Der weiße Adler. Thomas Wünsch
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Название: Der weiße Adler

Автор: Thomas Wünsch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: marixsachbuch

isbn: 9783843806138

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СКАЧАТЬ eines »national« gesonnenen Kirchenfürsten ein, dann mussten die Germanisierung Schlesiens und die unübersehbare Präsenz des deutschen Einflusses auch in den anderen polnischen Landesteilen wie eine Bedrohung aussehen.

      Genau diese Sicht verkörperte der Gnesener Erzbischof świnka. Er ist einer der Hauptprotagonisten in einem ab diesem Zeitpunkt fassbaren Diskurs um die Bewertung der deutschen Immigration und der Folgen eines kulturellen Wandels in Polen. Seine Antwort war eine explizite Fremdenfeindlichkeit, die nach dem Zeugnis des zeitgenössischen Chronisten Peter von Zittau so weit ging, dass er alle Deutschen pauschal nur noch als »Hundsköpfe« abzuwerten pflegte. Doch sollte man sich von solchen Entgleisungen, wenn sie denn stimmen, nicht irreführen lassen: Mindestens dieselbe Energie wie zur Verunglimpfung der Fremden legte der Kirchenfürst bei der Förderung des Eigenen zu tage. Die Provinzialstatuten, die in seiner Amtszeit für das Erzbistum Gnesen erlassen wurden (1285), spiegeln das. Es sind Anweisungen für das Verhalten des Klerus in seinem Sprengel, und die waren geleitet von dem Bedürfnis, »die polnische Sprache zu schützen und zu fördern« (ad conservacionem et promocionem lingwe Polonice). In der Praxis hieß das, dass die Priester in ihren Gemeinden regelmäßig die zentralen Teile des Glaubensbekenntnisses, des Vaterunsers und des Ave Maria in polnischer Sprache vermitteln sollten. Das Sündenbekenntnis sollte ebenfalls auf Polnisch geleistet werden, und die Einstellung von Lehrern und Seelsorgern sollte davon abhängig gemacht werden, dass diese Berufsgruppen die polnische Sprache beherrschten. Es ging dem Gnesener Erzbischof mit diesen klaren Anweisungen, die übrigens sein Nachfolger auf der Provinzialsynode von 1326 bestätigte, um den Stellenwert des Polnischen und die Seelsorge in der Sprache der Einheimischen. Man vergleiche die Situation in Schlesien, wo Synodalstatuten von 1406 und 1446 das Vaterunser, das Ave Maria und das Glaubensbekenntnis in deutscher und polnischer Sprache festhielten – also einen expliziten Beitrag zur Zweisprachigkeit und zur Gleichberechtigung der sprachlichen Kontexte leisteten.

      Im Fall świnkas war es damit aber nicht getan. Seine Auseinandersetzung mit dem Krakauer Bischof Jan Muskata (1295–1320) zeigt, dass der Diskurs über die Förderung der autochthonen Kultur hinausging und eine Polarisierung stattgefunden hatte. So, wie man świnka zuschrieb, die Deutschen gezielt zu beleidigen, so konfrontierte man den aus Breslau stammenden Muskata mit dem Vorwurf, er würde ganz bewusst nur Deutsche in kirchliche Ämter kommen lassen, ja wolle sogar den Herzog von Krakau und das polnische Volk aus seinem Land vertreiben, um den Besitz an Ausländer weitergeben zu können. Muskata wurde 1308 seines Amtes förmlich enthoben – was zwar nicht beweist, dass die Anschuldigungen korrekt waren, aber einen Fingerzeig auf die gespannte Atmosphäre gibt, in der sich dieser Diskurs um die Bewertung von Immigration und kulturellem Wandel abspielte. Kein Zufall ist, dass sich der Konflikt gerade auf dem Feld der Sprache entspann: Erst seit Beginn des 13. Jahrhunderts begegnet in den Quellen der Begriff der lingua Polonica, und die Verschriftlichung der polnischen Sprache stieg markant an. Man wird die Genese eines polnischen Nationalbewusstseins im 13. Jahrhundert nicht verkennen können – was zu höchst unterschiedlichen Reaktionen führen konnte. Eine waren jedenfalls Verse eines Mönchs der niederschlesischen Zisterzienserabtei Leubus/Lubiąż aus dem 14. Jahrhundert, in denen er sich über kulturelle Mängel bei den Polen mokierte.

