Название: Erster-Weltkriegs-Tagebuch aus der böhmischen Provinz
Автор: Josef Brauner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960086123
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Heute gegen Abend wurde die polizeiliche Bekanntmachung verlautbart, dass nach 10 Uhr abends in der Gemeinde vollständige Ruhe zu herrschen habe und dass Gruppenansammlungen verboten sind, was auch befolgt wurde. Vor dieser Stunde herrschte aber auf allen Plätzen und Gassen ein Lachen und Scherzen, als wollte man sich für das spätere ungewohnte Schweigen entschädigen. Das Publikum zog wie an einem Fest herum, obwohl schon die Nachricht bekannt geworden war, dass England an Deutschland den Krieg erklärt habe.
6. August 1914: Diensttelegramm, aufgegeben in Olmütz, am 6. August um 3.45 Uhr früh im Bahnstationsamt Grulich angekommen. Dringend. ‚Feindliche Aeroplane kommen von Breslau der Eisenbahnstrecke entlang und werfen Bomben. Sämtliche Posten, Gendarmerie und Behörden sofort melden.’
Weitere Telegramme.
‚Teplitz 6. August. ‚Ein feindliches Luftschiff wurde über Zell a. d. Donau gesichtet, zwischen 9 bis 10 Uhr abends in der Richtung gegen Ungarn. Ein Aeroplan donauabwärts durch Pöchlarn, Direktion A. T. E
Von allen diesen Aeroplanen haben wir in Grulich glücklicher Weise nichts bemerkt.‘
‚Olmützer Direktion 6/8 11. V: ‚Vom Statthaltereipräsidium in Brünn folgende Depesche angelangt: Von Ratibor sind russische Aeroplane auf der Fahrt nach Breslau der österreichischen Grenze entlang und werfen Bomben. Gendarmerieposten und Behörden verständigen.‘
Heute keine Zeitungen angelangt. Verlangen danach ist groß.
7. August 1914: Diensttelegramm Olmütz, Direktion, 7. August 9.48 Uhr. ‚Laut Nachricht von Röderau und Welbten besteht dringender Verdacht, dass die französischen Autos versuchen, Geldsäcke und Kisten auf Landfuhrwerke und Bauernkarren umzuladen. Es werden auf allen Chausseen und Feldübergängen Fuhrwerke jeder Art anzuhalten und eingehend zu durchsuchen sein. Es ist ersucht worden, außer Bahnbediensteten auch Orts- und Polizeibehörden, Feuerwehr und Dienststellen des verschärften Bahnschutzes sofort zu benachrichtigen und für Weiterverbreitung an die Ortsbehörden zu sorgen.’
Olmütz Nordböhmen, 7. August 11.45 Uhr. ‚Ein feindlicher Aeroplan Richtung Prerau-Olmütz.’
Deutschland weist sämtliche junge Österreicher aus, damit sie hier ihre militärischen Pflichten erfüllen.
Wie mir gestern ebenfalls ein gewisser Grulicher aus Preussen erzählte, ist die Erbitterung in Deutschland über den ruchlosen und schändlichen Überfall durch Russland und Frankreich ungeheuer. Eine Million Männer haben sich schon freiwillig zum Kriegsdienste gemeldet. Selbst Mütter bringen mit Entschlossenheit 16jährige Söhne dem teuren Vaterlande dar!
Eine Zeit wie jetzt wird kaum mehr ein Geschlecht erleben; ein Meer von Blut und Tränen bereitet sich vor.
Bei Lichtenau soll heute ein Aeroplan niedergegangen sein. Gendarmerie und Polizei begaben sich sofort dahin; aber diese Nachricht erwies sich als Lüge. Nach dem Urheber wurde zwar gefahndet, er konnte aber nicht ermittelt werden.
8. August 1914: Telegramm Olmütz. Direktion, 8. August 12.00 Uhr. ‚Nach Mitteilung des hiesigen Bahnkommandos sollen heute ab 5 Uhr früh deutsche Flieger unterwegs sein. Die beteiligten Organe sind zu verständigen, dass beim Nahen der Flieger nicht geschossen wird.’
Auch diese Flieger wurden hier nicht gesehen.
Goldgeld gibt es überhaupt nicht mehr. Auch das Silber- und teilweise sogar Nickelgeld verschwindet aus dem öffentlichen Verkehr, weil viele Leute es unvernünftiger Weise zurückbehalten und auf Banknoten kein Kleingeld herausgeben. In einzelnen Geschäften müssen die Leute entweder genau abgezähltes Geld hinlegen, oder es wird vertrauenswürdigen Kunden so lange geborgt, bis eine runde Summe, die einer Banknote entspricht, aufgelaufen ist.
