Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche. Guido Fuchs
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СКАЧАТЬ macht diese Haltung der übereinandergeschlagenen Beine den Eindruck des Passiven: Mal sehen, was da kommt. Jedenfalls ist sie eine unliturgische Haltung, wie es Walter Kempowski in seinem Roman „Heile Welt“ (1998) zum Ausdruck bringt:

      image Am Morgen fuhr Matthias zunächst noch zur Kirche. Die Predigt handelte von dem kleinsten Tüttel des Gesetzes, den man nicht weglassen darf, und Pfarrer Ortlepp brachte eine Menge Beispiele von geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen, von Anstand und von Sitte. […] Wer erinnere sich nicht an dieses hässliche Bild, vor einigen Jahren um die Welt gegangen, von den Oxford-Studenten, wie sie nicht einmal die Hände aus den Taschen nahmen, als Bundespräsident Heuss, dieser gebildete, feinsinnige Demokrat, ihnen einen Besuch abstattete. Wer Autoritäten nicht achtet, nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, der verletzt die Spielregeln, deren Einhaltung Demokratie überhaupt erst möglich macht. Wieviel mehr im Raum der Kirche, dem Vorhofe Gottes? Wer in einem Gotteshaus, zum Beispiel, in der Kirchenbank sitzend die Beine übereinanderschlägt, der beweist schon damit, dass für ihn das Bethaus eine Jahrmarktsbude ist.

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       Predigt von der Kanzel, aus: Der Seelen Wurzgart (1483)

      Das Sitzen mit übereinandergeschlagenen Beinen gab es allerdings auch schon früher, wie ältere Darstellungen, etwa aus der Reformationszeit, zeigen.

      In orthodoxen Gotteshäusern, wo man überwiegend steht und es nur wenige Sitzgelegenheiten gibt, wird streng darauf geachtet, dass man nicht salopp sitzt: Diese Erfahrung habe ich selbst auch als Schüler gemacht, als mir einmal im byzantinischen Gottesdienst des Klosters Niederaltaich ein Pater das Übereinanderschlagen der Beine verbat. Diese Haltung ist nicht nur eine unliturgische; weil die Beine überkreuzt sind, wirken sie auch noch sakrilegisch, wie der Moderator und Schriftsteller Roger Willemsen im orthodoxen Sofia erfahren musste:

      image Ein Pope singt im hellen Tenor, ein Knabe steht, die hohe tropfende Kerze in der Hand, mit iPod-Stöpseln im Ohr und verneigt sich betend. Man atmet die Luft aus einem Schacht ins Mittelalter. Ein Kustode kommt und fordert mich auf, nicht mit übereinandergeschlagenen Beinen zu sitzen. Warum? Er deutet zum Altar: „Das Kreuz ist IHM allein vorbehalten.“ (Roger Willemsen, Ein Traum, der wachsen muss, SZ Magazin 20/2014)

      Diese Haltung der übereinandergeschlagenen Beine kann man vor allem in Kirchen finden, die bestuhlt sind – in Sitzbänken ist sie nur schwer möglich.

      Doch auch in Kirchenbänken kann man es sich „bequem“ machen – und das nicht erst seit unserer Zeit. So beklagte Johann v. Matha Haberl in seiner „Darstellung der kirchlichen Gebräuche und Ceremonien“ Mitte des 19. Jahrhunderts: „Gehe man nur in die nächst beste Kirche und betrachte man die Leute dort, wie sie’s machen. Der sitzt, aber fest sitzt er vom Anfang bis zum Ende der Messe; wenn er nicht sitzen kann (kein Platz für ihn ist), so geht er gar nicht in die Kirche; und der oder die lümmelt da, als ob sie nicht wüßten, wo sie seien, oder als ob sie es absichtlich antrügen und berechneten, sich möglichst ungebührlich und ärgerlich zu benehmen.“

      Etwa um dieselbe Zeit beschwerte sich ein anderer Autor über das schlechte Benehmen während der Gottesdienste auf dem Land; auch hier war das „Es-sich-bequem-Machen“ ein Übel: „Andere, und zwar viele, fangen, sobald die Predigt beginnt, alsbald zu schlafen an, und schlafen fort noch lange während des übrigen Gottesdienstes. Ich sah diese Ungeheuer an, und erblickte sie selbst während der heiligen Wandlung schlafend, es stund keiner mehr auf, sich mit dem Kreuze zu bezeichnen, sondern sie blieben sitzen, wie Mehlsäcke an die Wand gelehnt.“