      Die Zeit der späten Piasten

      Es ist sicher kein Zufall, dass sich die heiße Phase der Auseinandersetzung um die Deutschen und den deutschen Einfluss zeitlich mit dem »Vereinigungskorridor« überschneidet, der zur Wiedererrichtung der Monarchie führen sollte. Polen hatte sich in der Zeit der Teilfürstentümer merklich auseinanderentwickelt; Zeichen dafür ist, dass man den Landesnamen selbst im 13. Jahrhundert auf Großpolen reduzierte. Der Raum, von dem die Staatswerdung Polens im 10. Jahrhundert ausgegangen war, wurde mit »Polen« assoziiert – eine Einengung, die angesichts der unterschiedlichen Verhältnisse in Schlesien und des Aufbaus eines eigenen Staates auf der Basis des Kulmer Lands durch den Deutschen Ritterorden nur allzu verständlich war. Die Frage, was das polnische Staatswesen dennoch zusammengehalten hat, beschäftigt die Forschung seit Langem. Hatte man in früheren Zeiten vor allem das Gewicht äußerer Bedrohung und den Anteil der polnischen Kirche an der Bewahrung eines Gesamtstaats betont, so bringt die neuere Forschung zusätzlich die ideellen Beiträge, etwa in Form der Hagiografie um den Märtyrerbischof Stanislaus von Krakau, und die ständischen Wandlungen ins Spiel. Angeführt wird, dass sich nicht nur der Episkopat für eine zentrale (politische) Gewalt einsetzte, die auch politischen Schutz versprach. Daneben sind andere Kräfte zu sehen, die in eine ähnliche Richtung tendierten. So war auch der ärmere Adel daran interessiert, dass Landesverteidigung und Richterfunktion von einer zentralen Institution wahrgenommen wurden. Dieser Teil des Adels grenzte sich als »Ritterschaft« gegen andere Schichten der Bevölkerung ab, war territorial in Verbänden organisiert und bestand auf den alten Vorrechten der Erblichkeit des Besitzes und der Steuerfreiheit. Besitzgarantie und militärischer Schutz dürften auch die Motive gewesen sein, warum eine andere wichtige Gruppe der Bevölkerung, das Patriziat der neuen Städte, eine Erneuerung der Königsmacht unterstützte. Dieses Patriziat wies einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Deutschen aus, was nicht verhinderte, dass man sich von einer Monarchie Vorteile versprach. Zusammen mit anderen Faktoren bildete gerade das Stadtbürgertum eine wirtschaftliche Basis für das neu zu errichtende Königreich Polen.

      Schon seit dem 13. Jahrhundert sind Bestrebungen seitens der schlesischen Piasten zu beobachten, eine Zentralgewalt zu etablieren. Treibende Kraft wurde dann jedoch Kleinpolen, das ebenfalls stark von den Veränderungen in der Zeit von Ostsiedlung und Landesausbau geprägt war. Hier organisierte der aus dem ungarischen Exil zurückgekehrte kujawische Herzog Władysław łokietek (»Ellenlang«, reg. 1305–1333) die Vereinigung der polnischen Landesteile. Abschluss dieser Bemühungen, die nicht ohne Widerstände blieben, war die Königskrönung in Krakau im Jahr 1320. Der Papst hatte sein Einverständnis gegeben, was diesem Akt zusätzliches symbolisches Gewicht verlieh. Noch 1300 hatte sich der böhmische Herrscher Wenzel/Václav II. in der Gnesener Kathedrale zum König von Polen krönen lassen; nach dem Aussterben der Přemysliden 1306 (die mit Przemysł II., Wenzel II. und Wenzel III. drei Könige in Polen stellten) konnte Władysław łokietek seinerseits eine Expansion der Macht einleiten. Allerdings ist festzuhalten, dass mehr als die Hälfte des Herrschaftsgebiets der frühen Piasten nicht in dem erneuerten Königreich vorhanden war. Das betraf in erster Linie die schlesischen Herzogtümer, die sukzessive eine Lehnsaufreichung an die Krone Böhmen durchführten und bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts sämtlich aus dem polnischen politischen Verband ausschieden. Eine Klammer blieb lediglich die nach wie vor bestehende Eingliederung des schlesischen Bistums Breslau in den Gnesener Metropolitanverbund. Hinzu kommen Abstriche im Norden: Masowien wurde nicht Teil des neuen Königreichs Polen, genauso wenig wie Westpommern, das den Status eines Reichslehens besaß. Und um den Besitz von Ostpommern (Pommerellen) musste das neue Königreich Krieg mit dem Deutschen Orden führen.

      Als Gegengewicht zu diesen Verlusten an Herrschaftsgebiet im Westen trat unter dem Nachfolger Władysław łokieteks, Kazimierz III., seit den 1340er-Jahren eine intensive Ostexpansion hinzu. Kazimierz III. erweiterte das Staatsgebiet, das er von seinem Vater übernommen hatte, auf nahezu das Dreifache. Neue Akquisitionen waren teils alte Piastenfürstentümer, wie Teile von Kujawien und Masowien, teils ganz neue Gebiete, wie das Fürstentum Halicz-Wolhynien. Aufgrund der Neuerwerbungen gerade im Südosten des Reichs, die sprachlich, konfessionell und rechtlich ganz anders gestaltet waren als die polnischen Kerngebiete, veränderte sich zum einen die Struktur des Reichs. Zum anderen bildete sich eine besondere Mentalität heraus, die mit der Ostgrenze Polens nicht nur einen gewöhnlichen territorialen Zuwachs verband, sondern auch eine Sonderstellung des Landes. Die Berührungsfläche mit dem ostslawischen Bereich, die eine Abgrenzung und Auseinandersetzung vor allem mit dem Moskauer Reich mit sich brachte, wurde zum Stimulus für eine veränderte Eigenwahrnehmung. Man sah sich an einer »Kultur- und Konfessionsgrenze«, an der »Grenze des Abendlandes«, und damit am Rand der europäischen Zivilisation. Die Auseinandersetzung damit begann in der Zeit Kazimierz’ III. und dauerte bis zum Ende der Adelsrepublik – mit Nachspielen im 20. Jahrhundert und punktuellen Reflexen bis heute. Dabei ging es in einer ambivalenten Bewegung immer um СКАЧАТЬ