Der Fremde: Ein Gleichniss. Hans von Kahlenberg
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Fremde: Ein Gleichniss - Hans von Kahlenberg страница 11

Название: Der Fremde: Ein Gleichniss

Автор: Hans von Kahlenberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066116903

isbn:

СКАЧАТЬ fruchtbare Ebenen kam er, wo Dorf an Dorf sich drängte, Hof neben Hof, stattliche Höfe mit rothen Ziegeldächern und steinernen Ställen, weiter Einfriedigung für das Gelände. Obstgärten bildeten den Reichthum der Gegend. Selbst das Vieh war schöner, fett und glatthäutig, wie die Leute, die in steifen Trachten gingen, mit seltsamen Hauben und Mützen, weiten Röcken und verschnürten Stiefeln. Die Kinder truppten zur Schule steif und artig. Alles war numerirt und eingetragen vom Landrathsamt. Man sah die neue Bahn ohne Ehrfurcht. Man wusste, was man werth war, und wünschte nicht, dass eine Vermischung stattfand.

      ... Manchmal ging er sehr früh am Tage. Alles war grau, grau wie im Wasser gewaschen und noch nicht getrocknet wieder. Die Feuchtigkeit sass in der Erde wie in einem Schwamm. Die Luft war zu schwer noch, dass sie ausdampfen konnte. Kleine Kiesel blinkten gewaschen, braun [pg 70]mit stumpfen Steingries in der Mitte. An jedem Grashalm hing ein Tropfen. Unzählige, unendlich winzige Tröpfchen bildeten einen feinen, weiss-grauen Seidenschleier auf seiner klebrigen, mit kleinen Härchen besetzten Oberfläche. Die Kräuter streiften feucht beim Durchschreiten. Man fühlte die Erde sich ansetzen und schwer werden unter den Schuhen. Der Wind blies mit einem Geruch von frischer Wäsche. Zwischen rothen Steinfassungen einer Brücke floss breit ausgelaufen ein Mühlbach. Niemand wusste, ob es regnen würde, aber inwendig war ein Tropfen und Sickern, die Thätigkeit des Wassers, das filterte, sich einsackte.

      Der Wind erhob sich in den Pappelkronen. Sie verbeugten sich und neigten ihre schlanken Ruthen gegeneinander. Die Ruthen rieben sich und wechselten sehr schnell in der Berührung, wie Tasten eines Klaviers, die man nacheinander anklinkt, ein Spiel der Stäbe, die Zeichen geben, eine Botschaft weitertragen. Die ganze lange Reihe hindurch lief die Bewegung. Sie schüttelten die Köpfe, rauschten und raunten.

      Erst kam es nur wie ein feiner, leichter Wasserstaub, ein Schleier im Gesicht, den der Wind nach [pg 71]Laune vor- und zurücktrieb. Graue Huschen zogen rasch wie Watteballen in der Luft. Dann wurde es wie ein leises Stossen, wie wenn es in einem Kessel anfing langsam zu kochen. Man hörte das Klatschen auf nackte glatte Häute der Blätter. Aber es kam noch nicht durch. Sie schützten wie ein Regenschirm. Es rieselte, rauschte, tropfte, plätscherte ... Es regnete.

      Im Frühlingsregen ging man wie in einer grauen Tarnkappe. Alles erschien ohne Farbe, sehr jung noch, wie eben ausgebrütet, als ob die Eihäutchen noch herum wären, eine Fötuslandschaft. Das Nass begoss, trieb, schwellte. Unter den Fusssohlen sickerten Lachen. Alles Grün wurde grell, fast giftig. Die Blumenkronen schienen grösser, vom Wasser beschwert. Fast schwarz glichen die Baumrinden aufgebrochner Erde. Ein lauer Schweissgeruch des Brütens lagerte. Unter den Steinen höhlten sich Löcher. Alle Steine schienen dunkler. Ihre weissen Aederchen und Brüche zeigten sich sehr deutlich. Die Steine waren nicht steinern und die Tropfen schlugen sie.

      Dann kam ein gelber Schein von irgendwoher. Er flatterte auf wie ein Vogel. Es war ein Spiel der Lichter ohne eine Quelle des Lichts, ohne dass [pg 72]man wusste, woher die Strahlen kamen. Grosse Flecken von Klarheit rissen ein und vergrösserten sich im Grau. Alles ging sehr rasch, wie das Anschlagen eines Instruments, ein Finger, der sehr schnell über Saiten läuft. Es giebt einen Klingklang hier und da, aber noch keine Melodie. Die Regenstriche schienen blank und sprühend. Einen Moment funkelte Alles. Ein Regenbogen stand sicher geschwungen über der Landschaft, ein zweiter verschwamm zitternd im Grauen.

      Die Vögel fingen schüchtern wieder an zu piepen.

