Die Belagerung von Krishnapur. James Gordon Farrell
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Название: Die Belagerung von Krishnapur

Автор: James Gordon Farrell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783957571229

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СКАЧАТЬ Mr. Brunel, derzeit baut und die bald die sieben Weltmeere bezwingen wird? Ist das nicht ein ungeheurer materieller Triumph und der von Gottes Gnaden leibhaftig gewordene Geist der Menschheit in einem? Mr. Rayne, beide, der Dichter und der Opiumverwalter, sind für unsere Weltanschauung notwendig. Was sagen Sie, Padre? Habe ich recht?«

      Trotz seiner schmächtigen Gestalt war Reverend Hampton in Oxford bei den Ruderern gewesen und hatte aus jenen Tagen ein gesundes und bescheidenes Auftreten bewahrt, erleuchtet von einer ernsthaften Schlichtheit des Glaubens, die durch all seine Worte und Gesten hindurchschien. In der von religiösen Streitigkeiten aufgeheizten Atmosphäre, die damals in Oxford herrschte, tat ein Mann gut daran, sich ans Rudern zu halten; die Angriffe der Traktarianer reichten aus, um den Stärksten zu erschüttern; man sagte, in Oxford habe Dr. Whately, derzeit Erzbischof von Dublin, während seiner Predigt sogar ein Bein von der Kanzel baumeln lassen.* Gleichviel hatte der Padre manchmal eine sorgenvolle Miene; der Grund war, dass er fürchtete, die Aufgaben, zu denen der Herr ihn berufen hatte, könnten seine Kräfte übersteigen.

      »Mr. Hopkins, wie Sie wissen, hatte ich die Ehre, genau wie Sie die Great Exhibition zu besuchen, die fast auf den Tag genau vor sechs Jahren in unserem Heimatland eröffnet wurde. Dort umherzuwandern, in diesem großen Glaspalast, so riesig, dass die darin eingeschlossenen Ulmen wie Weihnachtsbäume aussahen, war eine Wanderung durch ein Wunderland der Schönheit und menschlichen Erfindungskunst … Doch unter all den vielen Wundern, die es enthielt, war eines in der amerikanischen Abteilung, das mich besonders beeindruckt hat, weil es das Geistige und das Praktische so glücklich zu verbinden schien. Ich meine die Schwimmende Kirche für Seeleute aus Philadelphia. Diese ungewöhnliche Konstruktion schwamm auf den gepaarten Schiffsrümpfen von zwei New Yorker Klippern und war ganz im gotischen Stil gehalten, mit Kirchturm und Turmspitze … innen gab es einen Bischofsstuhl; außen war sie wie aus braunem Sandstein gestrichen. Während ich sie betrachtete, dachte ich an alle über die Jahrhunderte von Menschen erbauten Kirchen und sagte mir: ›Dies ist sicher die vollkommenste Verkörperung des Glaubens, die es je gegeben hat.‹«

      »Ein großartiges Beispiel«, stimmte der Collector zu. »Eine sehr glückliche Verbindung von Faktischem und Spirituellem, von Tat und Geist.«

      »Aber nein, Sir! Aber nein, Padre!«, rief Fleury so vehement, dass diejenigen Gäste, deren Gedanken während der vorausgehenden Diskussion abgeschweift waren, aufschreckten. Alle Augen richteten sich auf ihn, und während er sprach, fragte er sich, ob er nicht möglicherweise ein ganz klein wenig betrunken war. »Aber nein, mit Verlaub, das ist es ganz und gar nicht. Bitte bedenken Sie doch, Padre, dass eine Kirche nicht mehr Kirche ist, weil sie schwimmt! Wäre eine Kirche denn eher eine Kirche, wenn wir sie mit tausend Ballons in den Himmel aufsteigen lassen könnten? Nur wer fähig ist, den zärtlichsten Regungen seines Herzens zu lauschen, ist fähig zu dieser luftigen Erhebung, die ihn mit dem Ewigen vereint. Was Ihre größten Ingenieure anbelangt, wenn sie nicht auf die Stimme ihres Herzens hören, werden nicht Tausend, nicht Millionen Ballons in der Lage sein, ihre bleiernen Füße auch nur einen Millimeter von der Erde zu heben …« Fleury unterbrach, die Bestürzung im Gesicht des Doktors gewahrend. Er wagte es nicht, einen Blick auf Louise zu werfen. Irgendwie wusste er, dass sie verstimmt sein würde. Jetzt hätte er sich in den Hintern treten können, diese Sachen mit den »zärtlichsten Regungen des Herzens« so herausposaunt zu haben … das war wirklich der allerletzte Spruch bei einem Mädchen wie Louise, das gern mit Offizieren flirtete. Er hatte nichts davon sagen wollen … er hatte geradeheraus und männlich sein und viel lächeln wollen. Was für ein Tor er war! Während er dasaß, kam ihm ein zufälliger, furchterregender Gedanke in den Sinn: Heute Nacht würde er inmitten schlürfender Schlangen schlafen müssen!

