Blanchisserie oder Von Mäusen, Moder und Literatursalons. Jurgis Kuncinas
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Название: Blanchisserie oder Von Mäusen, Moder und Literatursalons

Автор: Jurgis Kuncinas

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Literatur aus Litauen

isbn: 9783898968560

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СКАЧАТЬ die Qualität der Kunst auch nicht. Außerdem waren in dieser Aktentasche bestimmt nicht nur Manuskripte …

      Pietaris bemerkte meinen Blick, öffnete die Schnallen der Tasche und gestattete mir einen Blick in ihr Inneres. Ich erblickte Kognak, Gläser, Honig und Nüsse. Nicht schlecht. »Lassen Sie das alles hier«, befahl ich ihm. »Ich versuche noch heute Nacht, alles durchzulesen, und gebe Ihnen morgen Bescheid. Aber meine Antwort wird nicht unbedingt positiv ausfallen! Wissen Sie, Gediminas, es hängt ja nicht nur von mir ab …«

      Der Poet sprang auf. »Ich verstehe ganz ausgezeichnet. Aber es ist alles schon anderswo besprochen und abgestimmt worden, und man bräuchte nur ein paar einleitende Worte von Ihnen. Hier steht alles über Litauen, Margiris, Rainiai, Klepočiai und Kalanta …«

      »Was für grausige Ereignisse und Orte! Viel Feuer und Blut«, meinte ich, und er stimmte mir lebhaft zu. »Sollte ich nicht mehr da sein«, warnte ich ihn, »teilt Ihnen meine Frau Terezija meine Meinung mit.« Und ganz unverschämt fügte ich hinzu: »Ach, und übrigens, Gediminas, leihen Sie mir doch hundert Litas, ich bin völlig abgebrannt.«

      Jede Arbeit verlangt ihre Entschädigung, und er übergab mir einen mit dem Bildnis von Daukantas geschmückten Hunderter. »Gute Nacht und bis bald!« Oh unglückliches Vaterland …

      Irgendein Teufel ritt mich, noch einen Blick in den Hof von Zepas Išganytojas zu werfen, warum auch immer. Höchstwahrscheinlich waren es die heftigen Lachsalven, das tierische Gewieher, das Gekreisch und andere Geräusche, die von dort ertönten. Ich erkannte Nabės Mezzosopran: So quieken Schlafmäuse, wenn man ihnen auf den Schwanz tritt! In der Tat, Triksė schor sie wie ein Lamm mit einer stumpfen färöischen Schafschere, und daneben standen Zepas, seine Frau und der von seiner Reise zurückgekehrte Hesekiel, der offizielle Schwiegersohn von Zepas Išganytojas. Unter einem Hocker lagen ein paar leere Schnapsflaschen, und Nabė war bereits sternhagelvoll, ein Palastschäfchen mit einem Pagenschnitt. Kein Teilnehmer dieses Happenings bemerkte, dass sich in den Höhen die Wellen des Vierwaldstätter Sees rollten … Ach was, Wellen, nicht einmal auf mich wären die Leute aufmerksam geworden, hätte ich nicht Nabės schlanken Hals gepackt und gefragt: »Wer hat dich so entstellt?«

      »Hau ab! Meine Mutti hat mir die Haare geschnitten, hau ab!«

      Zepas schaltete das Radio ein, und Saulius Tomas erzählte von den jüngsten Ereignissen auf dem Balkan und in Tibet und erwähnte auch die geballten Anstrengungen von »Human right«, Israelis und Palästinenser miteinander zu versöhnen. In seiner Stimme bemerkte ich die bekannte, leicht versteckte Ironie. Maironis’ Kahn mit dem diplomatischen Korps war überhaupt nicht weit weg.

      Triksė, die Berufsmutti, kämmte mit einem güldenen Kamm Nabės Borsten und flüsterte: »Mein armes Töchterlein, willst du Suppe?«

      »Bloß keine Gemüsesuppe! Ich will Borschtsch mit Fleisch!«, kreischte Nabė hysterisch und ging mit Triksė ins Haus.

      Zepas trat an mich heran, zog aus der Brusttasche vierhunderttausend paraguayanische Guaraní hervor und sagte ohne jede Spur von Angeberei: »Siehst du? Wir sind nicht arm. Es liegt ganz und gar in deinen Händen.«

      »In seinen Hosen, meinst du wohl!«, brüllte Nabė durch das Fenster und verschluckte sich an einem knorpeligen Stück Schaffleisch.

      Über die Veranda kam die Tochter von Kacas getorkelt, die vollkommen nüchterne, dafür aber hochschwangere Katze Zabna; auch Katzen blieben nicht von der Pubertät verschont. Man hätte das Dachfenster zunageln sollen, dachte ich verstimmt, warum hatte niemand rechtzeitig daran gedacht! Für mich gab es hier nichts mehr auszurichten, und die Guaraní lockten mich nicht, schließlich hatte ich gerade hundert Litas für eine Konsultation erhalten.

