einen amerikanischen Präsidenten vorstellen, der dem mitleidlosen Kapitalismus den Kampf ansagt?
Die „Spaten“- Geschichte zur Preis- und Geldpolitik in der DDR ist köstlich. Herr Weiske verkörpert die Stimme des Volkes!
Also, Schluss für heute. Gisela und ich wünschen Karin und Dir alles Schöne und Gute für den Sommer. Mit herzlichsten Grüßen und „much love“ from John
Geithain, 01.10.99
Liebe Gisela, lieber John, herzlichen Dank für den Brief vom 17. Juni. Nach meinem Brief vom 04.06. erhielt ich von Dir fast postwendend Antwort.
Während ich seit August in Rente bin, hat Karin seit Schulbeginn wieder viel Arbeit und wenig Zeit. In Erfurt gibt es bei der Tochter wahrscheinlich mit der Arbeit in der nächsten Zeit Probleme. Sie ist beim zweitgrößten deutschen Baukonzern Philipp Holtzmann AG als Bauingenieurin angestellt. Hier stehen Entlassungen in Größenordnungen an! Mal sehen, wie die Sache ausgehen wird. Es müssen in der Führungsetage in Frankfurt schlimme Dinge gelaufen sein, aber auch insgesamt sieht es zur Zeit in der Baubranche СКАЧАТЬ