Das führt zu empfindlichen Verlegenheiten.
Die Lebensmittel steigen im Preis. Weizenmehr früher 1 Kilo zu 44 Heller kostet jetzt 60 Heller.
Die Sammlung für die armen Angehörigen der Eingerückten hat den Betrag von 1.309,80 Kronen ergeben. Es wurde aber nicht bei allen Bewohnern, sondern nur bei den wohlhabenden gesammelt.
14. August 1914: Nach einer Prager Zeitung entsprechen die Drahtnachrichten über die Autos mit der Millionenfracht, die radfahrenden Maurer usw. nicht der Wahrheit. Seither sind schon mehrere Telegramme über Autos und Aeroplane hier eingetroffen, die ich aber nicht mehr anführe.
17. August 1914: Telegramm: ‚Entscheidender Sieg der Österreicher bei Waljewo. Viel Kriegsmaterial erbeutet. Serben werden verfolgt. Unser 16. Inft. Regnt besonders tapfer gewesen.’
Schon vor einigen Tagen hatte das Redemptoristenkollegium3 in Niederheidisch einen großen Reisighaufen links der großen Steige aufschichten lassen, welcher mit brennbaren Stoffen getränkt war und dazu dienen sollte, beim ersten Siege der Österreicher angezündet zu werden, was dann heute Abend geschah. In der Stadt standen und zogen die Leute zahlreich umher. Wenn sie auch einen Sieg zu feiern hatten, so hätte dies in Hinblick auf die blutigen Opfer, die ein solcher kostet, auch in gesetzterer Weise geschehen können. Aber hier war es wie bei einer Faschingsunterhaltung, was bei den jetzigen tiefernsten Zeiten jeden denkenden und fühlenden Menschen abstoßen muss.
In der Stadtkanzlei ist stets sehr viel zu tun. Kaum sind die Anmeldungen auf Unterhaltsanspruch der Angehörigen der Eingerückten an die Bezirkshauptmannschaft eingesandt, so erkundigen sich schon die Weiber, wie weit die Unterstützung gediehen ist. Heute war eine Menge Fabrikweiber gleichzeitig in die Kanzlei gekommen, um die staatliche Unterstützung zu betreiben. Ich machte sie aufmerksam, dass jetzt alle Ämter viel Arbeit haben und daher einige Geduld nötig sei. Einzelnen sehr Bedürftigen mussten Vorschüsse von 10 bis 20 Kronen gegeben werden. Es ist übrigens Tatsache, dass mehrere Weiber aus der Kolonie sich nicht schämten, schon einen Tag nach der Einrückung ihres Mannes Vorschüsse auf den Unterhaltsbeitrag zu begehren. Das berechtigt mich zu der Kritik: Viele Fabrikarbeiter, die bis jetzt immer guten Verdienst hatten, haben eben alles flott verlebt und keine Ersparnisse gemacht. Jetzt sind die meisten am Trockenen. Aber einige meinen: ‚Wenn kein Verdienst mehr sein wird, gehen wir auf die Felder und raufen die Erdäpfel aus.’
Einige Weiber der Eingerückten sind stinkfaul. Statt in der Fabrik drei Tage wöchentlich zu arbeiten, was sie ganz gut könnten, da sie kinderlos sind, gehen sie schön angekleidet spazieren und warten auf die staatliche Unterstützung. Mit welchen Eigenschaften soll man solche Leute bezeichnen?
22. August 1914: Heute langte die Einberufungskundmachung ein, laut welcher die Reservemänner und Ersatzreservisten der k. k. Landwehr, dann die Rekruten und Landsturmpflichtigen älteren Jahrgänge und beurlaubte Landsturmpflichtige einrücken müssen.
Seit dem Kriegszustand werden in allen Orten, besonders aber an der Reichgrenze, die Durchreisenden überwacht und kontrolliert. Sie müssen daher mit gemeindeamtlichen Legitimationen versehen sein. Da hat nun die Stadtkanzlei massenhaft Arbeit. Selbst an Sonntagnachmittagen geben die Leute keine Ruhe. Wir haben solche Scheine an 300 Personen ausgestellt. Und sonderbar, je unruhiger die Zeit, desto größer die Reisewut. Abgesehen davon, dass viele Eheweiber der Eingerückten nach Hohenmauth oder Mährisch Schönberg reisen, um nochmals mit den Ehegatten zu sprechen, begeben sich andere Leute gruppenweise nach Mittelwalde und andere preußische Städte, um die neuesten Nachrichten vom Kriegsschauplatze zu vernehmen. Familien und sonstige Bekannte machen öfters Besuche als in ruhigen Zeiten. Es ist sogar lächerlicher Weise vorgekommen, dass junge Leute Legitimationen СКАЧАТЬ