Название: El Raval
Автор: José R. Brunó
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960082033
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In der Forensik war Supervisora Laura Velasquez für die kriminaltechnischen Untersuchungen die erste Ansprechpartnerin. Sie war der Kopf der Kriminaltechnik und bei jeder Obduktion dabei. Laura hatte ein Praktikum in den USA gemacht und war ausgebildete Forensikerin.
Sie war siebenundzwanzig Jahre alt und wer sie einmal gesehen hatte, wusste, warum viele Kollegen so gerne in die forensische Abteilung gingen. Die Supervisora war eine ausgesprochene Schönheit. Ihr hübsches Gesicht, ihre dunklen Augen, ihre langen schwarzen Haare und ihre langen Beine, die durch Schuhe mit hohen Absätzen nochmals betont wurden, verliehen Señora Velasquez eine besondere Aura. Sie war sich ihrer Schönheit bewusst und legte es offensichtlich darauf an, allen Männern den Kopf zu verdrehen. Auch Pep war beeindruckt und versuchte hin und wieder, ein paar schlaue Sätze loszuwerden, für die er sich im Nachhinein reichlich blöd vorkam.
In den nächsten Monaten passierte nicht viel, was man als aufregend hätte bezeichnen können. Die beiden Polizisten waren inzwischen befördert worden. Aus Pep war Inspektor Cardona und aus Xavi war Subinspektor Fernandez geworden.
Sie wurden täglich ins Barrio Chino gerufen – wenn sie nicht bereits dort waren – um irgendwelche Streitigkeiten zwischen den Huren und deren Kunden zu schlichten. Pep waren diese Geschichten bestens bekannt. Revierkämpfe unter den Huren und Freiern, die randalierten, weil sie bestohlen worden waren, waren die Regel. In einigen Fällen ging es darum, Zigeuner zu verhaften, die gerade mal wieder Touristen beklaut hatten oder Jugendlichen nachzujagen, die Frauen die Handtaschen entrissen hatten. Einige dieser Kleinkriminellen wurden mit in die Jefatura genommen, um sie erkennungsdienstlich zu erfassen und dem Haftrichter vorzuführen. Die Zeit, in der man ihnen eine Tracht Prügel verpasste, bevor man sie wieder laufen ließ, war zwar vorbei, aber ab und an wurde die Prügelstrafe doch noch angewandt.
Die beiden Polizisten fuhren als Dienstwagen einen Renault R14, der seit einigen Jahren weder von außen gereinigt wurde, noch eine Werkstatt von innen gesehen hatte. Mit diesem Gefährt gingen die beiden täglich auf Streife in ihrem Revier. Einen Führerschein besaßen weder Pep noch Xavi, den hatte man automatisch, wenn man bei der Polizei war. Es war nur eine kurze Einweisung auf dem Lehrgang in Avila vonnöten gewesen. Die beiden hatte man mit einem sogenannten Beeper ausgestattet, den sie am Hosenbund trugen. Wenn ein Anruf einging, musste man schleunigst ein Telefon aufsuchen, um die Nummer anzurufen, die auf dem Beeper stand. Es war eine neuartige Erfindung aus Amerika. Eine andere Möglichkeit gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht und den Luxus, Funk oder Telefon im Auto zu haben, konnte man sich bei der Polizei nicht leisten, schon gar nicht in Fahrzeugen, die nicht als Dienstfahrzeuge gekennzeichnet waren.
Die beiden Inspektoren fuhren regelmäßig durch ihr Viertel, um Präsenz zu zeigen, wobei die Uniform ein probates Mittel war, sich Respekt zu verschaffen.
Ansonsten war für ihre Arbeit die Uniform nicht dringend vorgeschrieben. Sie mochten diese braune Uniform außerdem nicht besonders, weil sie in den Sommermonaten unerträglich warm war.
Bei ihrer täglichen Arbeit zollten ihnen die Huren den meisten Respekt. Sie waren es, die stets bemüht waren, so gut wie möglich mit der Polizei auszukommen. Pep und Xavi hatten die ehemalige Hure Conchita auf der Straße getroffen, die Pep schon von Kindesbeinen kannte. Sie war vom Leben auf der Straße gezeichnet und Pep konnte sich erinnern, dass sie einst eine gut aussehende Prostituierte gewesen war. Inzwischen hatte sie dreißig Kilo zugelegt und einiges an Attraktivität verloren, was das Leben für sie nicht leichter machte.
