Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Nacht über der Prärie

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305607

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СКАЧАТЬ Gespräch nebenan dauerte länger, als es zwischen Beamten und Indianern üblich war. Erst nach zehn Minuten wurde die Tür wieder geöffnet und geschlossen, genauso leise wie beim Eintreten des Besuchers. Die Schritte gingen in dem Tempo, in dem sie gekommen waren, wieder aus dem Haus hinaus. Diese Schritte hatten mit ihrer Gleichmäßigkeit und Leichtigkeit etwas durchaus Unpersönliches an sich. Ed Crazy Eagle hatte tatsächlich mehr die Vorstellung, dass sich diese Schritte selbständig bewegten, als dass hier ein Mensch ging, der hätte zögern oder sich beeilen können.

      Kate Carson konnte durch das Fenster nichts mehr beobachten, denn der Besucher hatte jetzt die andere Richtung eingeschlagen.

      Frau Kate, verwitwete Carson, öffnete die kleine Tür der Barriere, fest entschlossen, nun zu Haverman hinüberzugehen. Da stürzte Haverman schon herein. Er hatte noch genug Fassung, um den Richter Crazy Eagle höflich zu begrüßen, dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und faltete die Hände vor dem Gürtel, ein Zeichen, dass er sich selbst beruhigen wollte. Sein weißes Hemd war unter den Armen verschwitzt.

      »Frech, was?«

      »Wer?« fragte der Blinde.

      »Joe King war bei mir.«

      »Was hat er Ihnen vorgetragen?«

      Die etwas in Unordnung geratenen Gedanken und Gefühle Mr. Havermans ordneten sich im Nu zu einem amtlichen Bild. »Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm.« Haverman netzte die Lippen mit der Zunge. »Ausgerechnet Joe King. Er kann in der Angelhakenfabrik anfangen, habe ich ihm gesagt, morgen schon, wenn er will. Aber es geht ihm nicht darum zu arbeiten; es geht ihm nur darum, uns Scherereien zu machen. Er ist sozusagen ein professioneller Prärie-Indianer.«

      »Was hat er denn für Vorstellungen?«

      Mr. Haverman stierte den Blinden verblüfft, wenn auch keineswegs unfreundlich, an. »Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Ich habe sozusagen jeden Moment darauf gewartet, dass er einen Colt oder ein Messer oder einen anderen unangebrachten Gegenstand hervorholt. Er hat von Pferdezucht gesprochen, von Rodeo-Pferden … Also bitte, sein Vater hat den Boden für eine Ranch, er kann ja anfangen … wenn er arbeiten will.«

      »Kaufen Sie die Zuchtpferde?«

      »Für den? Nein. Die Familie Booth haben wir unterstützt, der Erfolg ist da … nicht gerade die teuren Rodeo-Pferde, aber brauchbares und verkäufliches Rindvieh, neuerdings auch schwarzes Vieh, das ist zäher. – Übrigens sollte man den Burschen einmal ins Hospital einliefern und auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Diese Augen! Ganz normal ist der nicht. Ihre Frau ist doch im Hospital angestellt, Mr Crazy Eagle. Kann sie nicht mit den Ärzten sprechen?«

      »Der Gesundheitsdienst arbeitet nicht mehr mit Polizeimethoden.«

      »In diesem Falle beinahe schade.«

      »Kommt Joe King noch einmal, Mr Haverman?«

      »Zu mir kaum. Aber ich habe ihm empfohlen, es mit Kaninchen zu versuchen, wenn er durchaus züchten will. Die Angelhakenfabrik wäre allerdings besser. Mitten unter anderen hat man ihn unter Kontrolle. Wenigstens tagsüber.«

      Kate Carson schaute auf die Uhr.