      Ein probates Mittel gegen das Lümmeln schien dem preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm im 18. Jahrhundert das Entfernen der Lehnen an den Bänken der Garnisonskirchen zu sein; während der langen Predigten sollten seine Soldaten, die an den Gottesdiensten teilnehmen mussten, nicht die Möglichkeit haben, es sich bequem zu machen …

       Knien, Kniebeugen, Knicksen

      Wie das saloppe Sitzen, vor allem aber das Sitzenbleiben während der Wandlung als Ausdruck der Ehrfurchtslosigkeit gilt, so auch das Unterlassen der Kniebeugen – sei es beim Betreten der (katholischen) Kirche, sei es vor dem Allerheiligsten bzw. bei der Wandlung. Dass sich innerhalb der Grußriten beim Betreten der Kirche manches geändert hat, wurde bereits beschrieben. Das vielfache Unterlassen der Kniebeuge gehört ebenso dazu, wobei heute der Umstand mit zu berücksichtigen ist, dass das Allerheiligste bzw. der Tabernakel sich unter Umständen nicht im Altarraum befindet, sondern in einem Nebenraum, so dass keine Kniebeuge gemacht werden muss. Nach Romano Guardinis genanntem Buch „Von heiligen Zeichen“ soll die Kniebeuge tief, langsam und mit ganzem Herzen geschehen, um Ausdruck der Demut zu sein. Von daher ist nicht nur das Unterlassen der Kniebeuge, sondern auch ihre schludrige und hingerutschte Andeutung ein Ausdruck der oberflächlichen Einstellung. Letztlich geht es ja auch um eine Begrüßung des Herrn.

      Ein gerade nur angedeuteter Knicks kann auf körperliche Schwierigkeiten zurückgehen, manchmal ist dies aber nur eine schnelle Ausrede. Dem hl. Vinzenz von Paul wird nachgesagt, dass er bis ins hohe Alter bemüht war, die Kniebeuge trotz seines Beinleidens korrekt und ehrfürchtig zu machen. Er hielt auch seine Mitbrüder dazu an. Und die zahlreichen „großen Metanien“ (Kniebeuge mit zwei Knien, Oberkörper nach vorn strecken und Berühren des Bodens mit der Stirn) während der Fastenzeit im byzantinischen Ritus sieht man auch viele alte Menschen vollziehen.

       Reverenz

      Hinsichtlich des Kniens zur Konsekration (Wandlung) in der Messe gibt die schon zitierte Einführung in das Messbuch den Hinweis: „Wenn die Platzverhältnisse oder eine große Teilnehmerzahl oder andere vernünftige Gründe nicht daran hindern, soll man zur Konsekration knien“ (AEM 21). Viele Gläubige bleiben aber auch bewusst stehen, nicht nur weil das die alte Gebetshaltung der Gläubigen ist, sondern weil es ja auch im Hochgebet selbst heißt: „Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“ Umso genauer schauen aber manche dann, was die Zelebranten tun, die ja ihre vorgeschriebenen Kniebeugen haben. So wird denn auch in einschlägigen fundamentalistischen Internetforen heftig kritisiert, dass Papst Franziskus angeblich manche Kniebeuge unterlasse, was sein „sakrilegisches“ Verhalten zeige.

      Ein unehrfürchtiges Verhalten während der Messe und die unterlassenen Kniebeugen wurden auch schon früher kritisiert; Elfriede Moser-Rath zitiert den Barockprediger Ignatius Ertl, der sich darüber beklagt: „Wie manicher knopfeter Baurnbengl und Jodl (wol auch manicher hoffärtiger Spreizer und Bürzer) stehet ein gantze Meß bey dem Altar da / wie ein Oelgötz mit aufgerissenem Maul den Priester angaffend / ohne dass er sich kaum bey der Auffwandlung mit halben Fuß was bucket / und hernieder kniet.“

      Nicht nur die Haltung ist Ausdruck der Ehrfurcht vor der Gegenwart Christi, sondern auch das Verhalten. Während der Wandlung nicht aufmerksam und andächtig dem Geschehen am Altar zu folgen und stattdessen (als Kind) Spielchen mit dem Vordermann zu treiben, weil es kurzweiliger ist, konnte einem früher schon ein paar „Watsch’n“ seitens des Mesners eintragen, wie es der bayerische Kabarettist Gerhard Polt beschreibt. Die von ihm zitierten Worte des Mesners machen deutlich, dass sein Benehmen sich nicht gegen die Mitfeiernden richtete, sondern gegen Gott selbst:

      image „Du Hundskrüppel, du verreckter – an lieben Gott beleidigen –, wart nur – du kommst sicher in d’Höll.“ (Gerhard Polt, СКАЧАТЬ