Briefgeschichte(n) Band 2. Gottfried Senf
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Название: Briefgeschichte(n) Band 2

Автор: Gottfried Senf

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783961450459

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СКАЧАТЬ Schule benutzt wurde und bis 1952 die Stadtverwaltung beherbergte. Mir fehlt dort, dass Geithain 1945 in diesem Gebäude erst einmal eine recht bescheidene amerikanische Dienststelle beherbergte und vom Juli 45 an völlig geräumt wurde, um Platz zu machen für die russische Kommandantur. Wie lange die dort war, weiß ich natürlich nicht, doch war die Kommandantur im Sommer und Herbst 45 ein „Prachtbau“, den man nicht übersehen konnte und sogleich das Zentrum der Macht. Um das ganze Gelände zogen die Russen einen mindestens zwei Meter hohen Holzzaun mit hölzernen, zwiebelförmigen Ornamenten auf den Pfosten. Die Bildnisse von Marx, Lenin und Stalin (gemalt vom Geithainer Maler Niederwerfer, wenn ich mich recht an den Namen erinnere), sowie Spruchbänder mit kyrillischen Schriftzeichen, schmückten die Fassade. Auf einem dieser Spruchbänder stand (so wurde es uns übersetzt) “Stalin, unsere Sonne“. Nach dem Sieg über Deutschland war Stalin auf der Höhe des später kritisierten „Personenkults“, und die Auswirkungen dieses Kults in Geithain sind aus historischen Gründen erwähnenswert. Innen sah die Kommandantur wie ein prächtiges Hotel aus. Auf dem Fußboden der Eingangshalle und die Treppe hinan lagen Teppiche. In der Halle standen Sofas unter Palmen und Gummibäumen. Oben im ersten Stock war, in der Mitte, das Zimmer des Kommandanten, tadellos möbliert mit den dunklen, geschnitzten Möbeln (Schreibtisch, Ledersessel, Ledersofa, Rauchtisch etc.), die man aus dem Herrenzimmer von Herrn Magnussen (der kurz vor dem Einmarsch der Russen mit seiner Familie nach Schleswig-Holstein geflohen war) herbeigeschafft hatte. Oben im Festsaal schliefen etwa 40 – 60 russische Soldaten. Die Offiziere hatten sich in Villen an der Robert-Koch-Straße und anderswo einquartiert. Nicht jeder Ort in Sachsen hatte damals eine Kommandantur. Ich war oft in diesem Gebäude, da der Sommerhof diese „Garnison“, wenn du es so nennen willst, mit Nahrungsmitteln versorgen musste. Fast täglich gab es Lieferungen an Milch, Butter, geschlachtetem Federvieh, Eiern, etc.. Ich glaube, Dir davon vor Jahren berichtet zu haben. Auch mussten die Bauern der Umgebung im Büro des Offiziers, der verantwortlich war für die Landwirtschaft, jeden Tag die Direktiven für den nächsten Tag abholen und eingehend über die Tätigkeit des Tages berichten. Also: Wie viele Fuder Heu oder Getreide wir eingefahren hatten, wie viele Acker beerntet oder gepflügt wurden, wie viele Schweine oder Kälber das Licht der Welt erblickten, etc. etc.. Über alles wurden Statistiken aufgestellt.

      Darüber habe ich Dir sicherlich schon berichtet. Oder? Einmal, als wir unser „Soll“ nicht erfüllt hatten, wurde ich für eine Nacht in der Kommandantur eingesperrt, in einer sehr ungemütlichen Zelle mit einem winzigen Fenster nach hinten hinaus. Ich glaubte, mein Ende sei gekommen. Aber am nächsten Tag verhörte mich der Kommandant, ein junger, schneidiger, und nicht unmenschlicher Bursche, in seinem Arbeitszimmer, und ließ mich frei. Gibt es denn keine Photos der Kommandantur aus der damaligen Zeit? Ich lege Dir eine schnelle Skizze bei, wie die damals aussah. (Bild 11)

      Beiliegend noch eine, und diesmal letzte Leseprobe über den CDU-Skandal in der hiesigen Presse. Auch etwas über Jörg Haider, das Euch vielleicht interessieren könnte. Wir bekamen von Freunden zu Weihnachten ein hochinteressantes Buch über Deutschland: „Deutschland auf Bewährung“ von Ulrich Wickert, Wilhelm Heine Verlag München. Das Buch solltest Du lesen. Ich habe viel daraus gelernt.

      Was noch? Sicherlich fällt mir alles mögliche ein, wenn der Brief weggeschickt ist. „Die Zeit“ hält uns recht gut auf dem Laufenden über Ereignisse in Deutschland, und trotzdem möchte man mehr wissen, besonders über das sich langziehende Zusammenwachsen von Ost und West bzw. über die Entwicklung der „Neuen Bundesländer“. Nun war ja der „Regionalismus“ in Deutschland Tradition. „Denn gleich hinter Meißen, pfui Spinne, kommt Preissen“! Die Bayern wären nach 1918 liebend gerne selbstständig geworden. Vielleicht fühlen sich alle besser, wenn Deutschland und alle seine verschiedenen Länder eines Tages völlig in einem vereinigten Europa aufgegangen sind.

      Die Wahlen zum Präsidenten in den USA ziehen sich, wie aller vier Jahre, endlos hin. Ein ganzes Jahr Wahlkampf, da will man schließlich gar nicht mehr hinhören. Bush hat schon 52 Millionen Dollar ausgegeben bisher, und die Wahl ist erst im November. Wo kommen diese Summen her? Von den Reichen natürlich, und zum Nutzen der Reichen wird schließlich die Politik sein, die der gewählte Präsident einschlägt. Nicht Demokratie, sondern Oligarchie ist der Name dieses Systems.