      »Wir müssen essen gehen, es ist schon zwölf Uhr dreißig. Kommen Sie mit, Ed?«

      »Danke.«

      Der Blinde fand mit den beiden anderen zusammen den Weg in den Vorgarten zu der Bank, die hier aufgestellt war. Er verabschiedete sich und ließ sich im Schatten eines Baumes nieder. Der indianische Gärtnerbursche hatte den Rasen gesprengt. Für die Agenturstraße gab es aus Tiefbrunnen noch immer Wasser, obgleich das Land unter dem blauen Himmel wie in einer Bleikammer ausdörrte. Der Gärtnerbursche hatte auch Mittagspause machen wollen, doch als er sah, wie der Blinde sich niederließ, fing er an, Unkraut zu jäten. Ed Crazy Eagle kaute an einem Stück trockenen Brots, das war sein liebster Lunch. In der Baumkrone über der Bank putzte ein Vogel seine Federn.

      Der junge Bursche stand neben einem Häufchen Unkraut.

      »Was gibt es denn Neues?« fragte ihn Crazy Eagle.

      »Ni-ichts.«

      Es gab also etwas. Natürlich gab es etwas. Der Bursche hatte Joe King gesehen. Vielleicht beneidete er ihn um das weiße Hemd und den schwarzen Cowboyhut, vielleicht auch darum, dass er die richtige Figur für Jeans hatte. Der Gärtner war kleiner, unscheinbar und fleißig. Ed wusste das.

      »Wann wird geheiratet?« fragte er ihn.

      »Der Vater sagt nicht ja. Er meint, ich sei viel zu jung, mit der Schule nicht fertig, mit der Lehre nicht fertig, und Laura habe bessere Aussichten. Seitdem sie hier Sekretärin geworden ist.«

      »Was sagt sie denn selbst?«

      »Wie die Mädchen eben sind.«

      »Geht ihr morgen tanzen?«

      »Sie will twisten, aber ich mag das nicht. Morgen gehe ich sowieso nicht …«

      »Warum nicht?«

      »Joe King ist wieder da.«

      »Dann gibt es Streit?«

      »Das ist sicher.«

      »Seid ihr nicht Manns genug, wenn ihr euch zu fünft oder zu zehnt gegen ihn zusammentut?«

      »Er hat auch seine Freunde. Und mit fünf nimmt er es allein auf. Er schämt sich auch nicht, das Messer zu ziehen.«

      Der Vogel in der Baumkrone hielt seine Mittagsruhe. Die Straße lag leer. Nur die parkenden Autos erinnerten daran, dass in den Häusern Menschen wohnten.

      »War Stonehorn mit dem Wagen hier?«

      »Er kam zu Fuß. Wie er den Weg von New City hierher gemacht hat, wer will das wissen? Wenn er einen Wagen oder ein Pferd hat, wird er es uns nicht zeigen.«

      »Warum nicht?«

      »Weil er vielleicht nicht mehr gefunden werden will … morgen oder übermorgen.«

      »Warum nicht?«

      »Fragen Sie Harold Booth, Mr. Crazy Eagle. Der kann Ihnen sagen … wovor er Angst hat.«

      Auf der Straße rührte es sich. Die Beamten kamen zu ihren Wagen, um von ihren Privathäusern die wenigen Meter zurück zu den Büros zu fahren. Manche Wagen wechselten nur die Straßenseite.

      Der Gärtnerlehrling schaute zu und verbarg seine Gedanken.

      Für den Freitagnachmittag waren keine Gerichtstermine mehr angesetzt, aber Ed wollte sich für die Verhandlungen in der nächsten Woche schon vorbereiten. Mit der vorsichtigen, tastenden Gangart des Blinden machte er sich auf den Weg zu dem kleinen Gerichtshaus.

      Haverman lief ihm nach.

      »Darf ich Sie fahren, Mr. Crazy Eagle? Haben Sie Ihren Wagen nicht da?«

      »Danke, der Wagen ist da, aber ich laufe die paar Schritte.«

      Haverman schüttelte den Kopf und begab sich in sein Dienstzimmer.

      In der schmalen СКАЧАТЬ