Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990. Heinz Scholz
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Название: Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990

Автор: Heinz Scholz

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783867775649

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СКАЧАТЬ bemerkenswert: Wladislaw Gomulka, Altkommunist und nach 1949 mehrere Jahre in Haft, war nun, plötzlich rehabilitiert, zum Ersten Sekretär der PVA gemacht worden, und die Pflicht zur Kollektivwirtschaft wurde aufgehoben; Bauern durften in Polen jetzt wieder privat wirtschaften und leben! Es war also zu erkennen: Trotz – oder mit – sowjetischer Intervention hatte man nachgeben müssen!

      Äußerst interessiert und mit Anteilnahme hatten wir dann die Ereignisse in Ungarn verfolgt. Wie es im Herbst 1956 dort zu starken Unruhen gekommen war, die sich im Oktober/​November zugespitzt und zu einem Volksaufstand in Budapest geführt hatten, der dann nur durch das militärische Eingreifen der sowjetischen Streitkräfte mit blutiger Gewalt niedergeschlagen werden konnte. – Ich erinnere mich, wie eines Abends, vom westdeutschen Rundfunk übertragen, die letzte eindrucksvolle Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Imre Nagy zu hören war. Der Hilferuf eines Kommunisten, der mit dem gemäßigten Flügel der Partei den stalinistischen Kurs überwinden und einen reformierten Sozialismus anstreben wollte. Angesichts des Vordringens sowjetischer Panzerverbände auf Budapest hatte er in seinem letzten verzweifelten Hilferuf die übrige Welt um Unterstützung für das ungarische Volk gebeten. Wir waren tief berührt und wirklich traurig über den tragischen Ausgang dieser hoffnungsvollen sozialistischen Revolution. Natürlich wussten wir damals nichts Genaueres über Hergang und Ausmaß der Kämpfe, auch noch nicht, dass man wenig später Imre Nagy gegriffen, in die Sowjetunion verschleppt und 1958 zum Tode verurteilt hatte.

      Aus meinen Zeitungsartikeln konnte ich damals lesen, dass es natürlich „die verbrecherischen, konterrevolutionären Feinde und Putschisten“ waren, die „angestachelt von imperialistischen Agenten und Einflüssen“ die „Ungarische Volksdemokratie beseitigen“ wollten, und dass es der Solidarität der sowjetischen Genossen und Soldaten zu verdanken sei, dass der Sozialismus in Ungarn und damit der Weltfriede gerettet worden sei und so weiter und so weiter.

      Irgendwann in jener Zeit 1956/​57, als ich abends den deutschsprachigen Londoner Rundfunk hörte, gewann ich Zugang zu einer interessanten Serie gesendeter Lesungen aus Wolfgang Leonards Buch „Die Revolution entlässt ihre Kinder“. Ich hatte diese Lesungen von Buchausschnitten mit großem Interesse verfolgt. Wohl ein Jahr danach drückte mir eine befreundete Kollegin ein Exemplar dieses Buches in die Hand. Irgendwer hatte es ihr „aus dem Westen“ mitgebracht! Es war sehr aufschlussreich für mich, was der kommunistische deutsche Emigrant Wolfgang Leonard über seine Erfahrungen mit dem Stalinismus in Moskau und auf der sowjetischen Antifa-Schule zu berichten wusste. Es war das erste Mal, dass ich aus einem authentischen subjektiven Erfahrungsbericht Näheres über interne parteipolitische Vorgänge und stalinistische Machenschaften innerhalb der Sowjetunion erfuhr. Vor allem darüber, wie Stalin mit redlichen Kommunisten und kommunistischen Emigranten umgegangen war. Auch über Strategie und Taktik der „Gruppe Ulbricht“, mit der Wolfgang Leonard als zugehöriges Mitglied Ende des Krieges aus Moskau nach Berlin zurückgekommen war, konnte ich interessante Einzelheiten und Einschätzungen erfahren.

      Es ist wohl zu ersehen, wie unsereins mit jedweden aufregenden politischen Ereignissen und Informationen beschäftigt war. Aufmerksam verfolgte ich, was in unserer erstarrten Welt in Gang gekommen und in Bewegung geraten war. Von Mal zu Mal saßen wir im Freundeskreis zusammen, wo wir, aus verschiedenen beruflichen Erfahrungen und Blickwinkeln gesehen, über das Neueste diskutierten. Mit der Zeit kam ein Gefühl von Hoffnung in mir auf, das mich denken ließ: Vielleicht lohnt es sich doch durchzuhalten …

      Ich las schon damals den „Sonntag“, eine vom Kulturbund herausgegebene Wochenzeitung und sporadisch auch „Sinn und Form“, eine von Peter Huchel gelenkte Zeitschrift für Literatur, Theater, Kunst und Ästhetik. Aus Berichten, Aufsätzen und Kommentaren glaubte ich erkennen zu können, wie auch diese Zeitungsleute auf eine Liberalisierung unseres politischen und kulturellen Lebens hinzielten. Zwischen den Zeilen war die Frage herauszuhören: Wann nun endlich zieht unsere SED-Führung klare Schlussfolgerungen aus dem XX. Parteitag der KPdSU?