      ... Man sah keinen Menschen des Abends. Ueber die Felder zogen Nebel. Am Waldrand schien sich’s zu brauen, zusammenzurotten. Man unterschied die einzelnen Bäume nicht mehr. Es waren Alles Rundungen, wie Hammelrücken, Riste flockiger Widder sehr eng zusammengepresst. Das wiederholte sich unendlich. Es schien wie ein Meer, das da angewachsen, festgenagelt war, dunkel, drohend, gierig, immer dieselbe Form in immer tieferen Schatten, Röthen, Violetten, die der Tag nicht kannte. Das drang vorwärts, frass sich weiter, eine schlechte Anziehung schien von ihm auszugehen, etwas von Hexenkraft, Räthselhaftig[pg 73]keit, Unerlöstem. Sehr sanft schmiegten sich die Saaten. – Ein Reh trat heraus. Es äugte mit merkenden Lichtern, spitzte die Horcher, eh’ es sich zum Aesen bückte. Dann kamen mehrere. Man glaubte den leichten Anschlag ihrer Hufe auf dem Rasen zu hören, wie sie sich bewegten, malmten. Nun wurde Einem wohler.

      ... Die Kastanien trieben eidicke Knospen. Blättchen an Blättchen faltete sich in drängender Enge, rundlich, breiter am Grunde und spitz zulaufend im Abschluss. Der klebrige Lebenssaft hielt sie alle zusammen. Zartbraun waren die äussren, wie dünne abfallende Schalen, die ihren Dienst gethan haben. Die inneren blieben weiss und lichtgelb, wie feines Fleisch der Eier, das man isst.

      Er fand einen jungen Mann unter dem Kastanienbaum. Er hielt ein Buch auf seinen Knieen, aber er las nicht.

      Er sprach zu ihm: „Warum liest Du nicht in Deinem Buch, das Du hältst?“

      Er sprach: „Dieses Buch habe ich gelesen, viele Bücher, alle Bücher der Welt, die ich finden konnte. Ihre Worte sind Buchstaben und ihr [pg 74]Wissen ist Worte. Jetzt lese ich gar nichts mehr. Ich bin nur hier und studire den Baum.

      „Recht herrlich anzusehen ist dieser Baum. Aufgepflanzt auf starken Wurzeln, unter der Erde gegründet wie über ihr. Der Mittelstamm reckt sich stolz und gerade. Jedes Jahr weitet sich der Ring. Eine Schnur fügt sich mystisch zur Schnur der gewesnen, die die Vergangenheit zeichnen, und jene Zukünftiges. So entsendet er Aeste ringsum im Kreise nach allen vier Richtungen der Sonne, dass die Sonne sie bescheine und wachsen macht. Kleine Zweige schiessen auf von den grossen, aus knorrigen Höhlen, wo das Geheimniss der Geburt sich erneuert. Diese wieder theilen sich in fächernde Finger.

      „Keine Regel scheint in dem Ganzen und stolz giebt er die Rundung des Erdballs wieder. Fast flach breiten sich die untern tragenden Aeste. Die mittleren reichen an den Kreis des Aequators. Zum Pole der Spitze fügen sich in schärferer Steigung die oberen.

      „Und Alles lebt. Die Wurzel entsendet die Kräfte, die die Aeste leiten. Zur äussersten Spitze des ärmlichsten Stieles steigt pulsender Saft, der schwärt und gebiert. Ohne Ende ist dieses Leben, [pg 75]grossmüthig und doch sparsam. Es scheint zu schlafen und wirkt doch in der Stille. Prangend steht es in der Blüthe und sicher reift doch die Frucht. Es giebt kein Meistern an seiner Form und Bestimmung. Denn Alles ist meisterlich von Anfang gegründet wie es sein muss, bis er stirbt, sein Tag um ist, da er lebte.“

      Er sprach: „Bist Du also weit und hast Du dies Alles erkannt, so will ich Dir mehr sagen, das wichtiger ist denn Werden und Sterben. Lass Dein Buch und den Baum und folge mir.“

      So folgte ihm dieser.

      Zwei Brüder, Maurermeister, lebten in einer kleinen Stadt. Sie lebten dort schlicht und redlich, waren verheirathet und hatten Kinder. Ihr Gut mehrten sie täglich und sie hatten zusammen ein schönes Haus gebaut, dass sie dort auf ihrem Eignen sässen und ihre Tage friedlich endeten.

      Sprach der Eine zum Andern: „Was hilft es uns nun, dass unser Gut sich mehrt von der Arbeit unsrer Hände, unser Haus fest und stattlich steht? Wir müssen doch sterben. Die Zeit reisst es ein, was wir gebaut haben.“

      Der Andre sprach zu seinem Bruder: „Ich kenne einen Fremden, der Worte weiss stärker [pg 76]wie das Leben. Was er meint, bindet keine Zeit. Mauern fassen es nicht, die stärker sind wie unsre.“

      Er sprach, der der ältre Bruder war und der Weiseste von Beiden: „Diesen Mann muss ich hören. Und wenn ich alle meine Güter dahintenlasse, was das Herz froh macht, ein Weib und junge Kinder. Es ist wichtiger, dass ich habe, was ewig bleibt. In sich bauen, dass man fest wird, ist mehr denn Häuser bauen, die der Sturm einreisst.“

      Diese Beiden gingen und suchten den Fremden auf.

      Sie waren aber redliche Leute, wohlgeachtet von allen Menschen und СКАЧАТЬ