Conchi schaffte schon so lange in der Sant Fernando an wie Pep denken konnte. Sie hatte auch sonst kein Glück gehabt, was sie nie müde wurde zu betonen. Sie hatte mit dem blinden Losverkäufer Mariano zusammengelebt, der vor Kurzem gestorben war. Durch ihre krankhafte Neugierde entging ihr nichts, was im Barrio Chino passierte und sie war immer bestens informiert. Conchita war geradezu versessen darauf, Pep mit Neuigkeiten zu überschütten, seitdem sie wusste, dass er bei der Polizei war. Sein Wunsch, ihr zu begegnen, hielt sich für Pep in Grenzen, wobei sie als Informantin das Beste war, was man sich als Polizist in El Raval vorstellen konnte. Wenn hier etwas passierte, schien sonst weder jemand etwas zu wissen noch gehört oder gar gesehen zu haben.
Der August war wie immer der heißeste Monat des Jahres und die Temperaturen stiegen teilweise auf unerträgliche vierzig Grad Celsius. Die Innenstadt war völlig verwaist und man hatte das Gefühl, dass Barcelona ausgestorben sei. Die Leute machten Urlaub und verzogen sich in die nahe gelegenen Küstenorte.
Immerhin war Barcelona in diesen Tagen eine Erholung für jeden Verkehrsteilnehmer. Das Autofahren war in den restlichen Monaten eine Tortur. Man brauchte oftmals stundenlang, um von A nach B zu kommen.
Die einzige Möglichkeit, sich schneller durch die Stadt zu bewegen, war die Metro, wobei die meistens hoffnungslos überfüllt war.
Es war Sonntag, der vierundzwanzigste August und Pep hatte seinen Kollegen angerufen, ob er Lust habe, mit ihm nach Sitges an die Playa zu fahren. Xavi war schon andere Kompromisse eingegangen.
Pep musste das Viertel mal einen Tag verlassen, um ein wenig Abstand zu gewinnen.
Pep beschloss, nach Badalona zu fahren, was schnell zu erreichen war und wo er die Seele baumeln lassen konnte. Er liebte es, allein zu sein und stundenlang aufs Meer zu schauen. Außerdem kannte er dort ein Restaurant am Wasser, deren Wirtin eine Kundin und Freundin seiner Mutter war. Hier konnte man köstlich zubereiteten Fisch essen, der täglich fangfrisch zubereitet wurde.
DAS UNBEKANNTE OPFER
Es war Donnerstag, der letzte Tag im Juli 1980. Die Nächte waren genauso unerträglich wie die Tage. Die Sommerhitze hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die Temperaturen überstiegen am Tage die vierzig Grad Celsius und nachts wurde es nicht merklich kühler.
Es war sechs Uhr fünfzehn, als bei Pep das Telefon schellte, welches die Telefongesellschaft erst zwei Tage vorher installiert hatte. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, was diesen Lärm verursachte. Das erste Mal in seinem Leben wurde er privat angerufen.
Schlaftrunken ergriff er den Hörer des Telefons, welches direkt neben seinem Bett auf dem Nachtschrank stand.
Es war seine Dienststelle, die ihm mitteilte, dass auf den Ramblas del Raval eine Frauenleiche gefunden worden war.
Schnell zog Pep sich an und verließ eilig das Haus. Der Fundort der Leiche war nur wenige Minuten von seinem Zuhause entfernt und als er die Ramblas de Raval betrat, sah er auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine riesige Menschenmenge. Es war gerade sechs Uhr fünfundvierzig und noch nicht einmal richtig hell. Die Kollegen der Guardia Civil waren schon vor Ort und damit beschäftigt, neugierige Schaulustige zu vertreiben. Unter ihnen war der Kollege Javier Fernandez, der ebenfalls versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen.
Es dauerte eine Weile, bis Pep sich an den Ort des Geschehens durchgearbeitet hatte und das ganze Ausmaß des Grauens erkennen konnte.
Auf einer Parkbank saß eine Frau, die auf den ersten Blick zu schlafen schien, wäre da nicht die Blutlache gewesen, die sich vor ihr und über die gesamte Bank verteilte. Am Boden lag eine geöffnete Handtasche.
Die Dame war leicht bekleidet. Es war unschwer zu erkennen, dass sie eine Prostituierte war.
Doktor Montes kniete vor ihr und schaute von unten zu ihr hoch. Laura war damit beschäftigt, die Hände des Opfers zu untersuchen.
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