      Aber auch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Der Mond hielt sich hinter einer dicken Wolke versteckt, und es war vollkommen finster. Die Menschen in Žvėrynas und in Užupis zündeten Kerzen an und der liebe Gott die Sternelein, nur dass niemand sie sah. Diese Menschen, dachte ich, ach, diese Menschen! Die einen spielten noch mit Würfeln, die anderen lagen schon in ihren Betten und sprachen ihr Abendgebet, andere wiederum zogen durch die Wälder über die Grenze, der eine auf die eine Seite, der andere auf die andere. Die einen bereiteten sich auf Operationen oder auf die Jagd vor, andere waren von der Freiheit und ihrer Arbeit zu Tode erschöpft und liebten ihre Frauen. Nur wir am Ufer des Vierwaldstätter Sees, auf der Seite von Žvėrynas, warteten auf die Rückkehr des Künstlers Maironis mit seiner Kunstschmuggelware. Unter dem Jasmin schlief der erschöpfte Zepas Išganytojas, nachdem er meine unechte Frau und deren noch unechtere Tochter umarmt hatte. Welch seliges Bild: er in der Mitte und die beiden Frauen auf jeweils einer Seite, wer weiß, was Jesus in dieser Nacht zu dem Maurer gesagt hätte? Ich kehrte in meinen Hof zurück, zum wievielten Mal heute? Der Wind hatte sich beruhigt, von Ribiškės und Riovonys ertönte das Gedröhn der russischen Streitkräfte herüber, nicht weit entfernt knallte ein vereinzelter Schuss, und ein fröhlicher Schrei ertönte: »Hab ich’s nicht gesagt? Du hast schon wieder nicht getroffen!«

      Ich schnitt Grünfutter für šerifas und Džeris, die beiden Hofhunde, goss die Zucchini und die Selleriepflanzen und begann, vor lauter Langeweile aus einem Büschel vorjährigen Hanfes eine Schnur zu flechten. Ich wäre bei dieser Beschäftigung vielleicht sogar eingeschlafen, denn Terezija lag schon längst in ihrem leichten Dienstschlaf, aber aus einem Wolkenzipfel kroch eine Laterna magica heraus, erhellte meine kleine Mohnplantage, die für den Weihnachtskuchen vorgesehen war, und ich erkannte klar und deutlich, wie vier Halbwüchsige meinen Schatz verwüsteten!

      Ich hätte von mir aus nichts unternommen, aber in diesem Moment kam der Maler Golosačius angeschneit, um sich Tee zu borgen. Vielleicht habe ich noch gar nicht erwähnt, dass er nur bei Mondschein malt und dann unbedingt Tee trinken muss. Schweigend sperrten wir die jugendlichen Banditen ein, Golosačius gab ein gewaltiges Geschoss aus seiner hinteren Düse ab, und sofort erhoben die Kinder ihre Hände zum Mond; ihre Tatzen zitterten wie die von Kätzchen. Nachdem wir die Gefangenen zur ewigen Ruhe in den Schuppen von Schuster Juodvalkis eingeschlossen hatten, besprachen wir kurz den Fall. Golosačius führte ein professionelles Verhör durch, und dabei stellte sich heraus, dass die Dreizehnjährigen die Kinder von Philosophen und Gewerbetreibenden waren. Der Maler schlug ihnen vor, sie in das Vivarium von Užupis zu deportieren, aber die Jungen boten ein so hohes Lösegeld an, dass sich der alte Maestro erweichen ließ und einen von ihnen probeweise auf freien Fuß setzte: »Wenn der hier nach einer Stunde zurückkommt, dann lasse ich alle frei!«

      Der Knabe kehrte nach einer Viertelstunde mit der Schweizer Uhr seines Vaters zurück, »Papa hat sechs Stück, der merkt das gar nicht«, mit einer Schachtel Zigarren, einem Päckchen Darjeelingtee von den Hängen des Himalaja und einem Mobiltelefon, das ich bekam, weil Golosačius keine Tasten drücken konnte. Als wir sie freiließen, flüsterte der Maestro: »Hoffentlich machen sie sich noch möglichst oft über deinen Mohn her!«

      Ich warf dem Maler einen finsteren Blick zu, bot ihm aber an, die Nüsse und den Kognak von Pietaris zu probieren. Auch Zepas Išganytojas kam angetorkelt, als er den Schnaps witterte, und wir tranken schweigend und gemächlich. Es schien, als sei alles gesagt, die heilige Nachtruhe senkte sich herab, und schon fiel mir der Kopf auf die Brust, als plötzlich das Heulen einer Sirene ertönte.

      Wahrscheinlich wieder ein Luftangriff, schoss es mir durch den Kopf, aber als wir alle auf die Straße stürzten, zeigte sich, dass dem nicht so war: Vielmehr verkündete eine gnadenlose Alarmanlage, dass ein Autodieb versucht hatte zuzuschlagen. Dieser machte so viel Lärm, dass er fast das Heulen der Sirene übertönte, und kurz darauf erschien Milošas mit seinem Sondereinsatzkommando. Es stellte sich heraus, dass kein anderer als der tobsüchtige Färinger Hesekiel, der Schwiegersohn von Zepas, versucht hatte, die alte Rostlaube zu stehlen! Wo hatte er bloß seinen Verstand gelassen? Gerade frisch angekommen hatte er sich bei seinen Schwiegereltern noch nicht einmal richtig die Füße gewärmt, und schon, schwuppdiwupp, СКАЧАТЬ