Explorer ENTHYMESIS. Matthias Falke
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Название: Explorer ENTHYMESIS

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783943795325

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СКАЧАТЬ dass wir ein bisschen in Deckung gegangen sind, war schon nicht verkehrt. Ich möchte trotz allem nicht unter sowas liegen. Ob anorganisch oder nicht ...« –

      Zu gerne hätte ich etwas zurückgelassen, eine Sonde, einen Droiden, wenigstens eine automatische Kamera, aber wir hatten nichts dabei, außer unserer eigenen Ausrüstung, die wir dringend benötigten – und umso dringender, je weiter wir jetzt vorstießen. Es blieb uns nichts übrig als weiterzumarschieren. Die Position der Erscheinung, die Bilder der Helmkameras, die Daten der Scanner und leider wohl auch die Protokolle unserer kurzfristigen Hysterie waren allesamt im lokalen Logbuch abgelegt – ich hoffte zumindest, dass der crashbedingte vorübergehende Ausfall meines Systems keinen allzugroßen Schaden angerichtet hatte. Wir wanderten weiter, wobei wir jetzt dichter beieinander blieben. Das war nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme gegen vorzeitiges Verschüttgehen, sondern vor allem auch in der lokalen Kommunikation begründet, die immer labiler wurde. Mit jedem Grad, fast jeder Bogenminute, die wir nach Norden kamen, nahmen die atmosphärischen Störungen zu. Bald konnten wir uns nur noch verständigen, wenn wir auf mindestens dreißig Fuß aneinander herangingen, und wir hatten immer mehrere Frequenzen synchron geschaltet, weil fast laufend irgendeine ausfiel.

      Das »Schlangen-Nest« übrigens – wie wir es ironisch tauften – hatte seine Aktivität eingestellt, noch während wir an seinem Rand vorübergingen. Die Temperatur- und Druck-Unterschiede zwischen der Unterwelt und der Atmosphäre hatten sich ausgeglichen. Der Scanner registrierte 157 Einzelstränge, und wir nahmen ein hochauflösendes Hologramm in den Recorder. Die Wülste und Bruchstücke lagen in leichigem Weiß übereinander und zerbröckelten so rasch, wie sie entstanden waren. Sublimation -. das Eis verdunstet ohne flüssiges Zwischenstadium.

      Die Nordlichter nahmen an Häufigkeit und Intensität beständig zu, und sie waren auch nicht mehr auf den Himmel beschränkt, sondern schienen sich trichterförmig nach unten hin fortzusetzen. Dort war der Magnetische Pol, dessen Feld enorme Strahlungen freisetzte und dem wir uns an diesem Tag noch bis auf wenige hundert Kilometer näherten.

      Wir waren seit achtzehn Stunden unterwegs, wie damals am Chimborazo, als ich halten ließ. Die Ebene war immer noch – oder wieder – völlig ereignislos. Der Wind war trotz der Stabilisatoren spürbar, aber er würde unserer Kuppel nichts anhaben können. Wir stellten das Zelt auf. Wieder ging Jennifer zuerst hinein, während ich aus antiquierten Pfadfinder-Instinkten noch einen Rundgang machte, die Verankerungen prüfte, das virtuelle Gyroskop durchcheckte. Dann sah ich über die Ebene. Es war ausgeschlossen, dass hier irgendjemand über Nacht vorbeikommen würde, abgesehen davon, dass es keine Nacht gab, sondern nur die ewige Dämmerung des polaren Sommers. Aber gerade das schien mir noch viel unheimlicher. Wären Wölfe oder Eisbären zu befürchten gewesen, dann hätte man es wenigstens mit etwas zu tun. Was uns hier umgab, war schlimmer, es war das eisige, dunkelblaue, schweigende Nichts. Wir befanden uns in einer Abgeschiedenheit, die in dieser Form noch kaum vorgekommen war. Die Abenteurer und Entdecker vor Marconis Erfindung – danach gab es existenzielle Einsamkeit nicht mehr – waren immerhin noch auf der Erde gewesen, und die Eroberer anderer Welten hatten praktisch immer Funkkontakt gehabt. Dass wir uns auf einem anderen Planeten und noch dazu in extrem hohen Breiten befanden, ohne Außenkontakt, über Tage hinweg, inmitten einer unermesslichen Wüste ...

      Ich sah mich wieder, wie ich heute mittag durch die Luft gestrampelt und gleich darauf auf den Boden gekracht war, und der bloße »Was-wäre-wenn-Gedanke« – ein gebrochener Knöchel, ein Riss im Raumanzug, ein Ausfall der Automatik – ließ mich frösteln. Ich ging hinein.