      Herzliche Grüße den Mitgliedern des Heimatvereins. Du schriebst von Eurem Aufenthalt in Bad Birnbach Wo ist Bad Birnbach und warum seid Ihr dort gewesen? Seid Ihr krank? Wir hoffen sehr, dass Gottfried einmal wieder die Zeit zu einem langen Brief findet. Mir ging es übrigens auch so, als ich mich zur Ruhe setzte. Da hatte ich so viel vor, dass mir die Zeit knapper wurde als vorher. Auch jetzt noch komme ich nicht zu all dem, was ich mir vornehme.

      Lieber Gottfried, liebe Karin: wir wünschen Euch ein frohes Osterfest. In diesem Sommer sind schon vier Jahre vergangen, seit Ihr hier wart. Das ist doch kaum zu glauben. Ihr solltet einmal wiederkommen. Mit den besten Grüßen von John + Gisela

       Geithain, 06.03.2000

      Liebe Gisela, lieber John, vielen Dank für den Brief mit den Beilagen vom 25.02.2000. Es ist richtig, die E-mail-Schreiberei verführt zur kurzen Form, ein richtiger Brief ist doch etwas anderes. Das Schreiben und das Versenden dauert aber länger! Na gut, hier und heute eben mal nach langer Zeit wieder ein konventioneller Brief.

      Ich habe in den letzten Wochen tatsächlich ziemlich intensiv an der Geschichte Geithains und speziell an der Guenther-Sache gearbeitet. Die Beiträge "Unterirdische Gänge" und "Stadtrundgang" sind da nur ein Teil. Dann stehe ich mit einigen Radfreunden von den Irlandtouren in ständiger E-Mail-Verbindung. Gestern gerade erhielt ich von Tina aus Nova Scotia 15 herrliche Farbfotos von der vorjährigen Tour. Terry aus L.A. ist ebenfalls eine ganz fleißige Schreiberin und kommt vielleicht in diesem Sommer nach Deutschland. Zwei ehemalige Schülerinnen vom Gymnasium Penig (eine in Mexico, die andere in Denver/Colorado) erzählen ausführlich über ihre Arbeit und ihr Leben dort und wollen natürlich auch wissen, wie es in Penig und Sachsen zugeht. Es ist schon eine herrliche Sache mit den neuen Medien, bei allem Schund, der natürlich auch im INTERNET vorkommt!

      Demnächst erwarte ich Antwort vom HEO (Historic Emigration Office) in Hamburg: Ist Paul Guenther 1890 von Hamburg aus nach USA gegangen oder nicht? Wenn ja, wann genau und mit welchem Schiff? Und--- ganz wichtig---wie lautete seine letzte Wohnanschrift in Chemnitz? Von 1879 bis 1884 wohnte er in Thalheim, am Eisenhammer. Danach ging er nach Chemnitz. Von da an fehlt uns die Adresse. In Thalheim war er Pate bei einer Familie Hahn. Die Gebrüder Hahn tauchen ja dann auch in Dover auf! Du weißt, sie hatten die Erfindung zum Fersenstricken gemacht (der sogenannte "Pointexheel"). Eine Familie Reinhardt (Guenther borgte sich dort in Dover etwas Geld für den Neuanfang) taucht in den umfangreichen Auswanderungslisten ebenfalls auf. Herr Hofmann, Heimatforscher aus Thalheim, von dem ich die Auskünfte erhielt, hat die Verbindung mit Archibald Nicolas (sein Vorfahr war ein Herr Rößler aus Thalheim) und George Coulthardt, dem Heimatforscher in Dover/N.J., aufgenommen. Ich gab ihm die Adressen, die ich damals von Dir bekommen habe. Herr Hofmann hat inzwischen über 200 Thalheimer mit Namen und anderen Daten, die von 1900 bis 1930 nach Dover ausgewandert sind. Ich glaube, viele der heutigen Einwohner von Dover können in Thalheim ziemlich detailliert Auskunft über ihre Vorfahren erhalten. Ich finde das alles wirklich toll! Die homepage vom HEO zu lesen, ist äußerst interessant. Unzählige Amerikaner bedanken sich dort, weil sie auf der Suche nach ihren Vorfahren dank HEO Erfolg hatten.

      Ich habe Dir ein vorläufiges Inhaltsverzeichnis von der ganzen Sache, mit der ich mich jetzt beschäftige, beigelegt. Du kennst natürlich vieles schon. Ich möchte eben alles, was bisher mehr oder weniger unabhängig voneinander entstanden ist, einmal zusammenstellen. Ob und wann dann etwas Richtiges daraus wird, weiß ich noch nicht. Der Titel allein wäre schon ein Problem. Kommt Zeit, kommt Rat! Im Frühling und Sommer werde ich ohnehin daran nicht wesentlich weiterarbeiten. Da gibt es so viel anderes zu tun. Bei den Kapiteln "Schulleben 1925-33“ und „…1933-1945“ stieß ich auf Kurt Klein, einen ehemaligen Lehrer an der Paul-Guenther-Schule, der Dich interessieren könnte. Klein war nach 1945 in den Kreisen Borna und Geithain geradezu eine Institution in Sachen Kultur und Lehrerweiterbildung. Er stand СКАЧАТЬ