Название: Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990
Автор: Heinz Scholz
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783867775649
isbn:
Abgesehen von einigen Höhepunkten und interessanten schulischen Veranstaltungen, lief die „Pionierarbeit“ an der Schule, aus meiner Sicht gesehen, ziemlich formal ab oder pflichtgemäß diszipliniert; und als „Erziehungsträger“ (!) kam der Pionier-Verband nur schwer ins Laufen.
Mit meiner Klasse 1953 …
… und unterwegs 1954.
Die „Ferienaktion“
Zu dem umfassenden Aufgabenbereich des Lehrers gehörte auch seine Mitwirkung bei der Organisation und Gestaltung der 1950 staatlich eingeführten „Ferienaktion für Kinder“. Unter dem Motto „Frohe Ferientage für alle Kinder“ wurde als Erstes verfügt, dass jede Grundschule (Kl. 1 – 8) während der Sommerferien in zwei Durchgängen von je drei Wochen so genannte Örtliche Ferienspiele an der Schule bzw. an einem örtlichen Ferienstützpunkt durchzuführen habe.
Sport und Spiele, interessante Gruppenbeschäftigung und von zentraler Stelle vorgegebene Veranstaltungen wie Kinobesuch, Informations- oder politische Gedenkstunden waren vorgesehen und erwünscht. In den folgenden Jahren wurde die ideologische Erziehung der teilnehmenden Kinder stärker betont. Parteifunktionäre forderten, dass die „ideologische Erziehungsarbeit“ in den langen Sommerferien nicht zum Erliegen kommen dürfe und daher während der „Ferienaktion“ weitergeführt werden müsse.
Zum Stützpunkt der Örtlichen Ferienspiele unserer Löfflerschule war seit 1951 der Bereich der Ausflugsgaststätte „Berggarten“ auf dem Kranberg nahe der Stadt bestimmt worden. Der Gaststättenwirt G. und seine Frau, denen man die verordneten Ferienspiele einfach vor die Nase gesetzt hatte, sahen sich wohl anfangs eher gezwungen und geschäftlich belastet. Sie mussten als Gastgeber der Ferienspiele ihr Gartenlokal zur Verfügung stellen. Und zur Mittagszeit, wenn hier das von der Zentralküche angelieferte Mittagessen für etwa 150 bis 200 Kinder ausgegeben und eingenommen wurde, sahen sich wohl private Gäste des Gasthauses am Rande des Geschehens eher benachteiligt.
Die meisten unserer jungen Lehrerinnen und Lehrer waren während ihrer Sommerferien (!) für je einen Durchgang als Gruppenleiter/in eingesetzt. Jede/r bekam eine Gruppe von Mädchen und Jungen, etwa 20, mit denen er über einen Zeitraum von drei Wochen, wochentags von 9.00 bis 16.00 Uhr, die Ferienspiele zu betreiben hatte. Alle Gruppen trafen sich am Morgen auf vereinbartem Platz und zogen gemeinsam hinauf in den Kranberg, wo im Wirtshausgarten der Gaststätte „Berggarten“ das allgemeine Tagesprogramm durch die Lagerleitung bekannt gegeben wurde. Danach begaben sich die einzelnen Gruppen (12 bis 15 etwa) zu ihren Gruppenplätzen am Rande der Spielwiese oberhalb des Gartenlokals.
Abgesehen von festgelegten Veranstaltungen, war es den Gruppenleitern überlassen, das Tagesprogramm der Gruppe nach eigenen Vorstellungen und nach den Bedürfnissen der Kinder zu gestalten. Wichtig für die Kinder war ihr fester Lagerplatz am Rand der großen Spielwiese, halb im Gebüsch. Es machte ihnen Spaß, ihren selbst ausgesuchten Platz durch Gezweig abzugrenzen und mit trockenem Gras und mitgebrachten Decken behaglich zu gestalten. Mancher brachte eine alte Zeltplane mit, die als Schutzdach gegen Regen aufgehängt wurde. Von diesen Gruppen-Lagerplätzen aus wurden unter Anleitung des Gruppenleiters alle ausgedachten Unternehmungen in Gang gesetzt. Neben einfachem Versteckspiel, Geländespiel oder Schnitzeljagd im nahen Wald, naturkundlichen Kleinexkursionen oder x-beliebigen Entdeckungsgängen, lustigen Unterhaltungsspielen im Lager und vor allem Sportspielen auf der großen Wiese wurden alle möglichen Beschäftigungen genutzt. Manchmal meldete sich eine Gruppe ab, um in ein Schwimmbad zu fahren oder einen ganztägigen Ausflug zu unternehmen. Geschickte Gruppenleiter förderten die Ideen- und Entdeckungslust der Kinder.
