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Wer denkt, dass ein Reisender auf der Via Agrippa jenseits der großen Städte tagelang ohne Versorgung und Annehmlichkeiten seinen holprigen Weg durch Wald und Flur bestreiten musste, irrt sich. Für die Römer gehörte zu einer guten Infrastruktur auch eine gute Ausstattung: Raststätten, Übernachtungsmöglichkeiten und Pferdewechselplätze in regelmäßigen Abständen waren das Minimum.
Das Straßendorf (vicus) Tolbiacum hatte noch mehr zu bieten. Es gehörte gerade noch zum Verwaltungsbereich von CCAA und war vielleicht im Zuge von Agrippas Straßenbaumaßnahmen als wichtiger Kreuzungspunkt zwischen den Fernstraßen nach Trier, Reims, Xanten, Köln, Bonn und Jülich zu einer größeren Siedlung mit Wegestation ausgebaut worden. Im 2. Jh. wurde der kleine Ort mit einer öffentlichen Thermenanlage ausgestattet, die natürlich auch für Reisende zugänglich war. Was konnte es Schöneres geben, als nach einem Tagesmarsch oder einer langen Fahrt den erschöpften Leib in heißem Wasser zu laben und sich den Dreck, der vielleicht bei nassem Wetter von der Straße hochgespritzt war, von der Haut zu schaben? Wie auch die aufwändigeren Verwandten in den großen Städten verfügte das hiesige Bad über alle Elemente einer typischen römischen Thermenanlage. Man zog sich im apodyterium um, absolvierte dann Kaltbad (frigidarium), Warmbad (tepidarium) und Heißbad (cadarium) und konnte sich in einem zentralen Gymnastikhof (palaestra) sportlich betätigen (Abb. 8). Da sich in Tolbiacum mehrere Fernstraßen trafen, war der Ort belebt mit Durchreisenden, und wo konnte man besser neue Kontakte knüpfen und sich beim Schwitzen oder Wässern unterhalten als hier? Die Thermen waren für die Römer das, was für unsereinen der Stammtisch ist. Man reinigte sich hier nicht nur, sondern man kam zusammen und unterhielt sich, machte Geschäfte. Man kann sich durchaus vorstellen, dass zwei Geschäftsleute aus verschiedenen Provinzen sich hier im caldarium kennenlernten und spontan auf einen Handel einigten.
Heute sind die Reste dieser Thermenanlage im Zülpicher Museum für Badekultur zu besichtigen. Besonders die didaktische und mediale Aufbereitung der Ausgrabung lässt die erhaltenen Beckenreste, Heizungsschächte und Mauern zum Leben erwachen.
Abb. 8 Durch die Hypokaustenheizung wurden Becken und Fußböden von unten mit heißer Luft erwärmt. Zülpicher Museum für Badekultur.
Wenig nördlich der Thermen auf einem Verkehrskreisel auf der Römerallee, die den schnurgeraden Verlauf der Agrippastraße nachvollzieht, ist heute die Kopie eines römischen Meilensteins zu sehen, der die Entfernung nach Köln mit 30 Leugen (35,2 km) angibt, eine gute Tagesreise. Noch interessanter sind die drei weiteren Inschriften mit den Namen der jeweils amtierenden Kaiser. Leider ist die erste Inschrift nicht mehr lesbar, denn es war üblich, die Namen von Kaisern auf öffentlichen Inschriften zu tilgen, wenn sie zum Staatsfeind erklärt worden waren, z. B. durch einen siegreichen Nachfolger.
Die zweite Inschrift ist Kaiser Licinius geweiht, die dritte Kaiser Konstantin und seinen Söhnen. Beide Männer hatten zwischen 308 und 324 n. Chr. gemeinsam das Römische Reich regiert, zerstritten sich aber und Konstantin ließ seinen Konkurrenten schließlich umbringen. Dementsprechend hat man versucht, die erste an Licinius gerichtete Inschrift zu tilgen, allerdings blieb sie für uns zu entziffern. Getilgt wurde auch in der zweiten Inschrift der Name Crispus, Konstantins Sohn, den sein Vater wegen Verrats ebenfalls hatte ermorden lassen.
Literatur:
Horn, H.G.: So badeten die Römer. Rund um die Thermen von Zülpich. Zülpich 2008.