      Aber es dauerte nicht lange, im Laufe des Jahres 1957 kam der Gegenschlag der SED-Führung. Warnend wurden wir durch die Parteizeitungen über die „Beweisaufnahmen im Harich-Prozess“ und über den Prozess gegen die zweite Harich-Gruppe“ informiert. Man hatte die leitenden Redakteure des „Sonntag“ und vom Aufbau-Verlag um Wolfgang Harich, Walter Janka, Gustav Just u. a., zumeist Altkommunisten und ehemalige KZ-Häftlinge, verhaftet, vor das Oberste Gericht gestellt und als „Staatsfeinde“ zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt.

      Diese Schauprozesse – jetzt, nach den revolutionären Erhebungen in Polen und Ungarn – galten als lautstarke Drohung gegen all die kommunistischen Intellektuellen, die anstelle des totalitären Ulbricht-Regimes die sozialistische Gesellschaftsordnung in der DDR zwar erhalten, jedoch demokratisieren und gerechter machen wollten.

      Am 28. 07. 1957 war in meinem „Sonntag“ zu lesen: „Sie (die Angeklagten) hatten die Zeitschrift („Sonntag“) als ein Mittel zur Realisierung ihrer staatsfeindlichen Pläne … eingesetzt und unter dem Deckmantel der Forderung nach einer weiteren Demokratisierung die Grundlagen unserer Arbeiter- und Bauern-Macht bezweifelt und verleumdet.“(7)

      Wir verstanden so etwas zu lesen und wussten zugleich: Die das jetzt schrieben, waren die neu eingesetzten Redakteure oder Schreiber aus der gegenwärtigen staatstreuen Nachfolge-Mannschaft des „Sonntag“. Für eine Zeitlang verging mir die Lust, ‚meinen‘ „Sonntag“ zu lesen, tat es aber doch, denn ich wollte sehen, was die Neuen aus dieser Zeitung jetzt machten oder wie lange sie den harten Kurs aufrecht erhalten könnten.

      Wenn ich heute zurückdenke, dann meine ich, dass ich damals nicht unbedingt niedergeschlagen war durch jene Prozesse. Man hatte ja damit gerechnet, dass nach Polen und Budapest die Zügel wieder enger geschnallt würden. Das Gespenst der Konterrevolution wurde wieder schrecklich ausgemalt, dem „Klassenfeind“ von innen und dem „imperialistischen“ von außen musste „größte Wachsamkeit“ und „Entschlossenheit“ entgegengesetzt werden, und auf allen Ebenen unseres gesellschaftlichen Lebens, selbstverständlich auch in den Schulen, musste der „Klassenkampf verschärft“ werden! Doch die Gewissheit blieb: Da haben erneut gescheite, verantwortungsbewusste Menschen, achtbare Sozialisten oder Kommunisten, diesmal deutsche, das totalitäre Herrschaftssystem in Frage gestellt und sich für eine Reformierung dieses DDR-Sozialismus mutig eingesetzt!

      Und wenn ich im Sept. 1957 in meiner Zeitung lesen konnte: „Kantorowicz zum Feind übergelaufen“, dann wusste ich, dass wieder ein intellektueller Kommunist, diesmal ein angesehener Literaturwissenschaftler der DDR, dem Prozess-Terror durch Flucht in den „Westen“ entkommen war.

       Mit meiner Klasse 1956.

      Die „Ausmerzung feindlicher Elemente“ ging weiter. Im Februar 1958 wurde uns mitgeteilt, dass Karl Schirdewahn und Ernst Wollweber, ebenfalls von den Nazis verfolgte Altkommunisten und seit 1946 hohe Funktionäre der SED, wegen „Fraktionstätigkeit“ aus dem ZK der SED ausgeschlossen und mit einer strengen Rüge bestraft worden waren.

      Nun habe ich mich natürlich nicht nur mit der großen Politik befasst. Die anstrengende tägliche Arbeit und das persönliche, familiäre Leben nahmen mich ja voll in Anspruch. Vor allem die Schule, sie verlangte meinen vollen Einsatz.

      Eine ganz spezielle Aufgabe, der ich mich im Frühjahr 1958 mit persönlichem Einsatz widmete, war die Planung und Vorbereitung eines schuleigenen Ferienlagers in den Sommerferien. Unser Pionierleiter, Elmar, ein rühriger und ideenreicher junger Mann, und ich als stellvertretender Schulleiter, wir hatten uns dieses Projekt ausgedacht СКАЧАТЬ