      Jennifer saß auf ihrer Koje. Sie hatte das Unterzeug freundlicherweise angelassen. Gerade betrachtete sie nachdenklich ihren linken großen Zeh. Sie hatte es fertiggebracht, sich Blasen zu laufen. Wie das in den sensoriellen Anzügen möglich ist, war mit zwar unerklärlich, aber es war nun nichts zu machen. Ich behandelte sie mit Dermital-Spray, verödete die größten Löcher – zu was so ein Hochenergie-Scanner nicht alles gut ist! –, und massierte dann lange ihre geschundenen Füße, deren mediterranes Braun sich aufs Allererotischste vom Baumwoll-Weiß unserer Anzüge abhob. Nach Abendessen und Lagebesprechung gingen wir gleich ins Bett, und immerhin hatte sie ihre Koje heute direkt neben meiner geparkt. Das sah ja schon fast nach Versöhnung aus. Zu was gemeinsame Abenteuer nicht immer gut sind! Wir lagen noch eine Weile im polarisierten Licht und plauderten nach dem Motto:

      »Du ...«

      »Mmm ...?«

      »Wie du mich da heute rausgeholt hast ...«

      »Mhm? ...«

      »Das war sehr – souverän. Danke!«

      Und dann fragte ich sie, ob sie Angst gehabt hätte, und sie meinte. »Klar!, aber viel größeren Schiss habe ich gehabt, als du an der Kante standest und das Ding hinter dir über den Kraterrand kam und seinen Dreißig-Metert-Hals langsam runterbeugte. Also, das hättest du echt sehen müssen!« Und dann fragte sie mich, ob ich denn keine Angst gehabt hätte. Naja, ich tastete mich mal langsam vor, aber als ich in der Luft rumgerudert hatte, war die Übertragung wohl schon ziemlich im Eimer gewesen, und sie hatte jedenfalls nicht gehört, wie ich geschrien hatte. Ich beschränkte mich also auf allgemeine Andeutungen, so nach dem Motto:

      »Hab’ ich dir mal erzählt, wie ich auf Merkur war und mein Anzug gerissen ist, und draußen herrschten 270°C – und gleichzeitig natürlich extremer Unterdruck?«

      »Und?«

      »Das war schlimmer!«

      Dann lagen wir wieder da und lauschten auf das feine Singen des virtuellen Kreisel-Kompasses, der die Deformationen, die der Sturm unserer schönen Jurte beibringen wollte, ausglich und abfederte.

      »Du ...«

      »Mmm?«

      »Wie alt willst du werden?«

      Denn das konnte man sich ja weitgehend aussuchen. Natürlich nicht auf den Tag genau. kaum das Jahr. Nur so grob eben, wie es der genetischen Disposition unterlag, ob man nun achtzig, neunzig – das war etwa die Regel – oder meinetwegen hundertzehn werden wollte. Es gab auch kühne Einzelkämpfer – oft sogenannte »Selbstversuche« im Regierungsauftrag –, die hatten sich auf »unsterblich« programmieren lassen. Die Ältesten von ihnen – mal überschlagen, so lange gab’s die Möglichkeit noch gar nicht – mussten jetzt rund dreihundert Lenze auf dem Buckel haben. Die meisten hatten aber bald die Schnauze voll – so nach hundertfünfzig Jahren wurde es anscheinend langweilig –, und ließen sich dann ganz gelassen wegspritzen. Natürlich lag es vor allem an den Eltern, wie die einen designt hatten. Postnatale Eingriffe waren schwierig. Und sie wurden um so schwieriger, je später sie durchgeführt wurden. Äußere Einflüsse kamen komplizierend dazu. Etwa bei uns Nordlandfahrern. Es gab immer noch keine genauen Untersuchungen darüber, wie Erd- und Raumjahre – die bei mir schon um mehr als Faktor 2 auseinanderklafften – gegeneinander zu verrechnen seien.

      »Ich habe mich auf hundert Erdumläufe eintragen lassen, das ist ‘ne runde Sache und auch nicht übertrieben bescheiden. Schließlich ist man ja wer. Davon habe ich jetzt satt die Hälfte rum. Nach diesem Trip hier wird mein Zähler auf 54 stehen. Warum fragst du?«

      Aber von drüben kam nur noch ein genießerisches Grunzen, und ich hörte, wie sie sich auf ihrer Koje herumwarf. Hatte sie sich erkundigen wollen, ob ich noch in Frage kam? Wie war wohl ihr genauer Kontostand? Dann wurde es ruhig. In dieser Nacht schlief ich sehr gut.

      Wir waren am Pol. Seine Position bestimmte Jennifer auf 88° 17’ Nördlicher Breite und 27° 25-30’ Östlicher Länge. Eine genauere Eingrenzung schien nicht möglich, wie es sich überhaupt um kein punktförmiges Datum handelte. Vielmehr schien ein breitgestreutes Bündel von Strahlungen und Feldkräften hier СКАЧАТЬ