Die von der städtischen Leitung der Ferienspiele angesetzten zentralen Veranstaltungen für Ferienspiellager mussten in unserem Tagesprogramm berücksichtigt werden. Sie brachten gelegentlich auch gewünschte, vertretbare Abwechslung in den Tagesablauf. Meistens waren es Filmvorführungen im Kino der Stadt oder Vorträge in unserem Stützpunkt „Berggarten“. Man schickte uns z. B. einen Förster, der über das Leben im Walde und vom Naturschutz erzählte, oder einen „Arbeiterveteran“, der von seinem „antifaschistischen Widerstandskampf“ gegen die Nazis berichtete, oder einen Verkehrspolizisten oder einen Zauberer vom Zirkus und dergleichen.
Der dreiwöchige Ferienspiel-Durchgang endete mit einer großen „Abschiedsfeier“ am letzten Tag. Jede Gruppe war aufgefordert, einen originellen Vortrag oder Auftritt für das große Abschlussprogramm vorzubereiten. Es war erstaunlich und interessant, wie ideenreich und begeistert die Kinder dann ihre eingeübten Darbietungen zum Besten gaben. Ich erinnere mich an schöne Abschlussveranstaltungen im Beisein der eingeladenen Eltern – mit großem Lagerfeuer und abschließendem Lampion-Zug hinunter in die Stadt.
Es sei noch erwähnt: Die Teilnahme an den Ferienspielen war freiwillig! Sie kostete nur eine geringe Gebühr: zwei Mark pro Durchgang. Die Verpflegung der Kinder und Helfer erfolgte ohne Abgabe von Lebensmittelkarten. Der von der Schule beauftragte Leiter der Ferienspiele wurde von einem Angestellten der Stadtverwaltung unterstützt. Von seiner Behörde zu diesem besonderen Zweck vorübergehend abgestellt, war er für die Verpflegung und wirtschaftliche Verwaltung dieses Stützpunktes der Ferienspiele verantwortlich. Auch Eltern-Frauen, von der Schule geworben und eingewiesen, waren als Ferienspielhelfer im Küchendienst oder als Gruppenleiterin eingesetzt worden. Das Ganze wurde also mit großem Aufwand betrieben.
Abgesehen von den vorgegebenen Richtlinien zur „ideologischen Erziehung“, waren wir mitverantwortlichen Lehrer bestrebt, für die Kinder sinnvolle, erlebnisreiche, frohe Ferienwochen zu gestalten. Die meisten von uns haben sich um heikle oder schwierige politische Themen herumgedrückt oder versucht, diese auf ein vernünftiges Maß abzuwandeln. Wer wollte schon die Kinder in den Ferien aufdringlich agitieren. In den von „oben“ geforderten Berichten nach Abschluss der Ferienspiele hat man natürlich den Vollzug der geforderten „Erziehungspflichten“ im einzelnen genau aufgeführt, damit es keinen Ärger gab.
Im Laufe der 50er Jahre wurde die „Ferienaktion für Kinder“ weiter ausgebaut. Neben den „Örtlichen Ferienspielen“ wurden zunehmend mehrtägige Ferienwanderungen oder -fahrten ermöglicht und gefördert. Eine zentrale Verteilungsstelle bot den Schulen anreizende Wanderquartiere in interessanten Landschaften und Städten der DDR an, in denen Wandergruppen mehrtägig untergebracht und verpflegt werden konnten.
Ich habe davon oft Gebrauch gemacht, denn ich bin gern mit Kindern auf Fahrt gegangen. Es machte mir Freude, meinen Ideen zufolge mit den Schülern auf Entdeckung zu gehen, mit ihnen Sehenswertes zu erschließen und zu erleben und ihren Gesichtskreis zu erweitern. Natürlich war man als Leiter einer Wandergruppe, ob im Thüringischen unterwegs oder im Erzgebirge, im Harz oder in Berlin, so gut wie Tag und Nacht „im Dienst“. Es war anstrengend und verantwortungsvoll bei allem, was man täglich zu leisten hatte. Aber ein Vorteil lockte: War man 8 oder 10 Tage lang als Wandergruppenleiter unterwegs, war man freigestellt von drei Wochen Einsatz in den „örtlichen Ferienspielen“. Somit verlängerte sich für den „wandernden“ Lehrer die Zeit der freien Tage während der Sommerferien um eine Woche.
Eine СКАЧАТЬ