Was verängstigte Reisende für das Werk von barbarischen Germanenhorden halten mögen, kann die Boten und Händler, die regelmäßig die Eifel auf der Via Agrippa durchqueren, nicht schrecken. Hier wird Kalk für das Imperium gebrannt!
03 IVERSHEIM – STINKENDER RAUCH ZIEHT ÜBER DIE VIA
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Tief im Wald der Eifel auf der Höhe von Mechernich war es durchaus möglich, dass dem Reisenden des 2. und 3. Jhs. der Gestank von verbranntem Holz, Asche und nicht organischen Stoffen in die Nase drang, oder dass entfernte Rauchsäulen zwischen den Hügeln aufstiegen. Die Rede ist nicht von Brandschatzung, sondern von einem der größten Kalkabbaugebiete nördlich der Alpen, der 25 km langen Sötenicher Kalkgrube. Kalk- und Dolomitgestein wurde hier für die Kalkherstellung in Massen abgebaut, Spuren von antiken Steinbrüchen gibt es zu Hauf und auch mehrere Kalkbrennereien wurden entdeckt, eine davon in Iversheim, das ca. 10 km östlich der Via Agrippa liegt (Abb. 9).
Die 30 m lange Anlage am Hang der Erft, heute am Kalkarer Weg nahe den Gleisen gelegen, bestand aus vier, später sechs 4 m hohen Brennöfen, in denen bei einer Temperatur von bis zu 1.050 Grad Dolomit zu Kalk verbrannt wurde, welcher zur Herstellung von Mörtel diente. Dieser war auf den Baustellen der Provinz heiß begehrt, denn der nierdergermanische Limes musste mit Kastellen befestigt werden. Auch Straßen mussten gebaut und nach den ersten Germaneneinfällen um 270 n. Chr. Häuser und Abwehranlagen wiederaufgebaut und verstärkt werden.
Die Betreiber dieser Brennerei waren keineswegs Privatleute, sondern Legionäre, wie aus zwölf Weihesteinen hervorgeht, die in dieser und den nahegelegenen Brennereien gefunden wurden. Auf den ersten Blick ist die Vorstellung, dass Soldaten einen Brennofen betreiben, etwas merkwürdig, doch in Anbetracht der Tatsache, dass gerade in den Provinzen die Legionäre den größten Teil der Infrastruktur errichteten, weil es nicht genügend Personal gab, nicht unbedingt verwunderlich. Die Weihesteine sind an verschiedene Götter gerichtet, z. B. passenderweise an Minerva, die u. a. für das Handwerk zuständig war. Ihnen ist zu entnehmen, dass in der Brennerei Legionäre der 30. Legion Ulpia Victrix aus Xanten und der ersten Legion Minervia aus Bonn gearbeitet haben. Auch ein Legionär der dritten Legion Cyranaica, die in Arabien stationiert war, war – vielleicht als Experte – vor Ort. Die Arbeit war hart und erfolgte in Schichten. Zwei Öfen brannten gleichzeitig. Es dauerte ca. eine Woche, bis der Kalkstein in einem Ofen durchgebrannt war. Noch einmal zwei Tage, um ihn aus dem Ofen herauszuholen. Dann wurde er verladen – vermutlich auf Schiffe, die ihn über die damals noch tiefere und breitere Erft abtransportierten. Gleichzeitig musste massenweise Brennholz für die Öfen geschlagen werden, nicht zu vergessen Kalkstein geschlagen – direkt über der Brennerei befand sich ein Steinbruch. Dieser musste erst zur Brennerei hinuntergeschleift und dann noch in kleine Brocken, die in den Ofen passten, gebrochen werden. Eine nicht ganz ungefährliche Arbeit, bei der man durchaus die schützende Hand der Götter gebrauchen konnte.
Abb. 9 Zwei von ursprünglich sechs Brennöfen in der Kalkbrennerei Iversheim.
Drei der insgesamt sechs Brennöfen sind in einem Schutzbau zu besichtigen. Einer davon wurde nicht geleert und ermöglicht es somit, gebrannte Kalkreste zu sehen. Vor dem Schutzbau, am Eingang, steht ein weiterer Ofen, der für ein wagemutiges Experiment wieder funktionstüchtig gemacht wurde. Um herauszufinden, СКАЧАТЬ