      Derweilen blickte der Padre ausgesprochen beunruhigt drein. Dieser junge Mann hatte eine theologische Hasenjagd eröffnet, die vielleicht schwer zu bremsen war, wenn er sie laufen ließ. Er dachte grimmig an seine Studienzeit zurück, als diese Art theologischer Hatz sehr in Mode gewesen war und am Ende leider mehr als einen jungen Mann zu Fall und um seinen Glauben gebracht hatte. Dabei war der Padre schon genug von Sorgen geplagt; abgesehen von den mannigfaltigen Problemen des Predigtamts in einem heidnischen Land waren kaum zwei Stunden vergangen, seit er eine schmerzliche Unterredung mit dem gefallenen Mädchen im dak bungalow gehabt und es immer noch so berauscht gefunden hatte, dass es der Stimme des Gewissens nicht zugänglich war. Doch er hatte noch eine größere Sorge als das, denn mit der englischen Post, die am selben Nachmittag von der dak gharry geliefert worden war, war eine Nummer der Illustrated London News mit einem starken Leitartikel wider eine Gefahr gekommen, derer er sich noch nicht einmal bewusst gewesen war … das Vorhaben einer neuen Bibelübersetzung. Es bedurfte nicht des Leitartikels, um ihm das Ausmaß der Gefahr, die da über der christlichen Welt schwebte, klarzumachen. Die Bibel war heilig, und der Padre wusste, dass man etwas Heiliges nicht verändern darf. Menschen schickten sich an, heilige Worte verbessern zu wollen! In ihrem Wahn und ihrem Stolz machten sie sich daran, den göttlichen Urheber zu bearbeiten.

      Doch zugleich konnte er nicht verstehen, warum es hatte sein sollen, dass die Bibel überhaupt, auch das erste Mal, übersetzt werden musste … warum sie auf Hebräisch und auf Griechisch geschrieben wurde, obwohl Englisch doch die nächstliegende Sprache war, denn außerhalb einer entlegenen Ecke der Welt konnte kaum jemand Hebräisch verstehen, während Englisch in jeder Ecke jedes Kontinents gesprochen wurde. Der Allmächtige hatte, wohl wahr, nachträglich eine wunderbare Übersetzung erlaubt, als hätte er seinen Irrtum bemerkt … aber natürlich, der Allmächtige konnte nicht irren, so ein Gedanke war absurd. Hier merkte der Padre, dass er in Angelegenheiten von äußerster theologischer Komplexität eindrang, die sein Gehirn verblendete. Es war so heiß, und man durfte sich nicht wie ein Widder in der Hecke der Sophisterei verfangen. Er versuchte sich zu sammeln, und sagte milde, aber fest: »Ich stimme Ihnen zu, Mr. Fleury, dass eine Kirche ein Haus Gottes ist, in welcher Gestalt auch immer. Mit der Schwimmenden Kirche habe ich ein Beispiel von Menschen angeführt, die Gott einen Erfindungsgeist höchsten Ranges weihen.«

      Armer Fleury, er hatte sich überstürzt zu weit in den Sumpf der Disputation gewagt. Sein Stolz stand auf dem Spiel, und er konnte nicht mehr zurück. Er konnte nur noch vorwärts, obwohl jeder saugende Schritt, den er nach vorne tat, Louises Verachtung unvermeidlich steigern musste.

      »Aber ich glaube, weihen ist nicht genug. Wir rechnen, wir folgern, wir beobachten, wir bauen, wo wir fühlen sollten! Wir tun all diese Dinge, statt zu fühlen.«

      Harry Dunstaple rutschte ungeduldig auf seinem Platz herum, bleicher denn je; er konnte beim besten Willen nicht erkennen, was das sollte, so viel Gerede um nichts.

      Die strengen Züge des Collectors hatten einen Ausdruck gut gelaunter Ungeduld angenommen; während Fleury sprach, hatte er einen der Träger etwas holen geschickt, und gerade kehrte der Mann mit drei Lederbänden zurück. »Dieses unser Universum folgt Gesetzen, die wir in unserer bescheidenen Unwissenheit kaum wahrzunehmen vermögen, geschweige denn verstehen. Doch wenn Gottes Güte uns erlaubt, einige wenige seiner Wunder zu erforschen, ist es nur recht, dass wir es tun. Nein, Mr. Fleury, jede Erfindung ist ein Gebet zu Gott. Jede Erfindung, noch so groß, noch so klein, ist eine bescheidene Nachahmung der größten aller Erfindungen, des Universums. Lassen Sie mich nur aufs Geratewohl aus dem Katalog jener Ausstellung zitieren, die der Padre eben erwähnt hat, der Great Exhibition, die ich Sie bitte, als ein gemeinsames Gebet aller zivilisierten Nationen zu betrachten … Lassen Sie mich sehen, hier, Nummer 382: Gerät, um die Blinden schreiben zu lehren. Modell einer Luftmaschine und eines lenkbaren Ballons. Feuervernichter von R. Weare aus Plumstead Common. Ein Haustelegraph mit nur einer Glocke für beliebig viele Räume. Ein ausziehbares Pianoforte für Yachten und so weiter. Künstliche Zähne, aus Nilpferdelfenbein geschnitzt, von Sinclair und Hockley aus Soho; ein Universalbohrer zur Entfernung von Zahnfäule. Ein Kieferhebel, um Tieren die Mäuler aufzusperren. Verbessertes Doppel-Bruchband für Leistenbrüche, erfunden von einem Arbeiter … Der Erfindungsgeist der Menschheit scheint unerschöpflich zu sein, und ich könnte endlos fortfahren, Beispiele zu zitieren. Aber ich bitte Sie nur, diese bescheidenen Kunstwerke der gottgegebenen Fähigkeit des Menschen, СКАЧАТЬ